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S&P plant angeblich öffentliche Mittelstandsratings

Die Ratingagentur S&P glaubt, der Mittelstand könnte sich allmählich nach Finanzierungsalternativen umschauen.
Thinkstock / Getty Images

Der deutsche Mittelstand könnte im zukünftigen Finanzierungsumfeld verstärkt auf alternative Instrumente wie Direct Lending und Privatplatzierungen setzen. Das glaubt die Ratingagentur S&P nach ihrer ersten Analyse des deutschen Mittelstands. Der Prozess könne aber langsamer vonstatten gehen als im Rest Europas, da die Mittelständler in Deutschland sehr liquide sind.

Für den Bericht analysierte die Ratingagentur ausgewählte deutsche Mittelstandsunternehmen mit einem Umsatz zwischen 100 Millionen und 1,5 Milliarden Euro und gezogenen und verfügbaren Fremdkapitallinien von bis zu 500 Millionen Euro (Details in der Infobox am Ende dieses Artikels).
 
Grundsätzlich stuft S&P den ökonomischen Ausblick der mittelständischen deutschen Unternehmen als positiv ein. Die Konjunkturprognose der Ratingagentur sieht einen Anstieg des deutschen BIP um 1,8 Prozent. Der Mittelstand, der den Analysten zufolge rund 30 Prozent zum deutschen BIP beiträgt, werde dabei speziell von der Binnenmarktnachfrage getragen. Europaweit werde das BIP der Schätzung zufolge lediglich um 1,1 Prozent zunehmen. Der starke Euro und die hohen Energiekosten könnten jedoch auch dem deutschen Mittelstand auf lange Sicht Probleme bereiten.

Zurzeit ist von Problemen jedoch noch wenig zu spüren. Die Eigenkapitalquote der deutschen Mittelständler ist dem Bericht zufolge von 33,4 Prozent im Jahr 2007 auf 39,2 Prozent im Jahr 2012 gesprungen – Tendenz weiterhin steigend. Der Anteil der liquiden Mittel an der Bilanzsumme stieg im gleichen Zeitraum um 2,2 Prozent auf 11,2 Prozent.

In der Finanzierung sind die Mittelständler konservativ: Das Verhältnis von Verschuldung zu Ebitda lag im Jahr 2012 bei einem Faktor von 1,9, während  größere Unternehmen im Durchschnitt ein Verhältnis von 3,2 aufwiesen. Auch in Punkto Eigenkapitalausstattung und Barmitteln agieren die Mittelständler der Studie zufolge vorsichtig. Sie seien daher relativ unabhängig von externen Finanzierungsquellen. Das vorhandene Kapital werde jedoch nur sehr zurückhaltend investiert.

Mittelstand: Öffentliche Marktratings kommen

Das Kreditrisiko der deutschen mittelständischen Unternehmen bezeichnet S&P als „relativ gut“. Seit rund einem Jahr hat die Agentur für Mittelständler ein eigenes Produkt zur Bonitätseinschätzung im Einsatz, die Mid-Market Evaluation (MME). Dabei werden die Unternehmen anhand von Kriterien wie der Unternehmensposition im Markt und der Management-Strategie auf einer Skala von MM1 bis MM8 bewertet.

Das Bewertungssystem der Mittelständler weicht also von S&Ps traditionellen Kreditratings ab. Preislich liegt das Produkt dem Unternehmen zufolge unter jenen für große Konzerne, genauere Angaben macht S&P dazu allerdings nicht. Für Konzernratings kursierten zuletzt Preisangaben um die 40.000 Euro pro Jahr.

Zurzeit behandelt S&P die Emittentenratings aber noch streng vertraulich und macht sie nur einer limitierten Anzahl von Stakeholdern und Investoren zugänglich. Sollte ein Mittelständler die Einstufung öffentlich verwenden, droht ihm eine Vertragsstrafe. Ein öffentliches Marktrating für Mittelständler ist aber in Planung, wie FINANCE aus Unternehmenskreisen erfahren hat.

