Der Markt für Schuldscheine boomt, 2015 war ein Rekordjahr. Rund 19 Milliarden Euro wurden im vergangenen Jahr am Schuldscheinmarkt platziert, was einem Anstieg von 65 Prozent im Vergleich zum Vorjahr entspricht. Im bisherigen Rekordjahr 2008 wurden nur 18,5 Milliarden Euro platziert.
Einer der Treiber des Schuldscheinmarkts waren die starken Übernahmeaktivitäten im vergangenen Jahr, die dafür sorgten, dass Finanzchefs einen hohen Finanzierungsbedarf hatten. 2016 setzt sich der Trend bereits fort. Im Januar hat der Baustoffkonzern Heidelberg Cement einen Schuldschein über 625 Millionen Euro begeben, um die Übernahme des italienischen Konkurrenten Italcementi teilweise zu finanzieren.
Der Schuldschein lockt Finanzchefs zur Finanzierung von M&A-Deals und anderen Projekte aus mehreren Gründen. Für viele ist es das Einstiegsinstrument an den Kapitalmarkt, denn die Hürden für eine Platzierung sind niedriger als bei anderen Finanzierungsformen.
Für eine Schuldscheinemission ist kein externes Rating notwendig. Dennoch liegt das implizite Rating der meisten Emittenten im Investmentgrade-Bereich. Die Investoren, die in dem Markt aktiv sind, achten stark auf eine hohe Bonität der Emittenten. Allerdings weicht sich diese Faustregel im aktuellen Niedrigzinsumfeld etwas auf. Auch Unternehmen ohne die besten Bonitätsnoten haben eine Chance. Es gilt allerdings weiterhin: Investoren am Schuldscheinmarkt sind risikoscheu.
Markt für Schuldscheine ist weniger volatil als Anleihemarkt
Einer der großen Vorteile eines Schuldscheins ist, dass der Markt wesentlich weniger anfällig für Volatilität ist als der Anleihemarkt. Grund dafür ist, dass Schuldscheine von anderen Investoren gezeichnet werden als Anleihen. Viele der Anleger sind Sparkassen, die eine relativ stabile Investorenbasis darstellen. In Zeiten von turbulenten Märkten gewinnen Schuldscheine daher an Attraktivität. Deshalb erlebte der Schuldschein auch einen Boom während und kurz nach der Finanzkrise, als der Bondmarkt wegen der großen Unsicherheit geschlossen war. Auch in den vergangenen Monaten sorgte die steigende Unsicherheit an den Märkten deshalb für einen Anstieg bei den Schuldscheinemissionen.
Der zweite Vorteil, der CFOs zum Schuldschein anstatt zur Anleihe bewegen kann, ist die Diskretion, da ein Schuldscheindarlehen im Rahmen einer Privatplatzierung begeben wird. Es gibt keinen Prospekt, der veröffentlicht werden muss. Die Unternehmen müssen ihre Geschäftszahlen nur einem bestimmten Investorenkreis offenlegen und nicht der breiten Öffentlichkeit, wie es für eine Anleiheemission notwendig ist. Schuldscheine mit einem geringen Volumen können darüber hinaus in Form eines Clubdeals platziert werden, bei dem nur eine kleine, ausgewählte Gruppe an Investoren angesprochen wird. Die Tatsache, dass kein Prospekt erforderlich ist, macht die Dokumentation bei einer Schuldscheinemission darüber hinaus wesentlich schlanker.
Schuldscheine bieten längere Laufzeiten als Kredite
Schuldscheine bieten außerdem den Vorteil, dass CFOs längere Laufzeiten für die Finanzierung bekommen können, als es bei normalen Bankkrediten ohne weiteres möglich ist. Die meisten Schuldscheine haben eine Laufzeit zwischen fünf und sieben Jahren. Darüber hinaus bieten Schuldscheine auch die Möglichkeit die Fälligkeiten des eingesammelten Kapitals zu staffeln. Eine Emission kann in unterschiedliche Tranchen mit verschiedenen Laufzeiten aufgeteilt werden. Finanzchefs können auf diese Weise die Refinanzierungslast besser verteilen.
Auch auf der Kostenseite kann der Schuldschein im Vergleich zu einem syndizierten Kredit durchaus attraktiv sein. Allerdings muss die Transaktion ein Mindestvolumen erreichen, damit sich die Kosten für die Platzierung auch lohnen. Experten empfehlen ein Mindestvolumen von 25 bis 30 Millionen Euro. Die Verzinsung ist wie beim Kredit abhängig von der Bonität.
Große Volumina am Schuldscheinmarkt möglich
Während früher der Markt nur für kleinere und mittelgroße Transaktionen offen stand, hat sich im vergangenen Jahr am Schuldscheinmarkt ein Trend zu den sogenannten Jumbo-Emissionen abgezeichnet. ZF Friedrichshafen platzierte Anfang des vergangenen Jahres den bisher größten Schuldschein eines Unternehmens überhaupt. 2,2 Milliarden Euro sammelte der Getriebehersteller zur Finanzierung eines M&A-Deals ein. Die Transaktion zeigt deutlich, dass der Schuldscheinmarkt auch für Konzerne ein möglicher Finanzierungsweg geworden ist.
Seit der Transaktion von ZF Friedrichshafen haben auch Mann+Hummel mit 1,1 Milliarden Euro und Asklepios mit 580 Millionen Euro den Schuldscheinmarkt für hohe Summen angezapft. Solche großen Transaktionen sorgen für größere Aufmerksamkeit für den Schuldscheinmarkt, der dadurch auch neue Investorengruppen anziehen kann. Zum Beispiel interessieren sich auch verstärkt ausländische Investoren für den Schuldscheinmarkt.
Investorenbasis für Schuldscheindarlehen verbreitert sich
Kleinere Unternehmen muss die große Konkurrenz nicht abschrecken. Auch für sie kann die erhöhte Aufmerksamkeit für den Schuldscheinmarkt durch eine Verbreiterung der Investorenbasis durchaus Vorteile bringen. Eine der kleineren Transaktionen platzierte im vergangenen Jahr der Messtechnikspezialist First Sensor. Das Unternehmen refinanzierte einen Schuldschein aus dem Jahr 2013 mit einer neuen Platzierung über 28 Millionen Euro.
Bei dem Ansturm auf den Schuldscheinmarkt gilt allerdings auch, dass das Timing wichtiger wird. Wenn mehrere Schuldscheine gleichzeitig an den Start gehen, wächst der Konkurrenzdruck. Zum einen, weil die Anzahl der Investoren und damit auch die Aufnahmefähigkeit des Marktes begrenzt ist. Zum anderen, weil es sich nachteilig auf den Preis auswirken kann, wenn Investoren mehrere vergleichbare Transaktionen zur Auswahl haben.
Info
Wie man eine Due Diligence angeht, welches die größten Bilanzierungsfallen bei Finanzinstrumenten sind und weitere Hinweise für die tägliche Arbeit in der Finanzabteilung finden Sie in unserem FINANCE-Ratgeber.
Antonia Kögler ist Redakteurin bei FINANCE und Chefin vom Dienst bei DerTreasurer. Sie hat einen Magisterabschluss in Amerikanistik, Publizistik und Politik und absolvierte während ihres Studiums Auslandssemester in Madrid und Washington DC. Sie befasst sich schwerpunktmäßig mit Finanzierungsthemen und verfolgt alle Entwicklungen rund um Green Finance und Nachhaltigkeit in der Finanzabteilung.