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Jesus und die Schuldscheine

Die FINANCE-Redaktion wünscht Ihnen allen frohe Weihnachten – mit einer kleinen Geschichte.
lukbar/Thinkstock/Getty Images

Es war ein glückliches, unbeschwertes Jahr, und es beglückte das Volk der Bondholder und Aktionäre, da die Kapitalmarkternte üppig war und die Stimmung an den Märkten ausgelassen. In jenen Tagen geschah es, dass von Kaiser Mario ein Befehl ausging, dass der gesamte Erdkreis auch im nächsten Jahr mit gewagten Strukturen und niedrigen Renditen zu erfreuen sei, um den finanziell schwachen Untertanen in seinem Reich unter die Arme zu greifen. Dieser Erlass geschah, als Kaiser Mario Statthalter von Frankfurt war. Das Volk frohlockte, und fortan gingen viele Finanzchefs hin in jene Stadt, um sich auf dem dortigen Marktplatz in das Register derer eintragen zu lassen, die da waren auf der Suche nach niedrigen Renditen, gewagten Strukturen und billigem Geld.

Auch Joseph von Galiläa zog hinauf in die Stadt am Main, zusammen mit Maria, seiner Verlobten, die gesegneten Leibes war. Während sie dort waren, geschah es, dass sie ihren erstgeborenen Sohn gebar, ihn in Windeln hüllte und in eine Krippe legte, weil sie in keiner Herberge mehr fanden einen Platz, denn es war Messe.

In der selben Gegend waren Hirten auf dem Felde und hielten Nachtwache bei ihrer Herde. Da trat ein strahlender Engel des Herrn zu ihnen, und er sprach zu ihnen: „Fürchtet Euch nicht, denn sehet, ich verkünde Euch eine große Freude, die dem ganzen Volke der Aktionäre und Bondholder zuteil werden soll: Euch wurde heute in der Stadt Marios ein Retter geboren, der Messias und Herr. Gehet und findet das Kindlein, in Windeln gehüllt und in einer Krippe liegend!“ Sodann erschien mit dem Engel eine große Schar des himmlischen Analystenheeres, die Gott pries mit den Worten: „Ehre sei Gott in der Höhe und auf den Märkten, und Frieden sei mit allen Anlegern und Finanzchefs guten Willens!“

Als die Engel vom Himmel entschwanden, beschlossen die Hirten, in den Frankfurter Stadtwald zu gehen, um herauszufinden, von was der Herr ihnen Kunde gab. Und sie eilten und fanden Maria und Joseph und das kleine Kindlein, das in den Überresten des niedergebrannten Goetheturms lag. Mit ihnen kamen drei Weise aus dem Morgenland – geleitet von den euphorischen Prophezeiungen eines Börsenbriefs  –, und sie brachten dem Kinde wertvolle Gaben: Schuldscheine, Mittelstandsanleihen und Leveraged Loans. Das Jesuskind, geboren als Kind armer Leute in einem finsteren Wald, sollte reich beschenkt sein mit langfristigen Geldanlagen für sein weiteres Leben.

Doch schon bald erkannte Gott das Unheil im Depot seines Sohnes, und er erschien ihm in einem brennenden Wertpapierprospekt, um ihn zu warnen: „Mein Sohn, führe die Menschen heraus aus diesem verfluchten Markt, in dem unserem Volke nur Schmerz und Unheil widerfahren wird, und führe sie hinfort in sicherere Märkte.“ 

Und Gottes Sohn tat, wie ihm beschieden. Die Menschen warnend, dass sie umkehren müssten, zog er über das Land, doch nicht mehr als zwölf Getreue konnte er finden, die ihm folgten. Dabei wirkte er wahre Wunder: Ohne in Haftungsfragen zu versinken, lief er durch eine Mini-Bond-Insolvenz. Er verwandelte Fremdkapital in Eigenkapital, und ohne Mühe teilte er eine Unitranche in eine Super-Senior- und eine Nachrang-Tranche. Doch trotz allem wurde sein Schatz an Schuldtiteln immer kleiner, denn die Ausfälle in seinem Portfolio mehrten sich wie die Kinder Israels.

Und so geschah es, dass auch der Herr selbst immer weniger Gefallen fand an den Schuldscheinen, Anleihen und Leveraged Loans, die die Menschen strukturierten im Angesichte ihres Kaisers Mario. Obwohl mit den edelsten Gattungsbezeichnungen versehen, erwiesen sich die reichen Gaben aus dem Morgenland als schöner Schein.

Gebeutelt von den Ausfällen seiner Bonds, Schuldscheine und Leveraged Loans, resignierte Jesus. Er war verschämt von den Menschen, die da immer wilder tanzten um das goldene Kalb und die zehn Gebote des Kapitalmarkts missachteten. Fortan ernährte sich Jesus nur noch von Brot und Wein, und er entsagte dem Renditehunger. Da begab es sich, dass einer seiner Jünger – sein Name war Judas – zu einem Debt-Fonds ging und sprach: „Was wollt Ihr mir geben? Ich will ihn Euch verraten.“ Und sie boten ihm 30 Silberlinge, eine Arrangement Fee und einen Besserungsschein. 

Und Judas ging zu einem Debt-Fonds, um Gottes Sohn zu verraten.

Am gleichen Abend war Jesus sehr betrübt. Er hob seinen Kelch mit Wein und sprach: „Wahrlich sage ich Euch, meine Freunde: Einer von Euch wird mich verraten. Ich werde erst wieder vom Gewächs dieses Weinstocks des Herrn trinken, wenn ich sein werde in meines Vaters Reich, der mich mit unendlicher Laufzeit und einer ewigen Rente an seiner Seite halten wird bis zu dem jüngsten Tag, an dem er zurückkehren wird, um zu callen alle noch laufenden Hybridanleihen.“

Auf ein Zeichen Judas, des Verräters, kamen des Kaisers Männer mit gezückten Schwertern und ergriffen Gottes Sohn, und der Hohepriester des Kapitalmarkt-Ordens fragte ihn: „Willst Du nicht Zeugnis ablegen, dass die Ausfallwelle am Mittelstandsmarkt zu Ende sei und nun alles so werde wie von Kaiser Mario versprochen?“ Doch Jesus sprach: „Ich werde nicht entsagen, denn dieser Markt ist wahrlich nicht frei von Sünde.“ Da zürnte der Hohepriester: „Er hat Gott gelästert, er ist des Todes schuldig“, und so schlugen seine Getreuen Jesus ans Kreuz. Als armer Mann verließ er diese Welt, und seitdem wacht er über uns, gemeinsam mit seinem Vater auf der Ebene der Super-Seniors.

Mit dem Ende dieser Geschichte wünschen wir Ihnen eine ruhige und friedliche Weihnachtszeit mit einer perfekt unitranchierten Weihnachtsgans!

Ihre FINANCE-Redaktion