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Solar Millennium: Werbung entscheidet bei Prospekthaftung

Die sonnigen Zeiten sind vorbei für Solar Millenium: Anleihezeichner machen Prospekthaftungsansprüche gegen das insolvente Unternehmen geltend.
Thinkstock / Getty Images

Bei den Mittelstandsanleihen reiht sich eine Hiobsbotschaft an die nächste. Im Rahmen einer bereits 2013 beim Landgericht Nürnberg eingereichten Prospekthaftungsklage bitten nun Anlegerschutzanwälte die Anleihegläubiger von Solar Millennium um ihre Mithilfe. Auf der Homepage des Bundes für soziales und ziviles Rechtsbewußtsein (BSZ), einer Interessengemeinschaft für geschädigte Kapitalanleger, wenden sich die Anwälte direkt an Zeichner der 2010 und 2011 begebenen Anleihen.

Das mittlerweile insolvente Solarunternehmen hatte offenbar neben den  Anleiheprospekten auch einen Produktflyer und ein Interview zur Bewerbung der Anleihen herausgegeben. Der Flyer beschreibt laut Rechtsanwalt Axel Widmaier auf 31 Seiten alle positiven Aspekte der Anleihe. Zusätzlich soll es ein Interview mit Wolfgang Gerke gegeben haben. Der aus den Börsennachrichten bekannte Experte soll die Solar-Millennium-Anleihe auch im Fernsehen beworben haben. Zwar stelle das Werbematerial keinen Anleiheprospekt dar, doch „viele Anleger hat erst die Aufmachung des Flyers und das Interview mit dazu verleitet, die Anleihe zu zeichnen“, sagt Widmaier gegenüber FINANCE.

Die Anwälte wollen nun in Erfahrung bringen, wem dieses Material zugeschickt worden ist. Laut Widmaier kann es für die Erfolgsaussichten der Prospekthaftungsklage gegen die Vorstände der Solar Millennium von Bedeutung sein, ob die Anleihezeichner neben dem Prospekt auch den Produktflyer und das Interview erhalten haben. Solar Millennium bestritt vor Gericht, dass die Unterlagen den Anlegern zugesandt wurden.

Fehler im Prospekt

Dass der Anleiheprospekt Fehler enthält, ist nach Ansicht von Widmaier jedoch ohnehin unstrittig. „Nach unserer Ansicht sind die Verkaufsprospekte zu den Anleihen der Solar Millennium AG teilweise fehlerhaft und enthalten Prospektfehler“, sagte auch der BSZ-Vertrauensanwalt und Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht Walter Späth in einem Blogeintrag vom Oktober 2013.

Doch den Anwälten sitzt die Zeit im Nacken. Sie machen eine Prospekthaftung im „weiteren Sinn“ geltend. Ansprüche der Gläubiger verjähren in diesen Fällen nach drei Jahren bis zum jeweiligen Jahresende. Für Anleihen, die vor 2011 von Solar Millenium begeben wurden, ist es ab diesem Jahr bereits zu spät. Doch auch ob die Prospekthaftungsklagen der 2011er Anleihe Aussicht auf Erfolg haben werden, ist unklar. „Es ist alles noch offen“, sagt Widmaier.

Prospekthaftungen in Serie

Das Beispiel Solar Millennium zeigt einmal mehr, dass es bei Anleiheprospekten und Werbematerial auf jedes Detail ankommen kann. Das Solarunternehmen ist nicht der einzige Emittent einer Mittelstandsanleihe, gegen den bereits geklagt wird oder dem eine Klage droht. Vor wenigen Tagen erst fanden Anwälte Anhaltspunkte für eine Prospekthaftungsklage bei der Mitte November 2011 am Düsseldorfer Mittelstandsmarkt in den Handel gegangenen Mittelstandsanleihe der insolventen Hkw Personalkonzepte.

Anlegerschutzanwalt Marc Liebscher von der Berliner Kanzlei Späth & Partner sprach gegenüber FINANCE gleich von zwei Angriffspunkten für mögliche Prospekthaftungsansprüche gegen die Verantwortlichen der Hkw. So werde ein Kredit über 5,85 Millionen Euro, der 2011 bei einer niederländischen Bank aufgenommen worden war, im Wertpapierprospekt nicht erwähnt. Auch der Erlös der Anleihe wurde dem Anwalt zufolge offenbar anders verwendet als im Prospekt beschrieben. Das Geld aus der 10 Millionen Euro-Emission sollte, sofern es nicht für eine Akquisition verwendet wird, als Bankguthaben oder in anderen liquiden Anlagen gehalten werden. Laut Insolvenzverwalter befindet es sich aber offenbar nicht mehr im Unternehmen.

Wenige Wochen zuvor sorgte erst der insolvente Solarzulieferer SiC Processing mit einer Prospekthaftungsklage für negative Schlagzeilen. „Oftmals segeln die Emittenten hart am Wind mit der Unternehmensdarstellung im Anleiheprospekt“, sagte Anwalt Liebscher zu Jahresbeginn gegenüber FINANCE. Im Fall der SiC Processing sei die wirtschaftliche Situation des norwegischen Hauptkunden REC Wafer Norway viel zu positiv dargestellt worden.

Die Fälle zeigen, dass sich bei einigen Unternehmen im Nachhinein Zweifel am Prospekt ergeben haben. Den Anwälten jedenfalls bereiten sie jetzt ein gutes Geschäft. Sie rechnen mit weiteren Prospekthaftungsklagen.

anne-kathrin.meves[at]finance-magazin.de

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Weitere Hintergründe zu den Mittelstandsanleihen finden Sie auf unserer Themenseite.