FINANCE-Studie

Finanzieren in Krisenzeiten 

Im dritten Jahr der Pandemie hatte sich die Konjunktur in vielen Branchen stabilisiert oder zeigte in Richtung Aufschwung. Doch der Ukraine-Krieg hat die Wirtschaft zurückgeworfen. Allerdings ist die Stimmung unter den Unternehmen immer noch recht zuversichtlich. In diesem Umfeld ist die Liquiditätssicherung eine Herausforderung, insbesondere mit Blick auf steigende Einkaufspreise und Engpässe in den Lieferketten. Wie wirkt sich diese Situation auf die Finanzierung der Unternehmen aus? Welche Finanzinstrumente und welche Partner sind jetzt gefragt?

Quelle: ©Patrick Daxenbichler – stock.adobe.com

Konjunkturaussichten: Unternehmen erwarten Stabilisierung

Vor dem Ukraine-Krieg

Antwort auf die Frage: „In welcher wirtschaftlichen Situation befindet sich Ihr Unternehmen derzeit?“; in Prozent der befragten Finanzentscheider (nach Umsatzkategorie; soweit Angaben dazu gemacht wurden)1

1 ohne Antwortoption “weiß nicht/keine Angabe“
Quellen: FINANCE/F.A.Z. Business Media | research, Targobank

Im Ukraine-Krieg im April 2022

Antwort auf die Frage: „In welcher wirtschaftlichen Situation befindet sich Ihr Unternehmen derzeit?“; in Prozent der befragten Finanzentscheider (nach Umsatzkategorie; soweit Angaben dazu gemacht wurden)1

ohne Antwortoption “weiß nicht/keine Angabe“
Quellen: FINANCE/F.A.Z. Business Media | research, Targobank

Zum Zeitpunkt der ersten Befragung, die wenige Tage vor dem russischen Überfall auf die Ukraine stattfand, überwogen in den Unternehmen klar die positiven Konjunkturprognosen. 48 Prozent sahen das eigene Unternehmen im Aufschwung und 36 Prozent die eigene Branche. In der siebten Woche des Krieges, bei unserer zweiten Befragung, sind es nur noch 27 Prozent bzw. 18 Prozent. Die Erwartungshaltung hat sich in Richtung Stabilisierung verschlechtert. Die meisten Befragten schätzen die eigene wirtschaftliche Lage besser ein als die der jeweiligen Branche. Fast die Hälfte rechnet mit einer stabilen Entwicklung im eigenen Unternehmen, 23 Prozent erwarten einen Abschwung oder gar eine Krise. Das produzierende Gewerbe ist pessimistischer als die Dienstleister.

Die Einschätzung der eigenen Branche hat sich deutlich eingetrübt

Vor dem Ukraine-Krieg

Antwort auf die Frage: „Wie bewerten Sie die derzeitige konjunkturelle Lage in Ihrer Branche?“; in Prozent der befragten Finanzentscheider (nach Branche; soweit Angaben dazu gemacht wurden)1

1 ohne Antwortoption “weiß nicht/keine Angabe“
Quellen: FINANCE/F.A.Z. Business Media | research, Targobank

Im Ukraine-Krieg im April 2022

Antwort auf die Frage: „Wie bewerten Sie die derzeitige konjunkturelle Lage in Ihrer Branche?“; in Prozent der befragten Finanzentscheider (nach Branche; soweit Angaben dazu gemacht wurden)1

ohne Antwortoption “weiß nicht/keine Angabe“
Quellen: FINANCE/F.A.Z. Business Media | research, Targobank

23 Prozent

erwarten wegen des Ukraine-Kriegs Abschwung oder Krise für das eigene Unternehmen.

43 Prozent

erwarten wegen des Ukraine-Kriegs Abschwung oder Krise für die eigene Branche.

Quellen: FINANCE/F.A.Z. Business Media | research, Targobank

Bernd Renz, Leiter Vertrieb Factoring bei der TARGOBANK, ordnet zentrale Ergebnisse der FINANCE-Firmenkundenstudie „Finanzieren in Krisenzeiten“ ein.

