Wenn Banken weniger Kredite vergeben, profitiert der Anleihemarkt: Eine neue Studie des Center for Financial Studies (CFS) hat empirisch untersucht, wie stark das Kreditangebot der Banken und ihre Anforderungen an Gebührenhöhe, Sicherheiten und Kreditgrößen den Wechsel von finanzierungswilligen Corporates an den Bondmarkt beschleunigen.
Hierzu analysierten die Autoren die Befragungsergebnisse der quartalsweise erscheinenden Bank Lending Survey von 2003 bis 2013, in der Kreditinstitute der Zentralbank freiwillig darüber Auskunft geben, wie sie die Marktlage und ihre eigene Bereitschaft zur Kreditvergabe bewerten. Etwa die Hälfte aller Banken mit Firmenkundenkreditgeschäft in der Euro-Zone nimmt an der Umfrage teil. Die Banken beantworten die Fragen der EZB im Rahmen von vorgegebenen Optionen. Bei den Kriterien für die Vergabe von Krediten beispielsweise können die Banken auswählen, inwieweit diese verschärft oder erleichtert wurden.
Bondmarkt profitiert von Kreditrestriktionen
Das Ergebnis: Stieg der Anteil der Banken, die im EZB-Fragebogen eine deutliche Verschärfung der Kriterien zur Kreditvergabe vermeldeten, um einen Prozentpunkt an, so führte dies zu einem siebenprozentigen Anstieg von Anleiheemissionen in der Euro-Zone. Ein Anstieg um einen Prozentpunkt wird den Wissenschaftlern zufolge allerdings nur selten erreicht.
Die Kreditvergabe ist aber nicht der einzige Auslöser von großen Bewegungen am Bondmarkt: Ein Zusammenhang fand sich auch, wenn Banken ihre Risikoeinschätzungen zur generellen wirtschaftlichen Lage verschärften oder ihre Bilanzen sanieren mussten.
Um die Kreditvergabe zu bremsen, erhöhten die Banken unter anderem Gebühren, reduzierten die Kreditvolumina oder stellten – insbesondere seit 2009 – höhere Anforderungen an die zu hinterlegenden Sicherheiten. Den Autoren zufolge mit Erfolg: Durch diese Maßnahmen verteuerten sich Kredite, die alternativ anfallenden Emissions- und Zinskosten für eine Anleihe wurden relativiert, und die Emissionsvolumina am Bondmarkt stiegen.
Trend wird gleich von zwei Seiten befeuert
Besonders deutlich zeigten sich die Effekte laut Studie in den großen Anleihemärkten in den Kernländern der Euro-Zone, darunter Deutschland. Dies mag überraschen, da sich deutsche Unternehmen im Vergleich zu Wettbewerbern in anderen europäischen Ländern auch in Krisenzeiten noch vergleichsweise ordentlich über Kredite finanzieren konnten. Dass die Korrelation zwischen sinkendem Kreditangebot und einem Ausweichen an den Bondmarkt in der Euro-Zonen-Peripherie weniger ausgeprägt war, begründen die Autoren damit, dass die Anleihemärkte dort weniger entwickelt seien.
Die Zahlen sprechen insgesamt eine klare Sprache: Das Wachstum der Bondmärkte in der Euro-Zone lag in den beobachteten Jahren deutlich über den Wachstumsraten bei Krediten. In den Jahren nach dem Lehman-Crash erreichte die Wachstumsrate am Bondmarkt in der Euro-Zone der Studie zufolge zwischenzeitlich 27 Prozent, während das Wachstum bei Bankkrediten maximal 11 Prozent erreichte.
Es wäre eine Überraschung, wenn sich dieser Trend nicht fortsetzen würde, schließlich gelten die Ursachen für die zögerliche Kreditvergabe der Banken nach wie vor. Insbesondere das Deleveraging ihrer Bilanzen scheinen die Banken zuletzt – im Vorgriff auf die anstehenden Stresstests – forciert zu haben. Gleichzeitig dünnen hohe Strafzahlungen die Eigenkapitaldecken aus.
Doch auch von der Nachfrageseite wird der Trend befeuert, wie die CFS-Forscher einräumen: Die Nachfrage der Investoren nach Anleihen mit guter Rendite sei in Zeiten historisch niedriger Verzinsung deutlich gestiegen.
Info
Die CFS-Studie
Die Studie der Autoren Orcun Kaya und Lulu Wang ist beim Center for Financial Studies als CFS Working Paper (Nr. 456) unter dem Titel „The Role of Bank Lending Tightening on Corporate Bond Issuance in the Eurozone“ erschienen. Die Studie untersucht das Finanzierungsverhalten von Unternehmen außerhalb des Finanzsektors in der Euro-Zone.
Die Einschätzung zum Kreditvergabeverhalten der Banken beruht auf Daten des vierteljährlich erhobenen Bank Lending Survey der EZB, der regelmäßig detailliert die Verfügbarkeit von Bankkrediten für Unternehmen abfragt. Für die Studie wurden die Jahre 2003 bis 2013 betrachtet.