Newsletter

Abonnements

Neuer Gesetzentwurf zum Delisting

Ein neuer Gesetzentwurf sorgt für Diskussionen. Der Bundestag soll heute über eine neue Regelung zum Delisting entscheiden.
Mathias Rosenthal/iStock/Getty Images

Am 1. Oktober will der Bundestag über eine Neuregelung des Delisting-Prozesses von börsennotierten Unternehmen entscheiden. Auch wenn die Hürden für ein Delisting seit einem Urteil des Bundesgerichtshofs im Oktober 2013 niedriger geworden sind, müssen CFOs von der neuen Regelung keine harten Einschnitte befürchten. Der Entwurf sieht vor, dass der Vorstand allein über ein Delisting entscheiden kann. Eine Zustimmung der Hauptversammlung ist nicht erforderlich. Dies würde auch das Handwerk aktivistischer Aktionäre deutlich erschweren.
 
Die Aktionäre sollen dafür ein Abfindungsangebot erhalten, das sich im ersten Entwurf am Börsenkurs der zurückliegenden drei Monate orientiert. In den vergangenen Wochen haben sich CDU/CSU und SPD auf eine Verlängerung dieses Zeitraums auf sechs Monate geeinigt.

Nach der aktuellen Rechtslage ist gar kein Abfindungsangebot an die Aktionäre erforderlich. Die neue Regelung soll laut CDU/CSU deshalb zu einem besseren Anlegerschutz beitragen.

Anlegerschützer kritisieren den Gesetzentwurf

Trotzdem hat der Entwurf unter Anlegerschützern scharfe Kritik ausgelöst. „Für Großaktionäre wird es durch diesen Vorschlag so viel leichter, Kleinaktionäre aus dem Unternehmen zu drängen“, beklagt sich Martin Weimann, Vorstand der Verbraucherzentrale für Kapitalanleger.

„Durch die neue Regelung würde für Großaktionäre der Anreiz deutlich steigen, möglichst niedrige Übernahmeangebote zu machen“, fürchtet er – und sieht die Gefahr, dass dominante Gesellschafter gewaltige Drohkulissen aufbauen. „Wenn die Aktionäre nicht darauf eingehen, kann der Großaktionär mit einem Delisting drohen.“ Es ist jetzt schon zu beobachten, dass die vorangegangenen Schritte zur Senkung der Delisting-Hürden dazu geführt haben, dass Abfindungsangebote tendenziell nicht mehr so üppig ausfallen wie in der Vergangenheit. Trotzdem sind Annahmequoten gestiegen, was Weimanns Befürchtung zu bestätigen scheint.

In einem ersten Entwurf sollte die Abfindungspflicht an die Aktionäre entfallen, wenn das Unternehmen oder ein Großaktionär den Aktionären in den vorherigen sechs Monaten ein Kaufangebot gemacht hat. „In diesem Punkt hat die Kritik jedoch Gehör gefunden, diese Passage ist im überarbeiteten Entwurf gestrichen“, sagt Kapitalmarktrechtler Peter Dreier von der Kanzlei Dreier Riedel, der institutionelle Investoren vertritt.

Experten fordern Ertragswertverfahren

Generell halten es Anlegerschützer jedoch für falsch, den Börsenkurs zur Grundlage für die Abfindung zu machen. „Bei einem Börsengang wird von Investoren auch verlangt, einen Preis zu zahlen, der auf dem inneren Unternehmenswert basiert“, sagt Peter Dreier. „Es ist daher nicht gerechtfertigt, dass bei einem Rückzug vom regulierten Handel nicht wieder dieselbe Grundlage der Bewertung angewendet wird.“

Er fordert wie auch andere Experten eine Abfindung, die auf einer Bewertung nach dem Ertragswertverfahren beruht. Weiterhin sollte für die Aktionäre die Möglichkeit bestehen, diese Bewertung in einem Spruchverfahren überprüfen zu lassen. Das bedeutet, dass ein Gericht über die Angemessenheit der Abfindung entscheidet und dieses Urteil dann für alle Aktionäre gültig ist. Das Problem dabei: Die drastisch gesunkenen Zinsen senken auch die Diskontierungssätze, die beim Ertragswertverfahren angewendet werden. Dies treibt die Bewertungen in die Höhe – zur Freude der verbliebenen Minderheitsaktionäre.

Das Deutsche Aktieninstitut unterstützt den Gesetzesentwurf

Unterstützung bekommt der neue Gesetzesvorschlag hingegen wenig überraschend vom Deutschen Aktieninstitut (DAI), das die Interessen von börsennotierten Gesellschaften und Institutionen vertritt. Eine Orientierung des Abfindungsangebots am Börsenwert hält das DAI für sachgerecht.

„Eine Entschädigung nach dem inneren Wert würde dagegen mit erheblichen Rechtsunsicherheiten für die Unternehmen einhergehen und lange teure Rechtstreitigkeiten über die richtige Abfindungshöhe provozieren“, warnt das DAI. Auch diese Argumentation ist plausibel. Das zeigt: Bei der neuen Gesetzgebung prallen  die Aktionärsinteressen und der Wunsch der Konzerne und ihrer Großaktionäre nach Planungssicherheit frontal aufeinander.

Nachteile für den Aktienmarkt in Deutschland?

Kritik gibt es außerdem noch aus einem anderen Grund. Der Kapitalmarktrechtler Peter Dreier befürchtet, dass die neue Regelung Deutschland als Investitionsstandort schaden könnte. „Wenn die Aktionäre zu stark entmachtet werden, sehe ich die Gefahr, dass auch größere, institutionelle Investoren – besonders aus dem Ausland – davor zurückschrecken könnten, hier zu investieren“, fürchtet der Rechtsanwalt. Dies wiederum wäre auch ein Problem der Managementteams und ihrer dominierenden Gesellschafter.

antonia.koegler[at]finance-magazin.de

Antonia Kögler ist Redakteurin bei FINANCE und Chefin vom Dienst bei DerTreasurer. Sie hat einen Magisterabschluss in Amerikanistik, Publizistik und Politik und absolvierte während ihres Studiums Auslandssemester in Madrid und Washington DC. Sie befasst sich schwerpunktmäßig mit Finanzierungsthemen und verfolgt alle Entwicklungen rund um Green Finance und Nachhaltigkeit in der Finanzabteilung.