Mehr zu „Finanzieren in der Krise“

Hürden

Im Einkauf liegen die größten Herausforderungen für die Unternehmen

In dieser Lage müssen die Unternehmen einige Hürden überwinden und neue Lösungen finden. Die Herausforderungen durch die Pandemie haben sich durch den Ukraine-Krieg vergrößert, allen voran steigende Einkaufs- und Energiepreise sowie unterbrochene Lieferketten. Die Zulieferung aus der Ukraine und aus Russland wurden durch den Krieg und die Sanktionen gestoppt. Lieferungen aus Asien und anderen Überseestandorten sind bereits wegen der Covid-19-Pandemie in Verzug. Auch ohne Ukraine-Krieg funktionierten die Lieferketten nicht mehr einwandfrei.

Das schrumpfende Angebot führt zu weiteren Preiserhöhungen für ganz unterschiedliche Produkte. Dazu kommen drastisch gestiegene Energiepreise. Damit einher geht ein wachsender Liquiditätsbedarf.

Von fehlenden Lieferungen und hohen Einkaufspreisen sind naturgemäß produzierende Betriebe stärker betroffen als Dienstleister. Beide Wirtschaftssektoren beklagen zudem einen hohen Fachkräftemangel, die Dienstleister häufiger als die Industrie.

Auf Kundenseite sehen die befragten Unternehmen seltener Schwierigkeiten. Nur knapp jedes Fünfte erwartet eine geringe Nachfrage seiner Kunden. Zahlungsausfälle bei Kunden sind derzeit ebenfalls selten. Auch das Thema Nachhaltigkeit sehen die Unternehmen eher selten als bremsenden Faktor für den Aufschwung.

Neue Gesetze und staatliche Vorgaben sind für viele Unternehmen ein weiteres Hindernis auf dem Weg zur Erholung. Allerdings bieten die neuen Regeln für gesunde Unternehmen mit Reserven auch die Chance, sich durch kluge Investitionen beispielsweise in den Klimaschutz einen Wettbewerbsvorteil zu sichern. So profitieren Unternehmen, die in Energieeffizienz und erneuerbare Energien investiert haben, derzeit von geringeren Energiekosten.

Antwort auf die Frage: „Was sind derzeit die größten Herausforderungen in Ihrem Kerngeschäft?“; in Prozent der befragten Finanzentscheider (nach Branche; soweit Angaben dazu gemacht wurden)

Quellen: FINANCE/F.A.Z. Business Media | research, Targobank

78 Prozent

erwarten, dass die Inflation in den kommenden drei Jahren zu deutlichen Preissteigerungen auf allen Ebenen führt.

60 Prozent

sagen, dass regulatorische Vorgaben und politische Maßnahmen den Aufschwung in Deutschland bremsen.

Zustimmungsquote; in Prozent der befragten Finanzentscheider; n = 121
Quellen: FINANCE/F.A.Z. Business Media | research, Targobank

Working Capital

Folgen der Corona-Pandemie

Unter den vor dem Ukraine-Krieg befragten Unternehmen hatte sich durch Covid-19 bei etwas mehr als einem Drittel die wirtschaftliche Lage verschlechtert. Bei 30 Prozent hatte sich die Lage verbessert, und 34 Prozent spürten keine direkten Auswirkungen. Insgesamt herrschte in der Wirtschaft sogar eine eher positive Stimmung. Dennoch sorgen allein die anstehenden Rückforderungen der Überbrückungshilfen an mancher Stelle für einen erhöhten Liquiditäts- und Finanzierungsbedarf. Knapp ein Viertel der Befragten nutzt ein staatliches Corona-Programm. 

Veranstalter und Kulturbetriebe, Gaststätten und Hotelgewerbe hat die Pandemie am stärksten getroffen, und das Gesundheits- und Sozialwesen musste die größte Last tragen. Andere Branchen verzeichneten nur geringe Einbußen oder profitierten sogar von der neuen Lage. Darüber hinaus hat die Pandemie zu Unterbrechungen und Verschiebungen in internationalen Lieferketten geführt. Der Ukraine-Krieg hat die Lage verschärft, insbesondere mit Blick auf die Energieversorgung und die Kfz-Zulieferung. Auch hier plant die Regierung ein Unterstützungsprogramm für besonders betroffene Unternehmen.  

