Die Welt steht Kopf. War es bis vor wenigen Jahren üblich, dass im Rahmen von Kreditverhandlungen Banken Unternehmen auf ihre Kreditwürdigkeit hin prüften, ist der umgekehrte Fall heute keine Seltenheit mehr. Viele CFOs machen sich Sorgen um die Bonität ihrer Banken. Wie sicher ist das Geld wirklich angelegt? Diese Frage treibt vermehrt die Finanzchefs quer durch alle Unternehmensgrößen um. Die Spanne der Lösungen reicht vom bloßen Bauchgefühl des CFOs bis hin zu ausgefeilten Analysetools.
Die Großen haben reagiert
Vor allem große börsennotierte Unternehmen haben längst reagiert und in ihrem Treasury- oder Risikomanagement eine eigene Ratingagentur etabliert. Sie soll die Finanzinstitute auf ihr Risikoprofil hin abklopfen und entsprechende Limits festlegen. So auch beim Luftfahrtunternehmen EADS mit einem Jahresumsatz von etwa 40 bis 50 Milliarden Euro. Der große Cash-Bestand von 10 Milliarden Euro ist für CFO Hans-Peter Ring eine Versicherung gegen Krisen. Doch Geld anzulegen, ohne es zu verlieren, ist laut Ring in den vergangenen Jahren schwieriger geworden (s. Interview S. 40). „Noch vor fünf Jahren musste ein CFO sich eigentlich keine Sorgen machen, wenn er sein Geld zur Bank gebracht hat. Heute ist das nicht mehr ganz so“, sagt Ring. Deshalb hat EADS ein Counterparty-Management-System aufgebaut, um damit ein sehr genaues Risikorating der Banken vornehmen zu können. „Nicht nur die Banken bewerten unsere Kreditlinie, sondern das geschieht mittlerweile auch umgekehrt“, bringt es Ring auf den Punkt. Das bestätigt auch Ralf Kesten, Leiter Firmenkundenbetreuung Major MidCaps bei HSH Nordbank. „Es hat sich alles sehr gewandelt. Früher haben die Banken Unternehmen bewertet, seit etwa zwei Jahren ist der umgekehrte Fall Teil eines jeden Vertragsabschlusses“, sagt Kesten.
Genau hinsehen
Vor Einführung des Counterparty-Management-Systems wurden bei EADS die Ratings von S&P, Moody’s und Fitch zu Rate gezogen. Heute jedoch sind einige Banken schlechter bewertet als so manches Unternehmen, und auf die Ratings von Agenturen will sich auch niemand mehr blind verlassen. Da lohnt ein zweiter Blick auf die Partnerbank.
EADS spielt in einer eigenen Klasse. Aber auch der Münchener Elektronikkonzern Rohde & Schwarz – mit einem Jahresumsatz von 1,6 Milliarden Euro im vergangenen Geschäftsjahr deutlich kleiner als EADS – hat schon vor einigen Jahren ein strukturiertes Bewertungssystem für seine Kernbanken eingerichtet. Daran nehmen alle Mitarbeiter mit Bankenkontakt teil. „Dabei werden die einzelnen Institute jährlich nach 25 Kriterien in fünf Blöcken auf einer vierstufigen Skala bewertet. Das Ergebnis wird mit Beispielen aus der Zusammenarbeit erläutert und durch Informationen zur Geschäftszuweisung in den verschiedenen Produktbereichen ergänzt“, sagt Patrick Pötschke, Director of Finance and Accounting. Die Banken interessieren sich auch für das strukturierte Feedback. Noch vor knapp einem Jahr gab er im Interview zu bedenken, dass andere Unternehmen ein Bankenrating nicht vornehmen würden, da sie dadurch Nachteile auf der Kreditseite befürchten würden. Doch diese Zeiten scheinen vorbei.
Manche Unternehmen fahren inzwischen sogar recht rabiate Ansätze. Sie schauen sich beispielsweise die Credit-Default-Swaps ihrer Banken genauestens an. Wird dabei ein gewisses Level überschritten, wird die Finanzabteilung sofort informiert, und diese kappt daraufhin die Beziehungen zur Bank. Beim etwas gemäßigteren Ansatz werden die Geschäfte mit der Bank zunächst einmal reduziert und ernste Gespräche geführt.
