Aufatmen am Finanzmarkt: Die Umstellung der Referenzzinsen ist über den Sommer einen entscheidenden Schritt vorangekommen. Das Mammutprojekt war angestoßen worden, um Euribor und Eonia in Zukunft resistenter gegen Manipulationsversuche von Banken zu machen. Dafür hat die EU die sogenannte Benchmark-Verordnung erlassen, die dafür sorgt, dass die Referenzzinssätze ab Ende 2021 in ihrer jetzigen Form nicht mehr bestehen dürfen.
Bislang basieren die Referenzzinssätze noch auf Einschätzungen einer Reihe von Banken. Um Manipulationen zu erschweren, sollen laut Regulator stattdessen künftig echte Transaktionsdaten als Grundlage für die Zinssätze herangezogen werden.
Grünes Licht für reformierten Euribor
Lange war unklar, ob diese Vorgabe das Aus für den weit verbreiteten Zinssatz Euribor bedeuten würde. Seit Juli ist jedoch entschieden: Der Euribor kann weiter bestehen bleiben. Das European Money Markets Institute (Emmi) hat von den Aufsichtsbehörden grünes Licht für eine neue Berechnungsmethode des Euribor erhalten. Das Institut, das den Referenzzins herausgibt, hat eine hybride Berechnungsmethode entwickelt, die sich auf tatsächliche Transaktionsdaten, aber auch auf Informationen aus anderen Quellen stützt.
Ein früherer Versuch, ganz auf transaktionsbasierte Daten umzustellen, war gescheitert, weil die Datenmenge nicht ausreichte. Wäre der neue Reformversuch des Emmi ebenfalls gescheitert, dann hätte ein alternativer Zinssatz als Ersatz entwickelt werden müssen – ein in Anbetracht der knappen Zeit ambitioniertes Projekt.
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Als erledigt sollten Finanzchefs die Reform aber noch nicht abhaken, schließlich ist die neue hybride Berechnungsmethode noch nicht umgesetzt worden. Das Emmi hat angekündigt, die neue Methode bis zum Ende des Jahres zu implementieren. Finanzverantwortliche sollten die Entwicklung weiterhin genau verfolgen, immerhin hat niemand geringerer als die Bankenaufsicht der EZB gewarnt, dass die langfristige Zukunft des Referenzzinses davon abhängen wird, ob genug Panel-Banken zur Verfügung stehen, die die Berechnung des Zinses unterstützen werden. In Stein gemeißelt ist die Zukunft des Referenzzinssatzes also noch nicht.
Eonia-Umstellung steht im Oktober an
Bei der Umstellung des risikolosen Referenzzinssatzes Eonia ist das Bild schon länger etwas klarer. Der neue Zinssatz Estr, der von der Europäischen Zentralbank herausgegeben werden wird, war bereits im vergangenen Herbst zum Nachfolger des Eonia auserkoren worden, und bald wird es ernst: Am 2. Oktober wird der Estr erstmals veröffentlicht. Bislang gibt es nur eine vorläufige Version.
Ab diesem Zeitpunkt wird es den Eonia in seiner jetzigen Form nicht mehr geben, der Zinssatz wird an den Estr gekoppelt werden. Hintergrund dieser Entscheidung: Testberechnungen hatten gezeigt, dass der neue Zinssatz unter dem bisherigen Eonia liegt. Um den Marktteilnehmern den Übergang zu erleichtern, soll der Eonia ab Oktober aus dem Estr und einem festen Zinsaufschlag berechnet werden, den die EZB auf 8,5 Basispunkte festgelegt hat. Ebenfalls zu beachten: Am 1. Oktober wird es aufgrund der Umstellung keine Veröffentlichung des Eonia geben.
Die Umstellung dürfte in den meisten Finanzabteilungen für zusätzliche Arbeit sorgen, weil viele Finanzierungsverträge noch die alten Referenzzinssätze enthalten. Finanzverantwortliche sollten die nächsten Monate nutzen, um herauszufinden, bei welchen ihrer Verträge Anpassungen notwendig sind.
Antonia Kögler ist Redakteurin bei FINANCE und Chefin vom Dienst bei DerTreasurer. Sie hat einen Magisterabschluss in Amerikanistik, Publizistik und Politik und absolvierte während ihres Studiums Auslandssemester in Madrid und Washington DC. Sie befasst sich schwerpunktmäßig mit Finanzierungsthemen und verfolgt alle Entwicklungen rund um Green Finance und Nachhaltigkeit in der Finanzabteilung.