Antwort auf die Frage: „Wie hat sich die Corona-Pandemie auf die wirtschaftliche Situation Ihres Unternehmens ausgewirkt?“; in Prozent der befragten Finanzentscheider; n = 121

Quellen: FINANCE/F.A.Z. Business Media | research, Targobank

23 Prozent

der befragten Unternehmen nutzen staatliche Überbrückungshilfen wegen der Corona-Krise.

in Prozent der befragten Finanzentscheider; n = 121
Quellen: FINANCE/F.A.Z. Business Media | research, Targobank

Working Capital zum Beispiel durch Factoring entlasten

Um das Working Capital zu entlasten und Liquidität zu gewinnen, wenden die Unternehmen ein breites Instrumentarium von Maßnahmen an. An erster Stelle nennen die Befragten den Abbau von Lagerbeständen. Vor allem produzierende Unternehmen nutzen offenbar diese Möglichkeit, aber auch viele Händler. Allerdings – und dies lehren die Pandemie und der Ukraine-Krieg – können knappe Lager zu Produktions- oder Auslieferungsstopps führen, wenn die Lieferkette unterbrochen wird. 

Factoring ist für viele Unternehmen eine zusätzliche wichtige Möglichkeit, gebundenes Kapital zu verflüssigen. Die Industrie nutzt diese Mittel derzeit besonders häufig. Schnellere Mahnungen an Kunden und spätere Zahlungen an die eigenen Lieferanten sind weitere oft genannte Instrument des Working Capital Managements. 

Antwort auf die Frage: „Welche der folgenden Maßnahmen führen Sie durch oder planen Sie in Kürze durchzuführen, um ihr Working Capital Management zu stärken?“; in Prozent der befragten Finanzentscheider (nach Branche; soweit Angaben dazu gemacht wurden)

Quellen: FINANCE/F.A.Z. Business Media | research, Targobank

Finanzierung

Erhöhter Liquiditätsbedarf

Unternehmen benötigen zusätzliche Finanzmittel und gegebenenfalls auch neue Finanzierungspartner, um im derzeitigen Umfeld ihren Vertrieb und Umsatz zu sichern oder gar auszuweiten. Folgerichtig wird die Liquiditätssicherung von den Befragten aktuell am häufigsten als Herausforderung im Finanzbereich genannt. Vor allem kleine und mittlere Unternehmen haben mehr Bedarf an Cash.

Nach fast zwei Monaten des Krieges stellt die Sicherung der Liquidität eine noch größere Herausforderung dar als zuvor. Dies zeigt der Vergleich unserer beiden Befragungen deutlich: Aktuell sind es 50 Prozent, davor waren es 36 Prozent.

Die Finanzierung von Investitionen ist eine weitere Herausforderung, ebenfalls vornehmlich für kleine und mittlere Unternehmen. Hier hat der Krieg bislang wenig verändert.

Unternehmen, die sich aktuell im Abschwung oder gar im Krisenmodus befinden, nennen die Sicherung der Liquidität und der Bonität deutlich häufiger als Herausforderung als andere Unternehmen.

Vor dem Ukraine-Krieg

Antwort auf die Frage: „Welche Herausforderungen sehen Sie für Ihr Unternehmen derzeit beim Thema Finanzierung?“; in Prozent der befragten Finanzentscheider (nach Umsatzkategorie und Einschätzung der wirtschaftlichen Situation des eigenen Unternehmens; soweit Angaben dazu gemacht wurden)

[!] Achtung niedrige Fallzahl
Quellen: FINANCE/F.A.Z. Business Media | research, Targobank

Im Ukraine-Krieg im April 2022

Antwort auf die Frage: „Welche Herausforderungen sehen Sie für Ihr Unternehmen derzeit beim Thema Finanzierung?“; in Prozent der befragten Finanzentscheider (nach Umsatzkategorie und Einschätzung der wirtschaftlichen Situation des eigenen Unternehmens; soweit Angaben dazu gemacht wurden)

[!] Achtung niedrige Fallzahl
Quellen: FINANCE/F.A.Z. Business Media | research, Targobank

Jeder Fünfte plant Factoring

Das meistgenutzte Finanzinstrument der kommenden drei Jahre wird die Kreditlinie der eigenen Hausbank sein. Für mittlere und große Unternehmen gehört diese etwas häufiger zum Finanzierungsmix als für kleine. Factoring wollen 22 Prozent der befragten Unternehmen einsetzen. 

Ansonsten greifen gerade die großen Unternehmen ab 1 Milliarde Euro Umsatz auf ein deutlich breiteres Spektrum an Finanzierungsinstrumenten zurück als kleine oder mittlere Betriebe. Zur Palette gehören Schuldscheine, Konsortialkredite, Anleihen und Green-Finance-Instrumente.