Die Einstufungen MM1 und MM2 verhalten sich im Rating äquivalent zum Investment Grade und entsprechen einer Bonität von BBB oder besser (MM1) und BBB- (MM2). MM3 ist im Crossover-Territorium anzusiedeln und entspricht circa BB+ und BB. Ein Großteil der deutschen Mittelständler lag in einer S&P-Stichprobe zwischen MM3 und MM5, was bedeutet, dass sie ihren finanziellen Verpflichtungen relativ gutnachkommen. MM5 entspricht immer noch einem Rating von B.

Wichtig ist dabei: Mit den Bewertungen wird beim Mittelstand nicht die Ausfallwahrscheinlichkeit der Unternehmen bewertet, sondern die Skala sagt vielmehr aus, wie solide das jeweilige Unternehmen im Vergleich zur europäischen Konkurrenz aufgestellt ist. Zurzeit ratet S&P in der Region EMEA um die 400 Mittelständler.

Die MME wird von S&P in drei Phasen ermittelt. Im ersten Schritt werden das Kredit- und Finanzprofil des Unternehmens herausgearbeitet. In Schreit zwei folgt dann die Zusammenführung dieser beiden Profile zum MME-Anker. Im dritten Schritt wird dann noch der Modifikator ermittelt, welcher die Kapitalstruktur des Unternehmens beurteilt.

Zusätzlich vergibt S&P bei der Bewertung noch ‚+‘ und ‚-‘. Diese verhalten sich allerdings nicht analog zu den üblichen Ratings. Es wird angegeben, wie hoch die Wahrscheinlichkeit ist, dass sich ein Unternehmen nach einem Zahlungsausfall wieder erholt. Bei einem ermittelten Wert über 70 Prozent wird ein Plus vergeben, liegt er unter 30 Prozent, ein Minus.

Rating als Finanzierungshilfe

S&P sieht die MME als Finanzierungshilfe speziell für kleinere und mittelgroße Mittelständler. Eine Einschätzung durch S&P könnte ihnen helfen, das Finanzierungsportfolio zu erweitern und sich von Bankdarlehen zu lösen, so die Hoffnung.

Noch haben ausländische Investoren S&P zufolge Respekt davor, ihr Geld in kleinere Mittelständler zu investieren. Insbesondere die Mittelstandsanleihen haben in der Hinsicht einen schlechten Ruf, da Investoren in der Vergangenheit vermehrt schlechte Erfahrungen gemacht haben. Ein öffentlich zugängliches Rating einer großen Agentur wie S&P oder dem Konkurrenten Fitch, der ebenfalls bereitsteht, könnte dort neues Vertrauen schaffen.

jakob.eich[at]finance-magazin.de

Info

S&P stützte sich bei der Analyse auf die Daten des Dienstleisters S&P Capital IQ, der die Entwicklungen von mehr als 56.000 deutschen Unternehmen verfolgt. Für die Studie reduzierte S&P das Sample auf 2.455 Firmen – 112 Großunternehmen (Umsatz über 1,5 Milliarden Euro), 630 Mittelständler und 1.713 kleine Unternehmen (Umsatz unter 100 Millionen Euro jährlich).

Jakob Eich ist Redakteur der Fachzeitungen FINANCE und DerTreasurer des Fachverlags F.A.Z Business Media, bei dem er auch sein Volontariat absolviert hat. Eich ist spezialisiert auf die Themen Digitalisierung im Finanzbereich und Treasury. Durch seine Zwischenstation bei der Schwesterpublikation „Der Neue Kämmerer“ ist der 1988 geborene Journalist auch versiert beim Thema Kommunalfinanzen. Erste journalistische Erfahrungen hat der gebürtige Schleswig-Holsteiner in den Wirtschaftsmedien von Gruner+Jahr sowie in der Sportredaktion der Hamburger Morgenpost gesammelt.