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Restrukturierungsfälle legen weiter zu

Die Finanzierungsbedingungen bei Restrukturierungsfällen bleiben schwierig.
iStock / Thinkstock / Getty Images

Die Situation scheint paradox: Obwohl sich die Konjunktur in Deutschland im ersten Halbjahr 2013 trotz eines unsicheren weltwirtschaftlichen Umfelds als widerstandsfähig erwiesen hat, ist die Zahl der Restrukturierungsfälle in diesem Zeitraum weiter angestiegen. Von den 77 Restrukturierungsexperten, die im Rahmen des dritten Restrukturierungsbarometers Umfrage Rede und Antwort standen, gaben mehr als 40 Prozent zu Protokoll, mehr neue Krisenfälle zur Bearbeitung bekommen zu haben als noch im zweiten Halbjahr 2012.

An diesem Trend dürfte sich auch in den kommenden Monaten nicht viel ändern. Für das zweite Halbjahr 2013 rechnen 47 Prozent der Befragten mit zunehmenden bzw. deutlich zunehmenden Zahlen bei Restrukturierungsfällen. Rückblickend ist diese Einschätzung jedoch nicht so pessimistisch zu interpretieren, wie sie vielleicht auf den ersten Blick aussieht. Denn in den vorangegangenen Umfragen rechneten die Restrukturierungsexperten noch mit deutlich mehr künftigen Krisenfällen: Anfang dieses Jahres waren es 53 Prozent, Mitte des vergangenen Jahres sogar 60 Prozent der Befragten.

Anzahl der Insolvenzen steigt

Deutlich gestiegen ist die Anzahl der Pleiten. Auf die Frage, wie sich die Altfälle gegenüber dem Halbjahr zuvor entwickelt haben, gaben 22 Prozent der Befragten an, zuletzt seien mehr Firmen in die Insolvenz gegangen. In den Umfragen Anfang dieses Jahres und im Sommer des Vorjahres berichteten lediglich 13 Prozent von einer höheren Anzahl Insolvenzen. Korrespondierend dazu wurden weniger Restrukturierungsfälle in den Marktbereich zurückgeführt: Lediglich 25 Prozent der befragten Experten haben mehr Engagements aus der „Intensivstation“ entlassen.

Trotz der anziehenden Zahl von Restrukturierungsfällen rechnen die Befragten nicht mit einem Personalaufbau in den Intensive-Care-Abteilungen der Banken. Gut die Hälfte der Finanzierer geht davon aus, dass der Workout-Bereich in ihren Instituten personell wenigstens stabil bleibt. Ein knappes Fünftel ist sogar der Ansicht, dass eher abgebaut wird. Das passt ins Bild der Finanzbranche, die in den vergangenen Monaten und Jahren einen permanenten personellen Aderlass zu verkraften hatte, der wohl auch noch nicht ausgestanden ist.

Anhaltend schwierige Finanzierungsbedingungen

Anhaltend schwierig ist die Finanzierung von Restrukturierungsfällen. Dieser Ansicht sind 48 Prozent der Befragten – ein Anstieg um 4 Prozentpunkte gegenüber der vorangegangenen Umfrage. Nicht einmal 4 Prozent der Banker berichten dagegen von einer besseren Finanzierungssituation. „Da verwundert es nicht, dass auch die Zusammenarbeit innerhalb der Finanzierungspools bei Restrukturierungsfällen nicht einfacher wird“, erklärt Georgiy Michailov, Managing Partner bei Struktur Management Partner. 40 Prozent der befragten Finanzierer beurteilen diese schwieriger als noch im vorhergehenden Halbjahr. Der Befund dürfte allerdings auch durch die aus Sicht von 55 Prozent der Befragten zugenommene Komplexität der Restrukturierungsfälle ausgelöst werden.

Beim Handel mit notleidenden Krediten erwarten die meisten keine Änderungen zum Status quo. Der Anteil der Befragten, der von einer Zunahme ausgeht, ist mit 21 Prozent im Vergleich zu den vorherigen Umfrageergebnissen rückläufig. Der Kreditverkauf im Fall der angeschlagenen IVG durch die Banken wird denn auch eher als Einzelfall betrachtet und nicht als möglichen Auftakt für einen verstärkten Handel mit notleidenden Unternehmenskrediten.

Mehr als die Hälfte der Restrukturierungsexperten sieht in Unternehmenskrediten eine für ihr Haus problematisch Assetklasse. „Es bleibt abzuwarten, inwieweit diese Einschätzung die Finanzierung künftiger Krisensituationen weiter erschwert“, sagt Georgiy Michailov. Immobilienkredite werden dagegen von lediglich 25 Prozent der Befragten als problematisch angesehen. Keine großen Veränderungen im Vergleich zum vorangegangenen Halbjahr gab es bei der Frage, ob Banken bei bestehenden Engagements eher bereits sind abzuschreiben oder weiter zu finanzieren. 44 Prozent der Experten meinten, Banken seien zurzeit eher bereit, Abschreibungen in Kauf zu nehmen. 42 Prozent meinten, Banken würden eher weiter finanzieren, um Abschreibungen zu vermeiden.

Skepsis bei Mittelstandsanleihen

Überwiegend skeptisch beurteilen die Restrukturierungsexperten die neu geschaffen Segmente für Mittelstandsanleihen. Fast jeder Zweite geht davon aus, dass die Ausfallquoten in BondM & Co deutlich höher sein werden als der historische Durchschnitt bei Unternehmensanleihen. Defaults – vor allem in der Solarbranche – haben dafür gesorgt, dass die Restrukturierungsexperten bereits erste Erfahrungen mit insolventen Emittenten sammeln konnten. Als problematisch hat sich dabei vor allem die heterogene, unprofessionelle Gläubigerstruktur herausgestellt, die Entscheidungen erschwere.

Kein einheitliches Bild zeigen die Antworten auf die Frage, ob komplexe Anleiherestrukturierungen unter dem neuen Schuldverschreibungsgesetzt generell besser gelingen. Während jeweils ein Fünftel dies bejahte und verneinte, hatten 40 Prozent darauf keine Antwort. Vermutlich ist es für den Großteil der Befragten noch zu früh, ein fundiertes Urteil abzugeben. Das gleiche gilt auch für das Potential des Schutzschirmverfahrens ESUG. Ein Drittel der Befragten billigt dem ESUG das Potential zu, bei Restrukturierungen künftig den Gang ins Ausland zu verhindern. Jeweils ein Viertel der Befragten verneinte das bzw. hatte darauf keine Antwort.

andreas.knoch[at]finance-magazin.de

Info

Das Restrukturierungsbarometer …
ist eine Onlineumfrage, die regelmäßig von FINANCE in Zusammenarbeit mit dem Beratungshaus Struktur Management Partner unter Professionals aus dem Intensive-Care-Bereich von Banken durchgeführt wird. Die Umfrage beleuchtet die aktuelle Marktsituation in der Finanzierung von Krisenfällen. An der aktuellen Umfrage haben 77 Spezialisten teilgenommen und die Fragebögen ganz oder teilweise ausgefüllt.