38 Prozent

gehen nach den Erfahrungen der Corona-Pandemie davon aus, dass viele Unternehmen ihren Finanzierungsmix stärker diversifizieren.

Zustimmungsquote; in Prozent der befragten Finanzentscheider; n = 121
Quellen: FINANCE/F.A.Z. Business Media | research, Targobank

Antwort auf die Frage: „Welche der folgenden Finanzinstrumente planen Sie in den kommenden drei Jahren zu nutzen?“; in Prozent der befragten Finanzentscheider

Quellen: FINANCE/F.A.Z. Business Media | research, Targobank

Partner

Auf der Suche nach weiteren Finanzpartnern

Die wichtigsten Finanzierungspartner der Unternehmen sind private Geschäftsbanken. Es folgen die öffentlich-rechtlichen Kreditinstitute und die Genossenschaftsbanken. Über die Hälfte der Unternehmen arbeitet mit Leasinggesellschaften zusammen, mehr als ein Viertel mit Factoringanbietern. In den kommenden Jahren plant eine Reihe von Unternehmen, neue Finanzpartnerschaften einzugehen. 

Zur Suche nach weiteren Finanzierungspartnern treibt manche Unternehmen auch ihre Erfahrung mit der Corona-Krise. Einige Kreditgeber oder -versicherer drehten zunächst den Hahn für bestimmte Branchen zu. Wenn der Staat nicht mit seinen Corona-Hilfen eingesprungen wäre, sähe die Situation wesentlich schlechter aus. Der Ukraine-Krieg hat bislang vor allem die Börsen und die Anleihenmärkte getroffen.

Finanzen diversifizieren

Viele Befragte sind der Ansicht, dass der Trend bei der Unternehmensfinanzierung in Richtung spezialisierte Finanzdienstleister geht. Deshalb dürften neben der Hausbank künftig Spezialisten beispielsweise für Factoring oder Leasing eine zunehmende Rolle spielen. Gerade in Zeiten hohen Liquiditätsbedarfs kann manches Unternehmen mit neuen Partnern bestehende Lücken auffüllen. Aber auch in den Bereichen Zahlungsverkehr und Asset Management könnte zukünftig die Wahl verstärkt auf Spezialisten fallen.

43 Prozent

sagen, dass spezialisierte Finanzdienstleister im Firmenkundengeschäft in den kommenden drei Jahren Marktanteile gewinnen werden.

Zustimmungsquote; in Prozent der befragten Finanzentscheider; n = 121
Quellen: FINANCE/F.A.Z. Business Media | research, Targobank

Kosten wichtiges Auswahlkriterium

Wenn es um die Auswahl eines Finanzdienstleisters geht, geben oft die Gebühren und Zinsen den Ausschlag. Als weitere Kriterien nach den Kosten nennen die Befragten Flexibilität, Service und Schnelligkeit. 

Außerdem ist die Belastbarkeit der Geschäftsbeziehung ein wichtiges Motiv zur Wahl eines Finanzdienstleisters. Im Zuge der Covid-19-Pandemie und des Ukraine-Krieges hat dieser Aspekt an Bedeutung gewonnen. Gerade in Krisenzeiten kommt Unternehmen die hohe Belastbarkeit von Factoringbeziehungen zugute. Denn der entscheidende Faktor beim Factoring ist nicht die Bonität des Forderungsverkäufers, sondern die Werthaltigkeit seiner Forderungen. Selbst bei einer Verschlechterung der eigenen Bonität erhält der Factoringkunde weiter Cash für seine Forderungen.

Wer hohe Flexibilität im Factoring wünscht und täglich entscheiden möchte, wie viel Liquidität er nutzen möchte, sollte mit einem Dienstleister mit Vollbanklizenz der Bafin zusammenarbeiten. Nur diese Lizenz bietet dem Dienstleister eine entsprechende Flexibilität. 

Digitalisierung scheint derzeit für die meisten Unternehmen derzeit nur ein „nice to have“ zu sein. Lediglich für große Unternehmen ist sie ein wichtiges Auswahlkriterium für Finanzdienstleistungen.

Antwort auf die Frage: „Welche der folgenden Kriterien sind für Sie bei der Auswahl eines neuen Finanzdienstleisters besonders wichtig?“; in Prozent der befragten Finanzentscheider

Quellen: FINANCE/F.A.Z. Business Media | research, Targobank