Der Markt für Mittelstandsanleihen ist so gut wie tot. Es fällt derzeit schwer, diese These zu widerlegen – zu viele Mini-Bond-Emittenten mussten ihre Anleihen außergerichtlich restrukturieren oder sogar Insolvenz anmelden, wie zuletzt der Brennstoffhersteller German Pellets, dessen Antrag auf Eigenverwaltung postwendend abgelehnt wurde. "Denn Mini-Bond-Insolvenzen sind nicht wie normale Insolvenzen", sagt Volker Böhm, Insolvenzverwalter bei Solar Millennium und Fachanwalt für Insolvenzrecht bei der Kanzlei Schultze & Braun.
Das fängt bei der Anzahl der Gläubiger an: „Bei einer normalen Insolvenz sind die größten Gruppen unter den Gläubigern meistens Lieferanten und Banken, in der – in der Regel hat man als Verwalter in einem Verfahren mit bis zu 1.000 Gläubigern zu tun“, so Böhm. Hat das Unternehmen dagegen eine Mittelstandsanleihe begeben, könne diese Zahl schnell auf zigtausend Gläubiger anwachsen. Der kommunikative und logistische Aufwand sei dementsprechend größer. Bei Solar Millennium waren es nahezu 20.000 Anleger. Und diese gilt es zu mobilisieren, sprich zur Teilnahme an Gläubigerversammlungen zu bewegen. Keine leichte Aufgabe für einen Insolvenzverwalter.
Durch das Schuldverschreibungsgesetz aus dem Jahr 2009 hat sich zwar vieles vereinfacht, da ein zentraler Gläubigervertreter gewählt werden kann. Dennoch ist die erste Versammlung meistens nicht beschlussfähig. Für den Insolvenzverwalter erschwert die große Anlegerzahl die Arbeit, da er alle Interessen berücksichtigen muss.
Mini-Bond-Emittenten: Geschäftsführer sind beratungsresistent
Unter den Bondholdern befinden sich neben institutionellen Investoren bei Mittelstandsanleihen vor allem viele Privatanleger. „Diesen wird häufig von Anlegerschutzanwälten organisiert zu Klagen gegen die Geschäftsführung geraten, weshalb diese bei Mini-Bond-Insolvenzen oft einer regelrechten Flut von Anklagen ausgesetzt sein kann“, so Böhm. Das kann für die Geschäftsführung schnell ungemütlich werden, Mangerhaftungsversicherung hin oder her.
Die Geschäftsführung steht ohnehin meistens im Zentrum des Unmuts der Anleger. Denn im Gegensatz zu Großkonzernen sind die Mini-Bond-Emittenten oft klassisch mittelständisch in Familienhand – mit einem patriarchischen Gründer oder Geschäftsführer an der Unternehmensspitze. Dieser wird bei einer Finanzierung ohne Bankenbeteiligung vergleichsweise wenig überwacht oder kontrolliert und kann damit nahezu schalten und walten wie er möchte. Hinzu kommt in manchen Fällen eine gewisse Beratungs- und Empfehlungsresistenz, die zunächst dazu führt, dass der Insolvenzantrag so lange wie möglich hinausgezögert wird.
Zudem erschwert diese Beratungsresistenz die Eingliederung eines Patriarchen in einen Insolvenzprozess. Große Unternehmen mit externem Management sind häufig distanzierter und holen tendenziell früher Sanierungsexpertise an Bord. Diese Unternehmen gehen dann in der Regel besser vorbereitet in die Insolvenz, als es viele Mini-Bond-Emittenten tun.
Insolvenzvorbereitung bei Mittelstandsanleihen oft unterschätzt
Eine gute Vorbereitung der Insolvenz wird laut Böhm häufig vernachlässigt: „Soll das Insolvenzverfahren als Sanierungsoption genutzt werden, ist zunächst zu klären, wer das Management vor und während der Sanierung bei insolvenzrechtlichen Fragen unterstützt. Die Verstärkung des Managements mit einem Chief Restructuring Officer (CRO) ist in solch einem Fall prinzipiell eine gute Lösung, um das verlorene Vertrauen der Gläubiger wieder aufzubauen“, sagt Böhm.
