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Boom bei Unternehmenskrediten: Zinswende treibt Nachfrage

Die EZB hat die geldpolitische Wende eingeläutet. Unternehmen stürzen sich auf Kredite, um das derzeitige Zinsniveau noch mitzunehmen. Foto: Tamer
Die EZB hat die geldpolitische Wende eingeläutet. Unternehmen stürzen sich auf Kredite, um das derzeitige Zinsniveau noch mitzunehmen. Foto: Tamer

Der Markt für Unternehmenskredite boomt. Das Analysehauses Barkow Consulting errechnet für Mai 2021 bis April 2022 einen Anstieg des Volumens von Unternehmenskrediten im Vorjahresvergleich von rund 8 Prozent. Auch Stimmen aus der Bankenwelt untermauern diese Zahlen: „Wir sehen deutliche Anstiege in Nachfrage und Volumen, die Nachfrage nach kurzfristigen Krediten wächst überproportional stark“, berichtet Michaela Pulkert, Leiterin des Firmenkundengeschäfts der Hypovereinsbank in Südbayern. Ihr Branchenkollege Michael Leitzbach, Leiter des Firmenkundengeschäfts bei der SEB, verzeichnet für die schwedische Bank in den zurückliegenden sechs Monaten ebenfalls einen deutlichen Anstieg des Kreditvolumens.

Kurzfristige Kredite zum Aufbau von Working Capital

Auch die KfW diagnostiziert in ihrem Kreditmarktausblick, der das Kreditneugeschäft mit Unternehmen und Selbständigen analysiert, einen ähnlichen Anstieg. Die Bank glaubt, dass im ersten Quartal das Kreditwachstum in Deutschland bei 6 Prozent lag. Ein treibender Faktor hinter dem starken Wachstum sind laut übereinstimmenden Einschätzungen der beiden Experten die globalen Lieferkettenprobleme, die durch die massiven Lockdowns in China und den Ausbruch des Ukraine-Kriegs noch verschärft wurden.

Michaela Pulkert beobachtet derzeit ein starkes Bestreben der Unternehmen dahin, mehr Working Capital aufzubauen. Die Unternehmen nutzen laut Pulkert vorrangig kurzfristige Kreditlinien, um Lagerbestände zu erneuern oder in weitere Betriebsmittel wie Maschinen zu investieren. Auch SEB-Banker Leitzbach sagt, dass Unternehmen derzeit vor allem deshalb verstärkt kurzfristige Kreditlinien abschließen, um „Peaks im Working Capital abzudecken“. Der größte Nachfrageschub komme aus der Industrie, der Energiebranche und dem verarbeitenden Gewerbe.

Als weiteren Treiber nennt Leitzbach Investitionen in die grüne Transformation – was im Angesicht sich verschärfender Versorgungsengpässe beim Gas auch bedeutet, in erneuerbare Energien und effizientere Anlagen zu investieren. „Im Bereich Energietransformation werden wir noch viel mehr Aktivität sehen“, prognostiziert er.

EZB-Zinspolitik als Treiber der Kreditnachfrage

Hinzu kommt jetzt auch noch die eingeleitete Zinswende der EZB, die der Kapitalmarkt schon seit Monaten in Form deutlich steigender Zinsen und Spreads vorwegnimmt. HVB-Bankerin Pulkert sieht darin einen weiteren starken Treiber für die starke Kreditnachfrage.

Die Euro-Banker haben für Juli eine Anhebung der Leitzinsen um 25 Basispunkte angekündigt, im September könnte es in einem zweiten kräftigeren Schritt sogar um 50 Basispunkte hochgehen. Die US-Notenbank ist bei ihrer jüngsten Zinsentscheidung bereits über diese Schwelle hinausgegangen.

Weil davon auszugehen ist, dass die Zinswende noch weiter geht, fragen Unternehmen laut Pulkert aktuell verstärkt Finanzierungen nach, um sich noch halbwegs günstige Zinsen zu sichern. Doch ob das reicht? Die Bankerin geht von „schnellen, massiven Sprüngen“ des Zinsniveaus in den kommenden Monaten aus.

Mit Blick auf die kommenden Monate geht Leitzbach (SEB) davon aus, dass die aktuelle Entwicklung vorerst anhalten wird, er spricht von einer „höheren Kreditnachfrage“ in der nächsten Zeit. „Wir nehmen außerdem wahr, dass einige Unternehmen ihre bestehenden RCFs vorzeitig refinanzieren. Bei Investmentgrade bewerteten Unternehmen sehen wir hier weiterhin Laufzeiten von fünf Jahren plus möglicher Verlängerungsoption“, sagt der Banker.

paul.siethoff[at]finance-magazin.de

Paul Siethoff ist Redakteur bei Finance und schreibt vorrangig über Transformations-Themen. Er hat Kommunikationswissenschaften und Journalismus in Erfurt und in Mainz studiert. Vor seiner Zeit bei FINANCE schrieb Paul Siethoff frei für die Frankfurter Rundschau für die Ressorts Wirtschaft und Politik.