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Britischer Markt für syndizierte Kredite zittert vor Brexit

Was passiert am Finanzplatz London? Am Markt für syndizierte Kredite sorgt die Brexit-Entscheidung für deutliche Zurückhaltung.
QQ7/iStock/Thinkstock/Getty Images

Der Markt für syndizierte Kredite in Großbritannien leidet unter den Folgen der Brexit-Entscheidung. Das ist an einem deutlichen Einbruch bei den Kreditplatzierungen abzulesen, wie eine aktuelle Analyse der Frankfurt School of Finance and Management in Zusammenarbeit mit der NYU und ZEW Mannheim ergeben hat. Die Zahl der Transaktionen ging im zweiten Halbjahr 2016 um 12 Prozent zurück. Nur noch 352 syndizierte Krediten wurden ausgegeben. In der zweiten Jahreshälfte 2015 waren es noch 402 Transaktionen.

Besonders deutlich macht der Brexit sich bei der Kreditvergabe an Unternehmen aus Industrie, Bergbau und Großhandel bemerkbar. „Hier zeigt sich ein Rückgang um 32 Prozent“, berichtet Professor Tobias Berg von der Frankfurt School of Finance and Management. Bei Unternehmen aus dem Bereich Retail, Transport oder Dienstleistungen, also eher lokal orientierten Sektoren, zeigt sich dagegen keine Veränderung. Die Kreditplatzierung bewegt sich dort auf einem ähnlichen Niveau wie im Vorjahr.

Wie schlecht die Stimmung auf der Insel derzeit ist, wird vor allem im direkten Vergleich zur Lage des kontinentaleuropäischen syndizierten Kreditmarkts deutlich. Dort stieg die Zahl der Deals im gleichen Zeitraum um 12 Prozent an. Das entspricht 134 Transaktionen mehr, insgesamt wurden 1.125 syndizierte Kredite vergeben.

Unsicherheit in Großbritannien wegen Brexit auf Rekordniveau

Die Zurückhaltung bei der Platzierung syndizierter Kredite scheint ein Symptom einer tiefgehenden Verunsicherung zu sein: „Der Policy-Uncertainty-Index misst mittels einer Medienanalyse das Niveau der Verunsicherung in Bezug auf Regulatorik und gesetzliche Rahmenbedingungen“, erklärt Tobias Berg. „Dieser Indikator ist nach der Brexit-Entscheidung auf ein Niveau angestiegen, das es seit zehn Jahren so nicht gegeben hat.“ Weder die Finanzkrise noch die Debatte um Griechenland habe in den vergangenen Jahren den Index derart nach oben getrieben. Nicht nur Großbritannien selbst ist betroffen, auch in Europa stieg das Unsicherheitslevel auf den höchsten Stand seit zehn Jahren.

Für die Zukunft von London als internationalem Finanzplatz wirft das viele Fragen auf, denn ein Finanzstandort ist nur bei stabilen rechtlichen Rahmenbedingungen attraktiv. Über den Wegzug vieler Banken in die EU wird bereits spekuliert. Sollte es Großbritannien nicht schaffen, die Rechtssicherheit im Kreditmarkt auch in den kommenden Jahren – also während der Verhandlungen über die Details des Ausstiegs – aufrecht zu erhalten, dann könnte das schwerwiegende Auswirkungen haben. „Allein der syndizierte Kreditmarkt machte 2015 insgesamt 5 Prozent des britischen Bruttoinlandsprodukts aus“, erläutert Juniorprofessorin Larissa Schäfer von der Frankfurt School of Finance and Management die Dimension.

Syndizierter Kreditmarkt in Großbritannien ist drittgrößter weltweit

Nicht nur für Großbritannien selbst spielt der syndizierte Kreditmarkt eine große Rolle. Auch ausländische Unternehmen nutzen den Markt häufig, es ist nach den USA und Japan der drittgrößte weltweit und einer der internationalsten. Im Schnitt wurden zwischen 1995 und 2015 rund 17 Prozent der Kredite von ausländischen Unternehmen platziert, etwa 1,5 Prozent davon entfielen auf deutsche Emittenten. Bei mehr als der Hälfte der syndizierten Kredite sind ausländische Banken beteiligt, rund 9 Prozent Marktanteil entfallen auf deutsche Banken. 35 Prozent der Kredite werden zudem in ausländischen Währungen begeben.
 
Ob sich dieses Verhältnis von in- und ausländischen Akteuren nach dem Brexit deutlich verändern wird, ist noch offen. Möglich wäre, dass europäische Unternehmen sich für syndizierte Kredite wieder stärker auf Handelsplätze innerhalb der EU konzentrieren oder für Dollartransaktionen – die bislang laut Tobias Berg häufig über London laufen – eher direkt in die USA gehen werden: „Anders als zum Beispiel beim Derivatehandel, bei dem London eine Spitzenposition einnimmt, gibt es bei syndizierten Krediten viele Ausweichmöglichkeiten.“

antonia.koegler[at]finance-magazin.de

Info

Mehr über die Folgen des britischen Votums für einen Austritt aus der EU lesen Sie auf unserer Themenseite zum Brexit.

Antonia Kögler ist Redakteurin bei FINANCE und Chefin vom Dienst bei DerTreasurer. Sie hat einen Magisterabschluss in Amerikanistik, Publizistik und Politik und absolvierte während ihres Studiums Auslandssemester in Madrid und Washington DC. Sie befasst sich schwerpunktmäßig mit Finanzierungsthemen und verfolgt alle Entwicklungen rund um Green Finance und Nachhaltigkeit in der Finanzabteilung.