Herr Wegerich, wofür brauchen die Mittelständler in Deutschland einen weiteren Interessensverband?
Bisher gab es keine Interessenvertretung für den kapitalmarktorientierten Mittelstand. Ich habe beispielsweise im März auf Einladung der Europäischen Kommission an einem Workshop in Brüssel zur Umsetzung des neuen Prospektrechts teilgenommen. In dem Workshop ging es auch um die Ausgestaltung des neuen EU-Wachstumsprospekts. Dieser soll insbesondere Mittelständlern den Zugang zum Kapitalmarkt erleichtern. Als auf dieser Veranstaltung nach der Meinung von Mittelständlern zu diesem Punkt gefragt wurde, war aber kein einziger Mittelständler anwesend. Unser neu gegründeter Verband soll ein Sprachrohr sein, das die Interessen der Unternehmer künftig vertritt und in Debatten einfließen lässt.
Was stört Sie denn an den Plänen zum EU-Wachstumsprospekt?
Die Idee finde ich grundsätzlich sehr gut und absolut richtig. Allerdings lief gerade ein Konsultationsprozess, in dem die Details zur Ausgestaltung des künftigen EU-Wachstumsprospekts diskutiert wurden. Diese Konsultation hat die Aufsichtsbehörde ESMA im Auftrag der EU-Kommission übernommen. Ich finde es problematisch, dass der Konsultationsprozess bislang an den Unternehmen völlig vorbeigegangen ist. Viele haben überhaupt nichts davon mitbekommen. Nicht ein kapitalmarktorientierter Mittelständler hat eine Stellungnahme abgegeben. Dadurch kommen Ideen auf den Tisch, die die Prospektpflicht für Mittelständler deutlich erschweren könnten.
Nennen Sie uns bitte ein Beispiel.
Es gibt beispielsweise einen Zielkonflikt zwischen Mittelständlern und ihren Investoren: Für internationale Investoren ist es ideal, wenn sie die Prospekte der Unternehmen, in die sie investieren, möglichst einfach analysieren und vergleichen können. Daher wünschen sie sich eine möglichst weit verbreitete Bilanzierung nach IFRS, obwohl die meisten Mittelständler nach nationalen Regeln bilanzieren, in Deutschland ist das HGB. Eine Umstellung auf IFRS würde die Unternehmen sehr viel Geld kosten und ihnen damit den Kapitalmarktzugang eher erschweren als erleichtern. Unser Verband setzt sich daher dafür ein, die HGB-Bilanzierung als Standard beizubehalten. Außerdem sollten die Prospekte schlanker werden. Der aktuelle Umfang schreckt viele Mittelständler ab.