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Die Ruhe vor dem Sturm

Manche Probleme lassen sich definitiv lösen, indem man nur lange genug mit einer Menge Geld nach ihnen wirft. Jetzt kann man auch die Turbulenzen an den Finanzmärkten dazu zählen – für den Moment. 

In vielen Teilen der Finanzmärkte ist die Volatilität so niedrig wie seit 2007 nicht mehr: Die Aktienkurse laufen stabil auf die Indexstände vor dem Sommer-Crash 2011 zu, immer mehr Aktien verzeichnen Allzeithochs. Am Bondmarkt fallen die Renditen quer durch alle Anleihen- und Ratingklassen, selbst die Devisenkurse sind stabil. Die Rettungsmaßnahmen der Politiker und Zentralbanker haben die Märkte in einem Maß beruhigt, wie es kaum jemand für möglich gehalten hätte.

Inflationsschub oder Crash
Normalerweise sind solche Situationen ein Nährboden für Deals: IPOs, Bondemissionen, M&A-Transaktionen – alles geht. Wenn die Lage an den Märkten stabil bleibt, dürfte noch vor der Sommerpause eine Welle an sehr großen Kapitalmarkttransaktionen losrollen.

Doch die Ruhe ist trügerisch, und für Unternehmen drohen ganz neue Gefahren, denn die Märkte werden  wahrscheinlich nicht lange so robust bleiben. Schließlich sind die Rahmendaten alles andere als stabil, und die Ruhe ist teuer erkauft – der Preis sind hohe Risiken, die im Hintergrund lauern. Denn was die Märkte aktuell antreibt, sind überlebenswichtige Notmaßnahmen, nichts anderes.

An Liquidität mangelt es dem Weltfinanzsystem nicht, allerdings steckt im Moment ein erheblicher Teil der frischen Zentralbankgelder, die den Märkten im Wert von zig Billionen Euro durch Anleihenkäufe, Drei-Jahres-Tender mit Vollzuteilung und das Target 2-Zahlungsverkehrssystem zur Verfügung gestellt worden sind, noch im Bankensystem. Früher oder später wird das Geld jedoch zwangsläufig den Weg in die Realwirtschaft finden. 

Alle paar Monate zurück in den Krisenmodus
Und das ist die Gefahr: Wenn die Gelder über Kreditschöpfung den Weg in die Realwirtschaft finden, steht uns ein globaler Inflationsschub ins Haus, der die Renditen an den Bondmärkten zwangsläufig in die Höhe treiben wird. Wenn die Zentralbanken das Geld aber zu früh wieder einsammeln, droht uns eine Wiederholung des Sommer-Crashs vom vergangenen Jahr. Der einzig denkbare Ausgang ohne Marktverwerfungen ist, dass die Banken die Zentralbankgelder sukzessive durch Interbankenkredite und Geldmarktfinanzierungen ersetzen und zurückführen. 

Nur: Seit Lehman sind die Kapitalmärkte alle paar Monate wieder im Krisenmodus erstarrt. Darauf zu setzen, dass das jetzt anders sein wird, ist naiv. Ein Finanzchef kann die zurzeit noch günstige Gelegenheit für Kapitalmarkttransaktionen nutzen – wenn er das tut, sollte er aber auch einen Plan haben, wie die Transaktion gerettet werden kann, wenn die Märkte in ein paar Monaten wieder anders aussehen. 

michael.hedtstueck(*)finance-magazin(.)de    

Redakteur, FINANCE