Die Börsenpräsenz des Internetunternehmens Scout24 könnte ein kurzes Intermezzo gewesen sein: Einem Bericht der „Financial Times“ zufolge stehen die Münchener womöglich vor einer Übernahme durch Finanzinvestoren. Mehrere Private-Equity-Häuser sollen an dem Onlineportalbetreiber interessiert sein, schreibt die britische Zeitung unter Berufung auf Insider. Scout24 wappne sich bereits mit Hilfe von Beratern und Investmentbankern für einen möglichen Verkauf.
Ein Interessent soll der FT zufolge der auf Technologieunternehmen spezialisierte US-Finanzinvestor Silver Lake sein. Das PE-Haus hatte erst im Mai den britischen Internet-Immobilienmarktplatz Zoopla für 2,2 Milliarden Pfund übernommen. Scout24, das unter anderem die Verkaufsportale „Autoscout24“ und „Immobilienscout24“ betreibt, wollte die Berichte gegenüber FINANCE nicht kommentieren.
Scout24 wäre einer der größten deutschen PE-Deals
Sollte es tatsächlich zu einer Übernahme kommen, dürfte es einer der größten PE-Deals in Deutschland überhaupt werden. Die Transaktion läge wohl in etwa gleichauf mit dem 5,4 Milliarden Euro schweren Erwerb des Pharmakonzerns Stada durch die Finanzinvestoren Bain und Cinven im vergangenen Jahr.
Scout24 hat derzeit eine Marktkapitalisierung von rund 3,9 Milliarden Euro. Hinzu kommen Nettofinanzverbindlichkeiten über 800 Millionen Euro (Stand September 2018). Laut FT müsste ein Käufer mit einer Unternehmensbewertung von mehr als 5 Milliarden Euro rechnen. Nach Bekanntwerden der Übernahmegerüchte sprang der Scout24-Aktienkurs heute Vormittag um 15 Prozent auf 42 Euro.
FINANCE-Köpfe
Scout24 gehörte zwei Jahre lang Hellman & Friedman
Scout24 gehörte lange zur Deutschen Telekom, hat aber auch schon Erfahrung mit Finanzinvestoren: Vor dem Börsengang im Herbst 2015 gehörten die Münchener zwei Jahre lang einem PE-Konsortium um Hellman & Friedman und Blackstone. Erst im vergangenen Februar hatte sich Hellman & Friedman von den letzten Anteilen getrennt. Seither befinden sich die Scout24-Aktien komplett im Streubesitz und sind seit dem Sommer im MDax notiert.
Die Münchener verfolgen eine ehrgeizige Wachstumsstrategie: Im Juli kaufte Scout24 den Ratenkreditvermittler Finanzcheck.de für 285 Millionen Euro – was einem Umsatz-Multiple von 8x entsprach. Am Markt kam diese hohe Bewertung damals nicht gut an, die Scout24-Aktie verlor zwischenzeitig mehr als 10 Prozent.
„Ich habe unterschätzt, wie groß die Sorge vor Verlusten bei Finanzcheck.de war“, räumte Scout24-CFO Christian Gisy damals im Interview mit FINANCE ein. Der Finanzchef hielt dagegen: „Aber das ist Mumpitz. Das Unternehmen macht vielleicht noch keine Profite, die Verluste sind für Scout24 aber gering und wir haben Profitabilität ab 2020 in Aussicht gestellt.“
Scout24 hat ehrgeizige M&A-Pläne
Und der M&A-Hunger der Münchener ist noch längst nicht gestillt. Bei Internetunternehmen spielt Reichweite und schnelles Wachstum eine wichtige Rolle. Deshalb sicherte sich der Konzern, der 2017 einen Umsatz von 480 Millionen Euro erwirtschaftete, eine Finanzierung über insgesamt 1 Milliarde Euro. Darin enthalten ist eine M&A-Kreditlinie über 500 Millionen Euro, bei der Scout24 die Banken erst zum Zeitpunkt der Mittelauszahlung über den Verwendungszweck informieren muss. „Wir wollen mit den Banken nicht darüber diskutieren, ob das zugekaufte Unternehmen richtig für uns ist“, erklärte CFO Gisy, der spätestens im September 2019 bei Scout24 ausscheiden wird.
Allerdings schwoll durch den Zukauf von Finanzcheck.de auch die Verschuldung von Scout24 an. Ende September lag das Verhältnis von Nettofinanzverschuldung zu Ebitda bei 2,8mal. Das ist noch kein außergewöhnlich hoher Leverage. Dennoch dürfte der Spielraum für weitere Akquisitionen – vor allem mit Blick auf die aktuellen Bewertungen von Technologieunternehmen – begrenzt sein. Die finanzielle Feuerpower eines neuen Investors könnte das Unternehmen also womöglich gut gebrauchen.