Eine Frage des Geldes
In jedem Fall können sich kleine Unternehmen sowohl die computergestützte Technik als auch den Personalaufwand kaum leisten. Doch auch sie denken mittlerweile über die Einführung eines Bankenratings nach. „Wir sind im Treasury eine 1,5-Mann-Show“, sagt der Finanzleiter eines deutschen Mittelständlers, der anonym bleiben möchte. „Uns bleibt nur die Information über die Zeitung.“ So wie er wünschen sich viele ein System, mit dem sie ohne großen Aufwand ein Risikoprofil ihrer Banken erstellen können. Doch ein einfaches Patentrezept gibt es nicht.
Diese Erfahrung machte auch Michael Belschak, Finanzchef beim Entwickler von Photovoltaikanlagen Belectric. Zuvor war er CFO beim Küchenhersteller Alno und bei den Fischerwerken in Waldachtal. „Es gibt keinen Standard“, sagt Belschak. „Daher macht bei Unternehmen bis zu einem jährlichen Umsatz von rund 400 Millionen Euro noch niemand ein strukturiertes Rating.“ Bei seinen vorangegangen Arbeitgebern sammelte Belschak aber Erfahrungen im Umgang mit Ratingmethoden und wendet diese – auch ohne IT-Unterstützung – an. Wichtige Punkte neben den harten Fakten und dem Pricing sind laut CFO die internationale Präsenz der Banken, schnelle Reaktionsfähigkeit, ihr Verhalten auf dem Kapitalmarkt und die Konstanz in der Betreuung. Ziel sollte es bei einer Unternehmensgröße wie Belectric mit 500 Millionen Euro Umsatz seiner Ansicht nach sein, zwei Hausbanken und eine zusätzliche Bank herauszufiltern. „Bei Belectric nehme ich gerade die dritte Bank hinzu“, sagt der Finanzchef. „Dafür habe ich mit meinen Vorkenntnissen eine Art internes Rating durchgeführt.“ Der erste zu klärende Punkt sei, sich zu fragen, wozu man die Bank braucht und als wie stabil man sie einschätzt.
Drei Wege
Diese Frage stellen Finanzchefs auch immer häufiger Kesten von der HSH Nordbank. „Bei großen Unternehmen kann man mittlerweile davon ausgehen, dass sie ein professionelles Counterparty-Risk-Management in der Treasury-Abteilung verankert haben“, sagt Kesten. Dieses legt die jeweiligen Risikoobergrenzen fest, beispielsweise bei Derivaten, Hedging oder Einlagen. Zwar gibt es dafür nicht den einen richtigen Weg, er hat aber beobachtet, dass fast immer eine von drei Methoden angewendet wird. Manche Finanzabteilungen machen dafür ihr eigenes Research, aber das ist die Ausnahme. In einigen Fällen liefern die Banken selbst Informationen über ihre Investor- Relations-Abteilung zu oder präsentieren sich in Roadshows, wie bei Investorenkonferenzen. Das macht auch die HSH Nordbank. „Wir gehen mit unserer IR-Abteilung aktiv auf die Unternehmen zu und bieten Ratingpräsentationen an“, sagt Kesten. Dadurch seien die Kunden auch in schwierigen Zeiten treu geblieben. Die dritte Methode ist, dass Unternehmen die von den Agenturen herausgegebenen Ratings heranziehen daraus eine eigene Richtlinie ableiten.
Richtung Kapitalmarkt
Manche orientieren sich nach einer Bankenanalyse verstärkt in Richtung Kapitalmarkt oder wechseln ihre Bank. Das hat Gunnar Anger, Geschäftsführer des Lieferanten von Solarmodulen AE Photonics aus Dresden, gemacht. „Nach vier Jahren wurde es Zeit, einmal mit den Banken zu sprechen“, sagt er selbstbewusst. Oberstes Kriterium seiner Bewertung: „Eine Hausbank muss Kreditcommitment zeigen und nicht nur den Zahlungsverkehr abwickeln“, sagt Anger. Das zeigt, dass sich die Finanzer aller Unternehmensgrößen nicht davor scheuen, ihre Banken zu bewerten. Je nach Unternehmensgröße ist dafür auch nicht immer ein aufwendig strukturiertes Rating nötig. Es reicht, eine gute Entscheidung zu treffen.