Neues vom Bundesfinanzministerium, Schulterklopfen ist angesagt. Neue Regelungen „wirken dem automatischen Rückgriff auf externe Ratings entgegen“. Investoren müssen sich künftig eine eigene Meinung bilden, bevor sie investieren. Klingt erst mal gut, ist aber falsch. Das ganze Thema Rating wird von der Regulierung falsch angepackt. Zugegeben: Die großen Agenturen haben sich mächtig blamiert, weil sie vor der Finanzkrise eine neue komplexe Assetklasse systematisch falsch bewertet haben. Da war zu wenig Verstand und zu viel Mathematik und vielleicht auch zu viel Geschäftsinteresse im Spiel.
Doch nun wird das Kind mit dem Bade ausgeschüttet. Der Grundgedanke ist richtig: Zwei bis drei kleine Unternehmen sollten nicht der einzige Risikomesser im Fremdkapitalmarkt sein. Doch zum einen haben die Ratingagenturen nur bei strukturierten Produkten versagt, bei Unternehmen und Staaten ist die Trefferquote hervorragend – auch wenn die Einschätzungen der Politik nicht immer gefallen. Zum anderen geht der Ansatz fehl, Investoren zu einer eigenen Risikoeinschätzung für jedes Investment zu verpflichten.
„Vier Augen sehen mehr als zwei“ scheint das Motto zu sein. Aber das ist Blödsinn, wenn der Experte um den Laien ergänzt wird. Schwierige Abseitsentscheidungen treffen Profi-Schiedsrichter häufig richtig. Das Ergebnis wird sich im Schnitt verschlechtern, wenn Amateure die endgültige Entscheidung treffen sollen. Und kein Investment Manager kann es in der Urteilsfähigkeit mit dem Spezialisten einer großen Ratingagentur aufnehmen.
Ratings: Banken beteiligen
Der Plan der Politik ist schädlich, denn was wird die Reaktion der Marktteilnehmer sein? Die Ratingagenturen dürften einen Risikoabschlag auf ihre Bewertungen vornehmen, um im Falle unerwarteter ökonomischer Turbulenzen bei den durchschnittlichen Ausfällen immer noch auf der sicheren Seite zu sein. Und die regulierten Investoren werden ebenfalls vorsichtig sein. Welcher Investment Manager wird offiziell dokumentiert eine positivere Einschätzung als eine renommierte Ratingagentur vertreten, wenn er sich später bei einem Ausfall dafür rechtfertigen muss? Der Trend wird zu Staatsanleihen und großen Unternehmen führen, die gerade erst beginnende Diversifizierung des Fremdkapitalmarkts abgewürgt.
Was also tun? Eine Lösung könnte sein, andere Informationsquellen auf den Markt zu bringen. Neue, gar europäische Ratingagenturen sind allerdings ein Irrweg. Es gibt genügend Ratingagenturen, und neue müssten ohnehin erst einmal einen Track Record aufbauen. Es gibt allerdings andere Unternehmen, die systematisch Risikofaktoren erfassen, analysieren und in Ausfallwahrscheinlichkeiten überführen: die Banken. Ihr Wissen könnte die Einschätzungen der Ratingagenturen sinnvoll ergänzen. Warum nicht einen Pool aus Ratingeinschätzungen bilden, in den sich Investoren einkaufen können? Das wäre erstens viel billiger und zweitens qualitativ viel hochwertiger als jede kleine Pensionskasse zu einer eigenen Risikoeinschätzung zu verpflichten.
bastian.frien[at]finance-magazin.de