Die Dax-Mitgliedschaft des Skandalunternehmens Wirecard dürfte nur noch von kurzer Dauer sein. Dafür hat die Deutsche Börse einen Änderungsvorschlag auf den Weg gebracht, der die Dax-Zugehörigkeit von Konzernen neu regelt. Laut Vorschlag des Börsenbetreibers sollen Unternehmen nach einem Insolvenzantrag künftig kurzfristig aus dem Dax-Auswahlindizes ausscheiden.
Die Deutsche Börse lädt alle Marktteilnehmer ein, sich via Marktkonsultation auf der Homepage bis zum 7. August zu äußern. Die Ergebnisse sollen noch vor dem 13. August bekanntgeben werden. Sollte der Vorschlag die Zustimmung unter den Marktteilnehmern finden, wovon auszugehen ist, könnte Wirecard bereits im August statt wie bisher geplant im September aussortiert werden.
Wirecard liefert täglich neue Schlagzeilen
Der skandalumwitterte Aschheimer Zahlungsdienstleister stellt mit seiner Pleite ein Novum in der 30-jährigen Geschichte der obersten deutschen Börsenliga dar. Trotz des Insolvenzantrags ist das Unternehmen immer noch Dax-Mitglied und müsste nach dem aktuellen Regelwerks erst im September seinen Platz räumen. Mit dem jetzigen Vorstoß hat die Deutsche Börse auf das zunehmende Unverständnis über die derzeitige Lage reagiert.
Derweil reißen die Negativschlagzeilen um das Zahlungsdienstleistungsunternehmen nicht ab, wie auch ein Blick auf unseren ständig aktualisierten Wirecard-Ticker zeigt. So hat unter anderem der bereits wegen Betrugsverdacht inhaftierte ehemalige Geschäftsführer des Wirecard-Tochter Cardsystems Middle East eine Tatbeteiligung eigeräumt.
Symrise und Delivery Hero sind mögliche Dax-Aspiranten
Mit Blick auf die möglichen Wirecard-Nachfolge im deutschen Leitindex liefern sich die heißesten Kandidaten, Symrise und Delivery Hero, bereits ein Kopf-an-Kopf-Rennen im MDax. Die Symrise-Aktie konnte die Verluste aufgrund der Coronavirus-Pandemie mehr als ausgleichen und legte seit dem Tief von 73,90 Euro im März um knapp 48 Prozent auf derzeit rund 109 Euro zu. Insgesamt kommt das seit 2006 börsennotierte Unternehmen derzeit auf eine Marktkapitalisierung von etwa 14,8 Milliarden Euro. Zum Vergleich: Wirecards Marktkapitalisierung liegt derzeit nur noch bei knapp 258 Millionen Euro.
Das Holzmindener Unternehmen Symrise, das von CEO Heinz-Jürgen Bertram und CFOOlaf Klinger geleitet wird, produziert und verkauft an rund 90 Standorten weltweit verschiedenste Duft- und Geschmackstoffe. Dax-CFO-Aspirant Klinger sprach noch im vergangenen Jahr als Gast bei FINANCE-TV zur eigenen M&A-Strategie und gibt in unserer aktuellen FINANCE-Printausgabe Einblick in die Arbeit mit Wirtschaftsprüfern in Zeiten von Corona.
Auch für Corona-Profiteur Delivery Hero mit Finanzchef Emmanuel Thomassin ging es an der Börse hoch hinaus. Seit dem Tief von 55,48 Euro im März legten die Papiere um aktuell 72 Prozent auf rund 96 Euro zu. Der weltweit operierende Betreiber von Online-Bestellplattformen für Essen ist seit 2017 an der Börse und kommt aktuell auf eine Marktkapitalisierung von knapp 18,7 Milliarden Euro.
Gerade erst haben die Berliner über eine Wandelanleihe 1,5 Milliarden Euro frisches Kapital für ihre bereits gut gefüllte Kriegskasse eingeholt. Anfang 2020 platzierte der Essenslieferdienst eine Wandelanleihe über 2,3 Milliarden Euro um die Übernahme des koreanischen Wettbewerbers Woowa zu finanzieren. Bald könnte der sympathische Franzose Thomassin Finanzchef in Deutschlands wichtigster Börsenliga sein.
martin.barwitzki[at]finance-magazin.de
FINANCE-Köpfe
Info
Ausführliche Berichte über den Bilanzskandal finden Sie auf unserer Themenseite zu Wirecard, die neuesten Updates berichten wir zudem in unserem Wirecard-Ticker.
Mehr über die Finanzvorstände der Dax-Kandidaten Symrise und Delivery-Hero erfahren Sie auf den FINANCE-Köpfe-Profilen von Olaf Klinger und Emmanuel Thomassin.