Das Frankfurter Analysehaus Sentix warnt vor schweren Turbulenzen an den Kapitalmärkten. Dem Dax prophezeien die Analysten im Jahresverlauf einen Absturz bis auf 8.000 Punkte, auch für den US-Aktienmarkt erwarten sie Kursverluste von 25 Prozent.
Anders als die Banken erstellt Sentix seine Prognosen nicht auf Basis von Mikro- oder Makro-Analysen, sondern mit Hilfe der Verhaltensforschung, im Finanzmarktjargon auch „Behavioral Finance“ genannt. Woche für Woche befragt Sentix mehr als 700 institutionelle Investoren sowie mehrere hundert Privatanleger zu ihrer Marktmeinung und ihren Kurserwartungen.
Sentix sieht Parallelen zum Neuen Markt
In den vergangenen Monaten festigte sich bei diesen Umfragen ein kritischer Trend: Während die kurzfristige Stimmung der Anleger beharrlich positiv blieb, sackte die mittel- und langfristige Kurserwartung insbesondere zu Aktien immer weiter ab. Sentix interpretiert solche Muster als Verkaufssignale, da den Anlegern das Grundvertrauen in Aktien fehlt, sie aber trotzdem schon überinvestiert sind, einfach weil sie kurzfristig auf eine Fortsetzung des Aufwärtstrends hoffen und mit im Spiel bleiben wollen.
„Die EZB und die Notenbanken in aller Welt haben die Märkte mit der Droge Liquidität vollgepumpt. Aktien gelten als alternativlos, Anleger sind für Dividendentitel positiv konditioniert“, warnt Sentix-Geschäftsführer Patrick Hussy. Er zieht einen Vergleich, der sogar sein sehr niedriges Kursziel noch optimistisch erscheinen lässt: „Die Parallelen zur Internetmanie im Jahr 2000 werden immer deutlicher. Damals wurden ebenfalls die Risiken der Aktienanlage weitgehend ausgeblendet.“ Auch für Anleihen erwarten die Frankfurter Kursverluste und steigende Renditen.
Chinas Aktienhandel nach nur 30 Minuten abgebrochen
Eines der größten Risiken für die Märkte ist Sentix zufolge eine harte Landung in China. Diese zeichnet sich tatsächlich immer stärker ab. Auf schwache Daten aus der Industrie und dem Dienstleistungssektor haben die chinesischen Behörden mit mehreren Abwertungsmanövern des Yuan reagiert. Auch am Aktienmarkt wurde interveniert. Trotzdem ist dort jetzt Panik ausgebrochen.
Schon zum zweiten Mal in dieser Woche wurde vergangene Nacht der Handel an den chinesischen Börsen abgebrochen, nachdem der maximal erlaubte Kursverlust von 7 Prozent erreicht wurde. Diesmal waren die chinesischen Aktienmärkte gerade einmal 30 Minuten geöffnet, bevor die Behörden den Handel stoppten, um weitere Kursverluste zu verhindern.
Der breitgefasste Blue-Chip-Index CSI 300 beendete den verkürzten Handelstag bei einem Stand von 3.285 Punkten. Damit liegt der CSI 300 nun schon rund 40 Prozent unter seinem Mehrjahreshoch aus dem Juni vergangenen Jahres, das bei 5.380 Zählern lag. Seit Weihnachten haben die China-Aktien schon 16 Prozent eingebüßt. „Die Abwertung des Renminbi durch die chinesischen Zentralbank ist der zentrale Auslöser für die Marktkorrekturen“, meint Mo Ji, Chefvolkswirtin des Asset-Managers Amundi in Asien. Sie hält die Maßnahmen der chinesischen Zentralbank dennoch für richtig.
Banken haben Dax-Kursziele zwischen 11.000 und 12.000 Punkten
Auch an den Börsen in Tokio und New York ging es über die Nacht um über 2 Prozent nach unten. Der deutsche Aktienmarkt nimmt diese Vorgaben auf: Über den Vormittag verlor der Dax mehr als 3 Prozent und rutschte unter 9.900 Punkte. Anders als Sentix hat der Ausverkauf zu Jahresbeginn fast alle Banken und Fondsgesellschaften auf dem falschen Fuß erwischt. Die meisten von ihnen haben dem Dax im Jahresverlauf einen weiteren Anstieg auf 11.000 bis 12.000 Punkte vorhergesagt.
Die Kursschwäche ist nicht allein auf Aktien begrenzt: Das gesamte globale Kapitalmarktszenario zeigt Anzeichen aufkommender Panik. Der Ölpreis ist auf ein Zehnjahrestief gefallen, beide Ölsorten Brent und WTI kosten im Moment weniger als 34 Dollar und setzen ihre Talfahrt immer weiter fort. Auch die Kurse vieler Industriemetalle fallen und fallen.
Im Gegenzug festigen sich die sicheren Häfen. Bundesanleihen können sich halten, der Goldpreis steigt seit Tagen und liegt nun wieder bei fast 1.100 Dollar. Im Devisenbereich flüchten die Anleger in den Yen, die Währungen von Rohstoffexporteuren wie Australien, Russland und Kanada stehen schwer unter Druck.