Auch wenn der Insolvenzantrag noch nicht gestellt wird, empfiehlt es sich, das Insolvenzszenario frühzeitig mit Experten durchzuspielen. Dadurch wird klar, welche Auswirkungen eine Insolvenz auf die einzelnen Geschäftsfelder hätte. Eine entscheidende Frage ist zum Beispiel, wie sichergestellt werden kann, dass das operative Geschäft von Tochterunternehmen, die über die Mutter finanziert sind, im Fall einer Insolvenz der Mutter aufrechterhalten werden kann.
„Das Management muss früh ein konkretes Sanierungsziel, das durch die Eigenverwaltung erreicht werden soll, haben. Außerdem muss es den Gläubigern klar machen, welchen Mehrwert die Sanierung für sie bietet", meint Böhm. Nur bei einer seriösen und professionellen Vorbereitung wird das Insolvenzgericht einem Antrag auf Eigenverwaltung zustimmen. Für viele Unternehmen löse das Wort „Insolvenz“ im Kopf aber immer noch eine Blockade aus. „Sie erkennen nicht, dass ihr Unternehmen gerade auch mit Hilfe einer Insolvenz saniert werden kann“, bemängelt Böhm.
"Oft gehen die Patriarchen metaphorisch mit ihrem Schiff unter", kritisiert Böhm. Dabei können der Insolvenzverwalter und der CRO oft überhaupt nicht auf den Geschäftsführer verzichten, da er intern entweder noch starken Rückhalt genießt oder schlichtweg die einzige Person ist, die einen Überblick darüber hat, wo im Unternehmen was passiert und wo genau die Probleme liegen.
Der Debt-to-Equity-Swap im Insolvenzplanverfahren
Gesteht sich der Patriarch jedoch rechtzeitig ein, dass die Anleihe oder das Unternehmen restrukturiert werden müssen, kann gehandelt werden: Entweder dank des Schuldverschreibungsgesetzes außergerichtlich, wie zuletzt beim Maschinenbauer Singulus oder dem Landmaschinenhändler Ekotechnika. Möglich sei dies aber auch im Rahmen eines sogenannten Insolvenzplanverfahrens, das laut Böhm derzeit aber noch zu wenig genutzt wird, obwohl es ein taugliches Sanierungsinstrument sei.
Außergerichtlich abgewickelte Debt-to-Equity-Swaps haben den Nachteil, dass für die Anleger ein gewisses Haftungsrisiko besteht. Wenn das Unternehmen später doch noch in die Insolvenz rutscht, steht die Bewertung der Forderungen der Anleger zum Zeitpunkt des Tauschs in Eigenkapital auf dem Prüfstand. Böhm spricht dabei von einer sogenannten „Differenzhaftung“. Ist die Forderung zum Zeitpunkt des Insolvenzantrags niedriger, als beim früheren Debt-to-Equity-Swap, so muss der Gläubiger die Differenz unter Umständen an den Insolvenzverwalter nachzahlen. Seit der Insolvenzrechtsreform 2012 ist die Differenzhaftung bei einem Debt-to-Equity-Swap in der Insolvenz laut Böhm faktisch ausgeschlossen.
Damit diese Sanierungsszenarien überhaupt Gestalt annehmen können, muss der insolvente Mittelständler laut Böhm jedoch alle wichtigen Entscheidungsträger und Vertragspartner frühzeitig in seine Sanierungspläne einbeziehen und transparent über alle wesentlichen Ereignisse und Meilensteine berichten. Kommunikation lautet das Zauberwort – nicht nur gegenüber dem Insolvenzrichter.
Info
Der Mini-Bond-Markt ist derzeit so gut wie tot, denn viele Anleihen müssen restrukturiert werden und Neuemissionen sind faktisch nicht möglich. Verfolgen Sie das Marktgeschehen auf der FINANCE-Themenseite zu Mittelstandsanleihen.