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Finanzieren in der Krise

Pläne sind dazu da, um geändert zu werden. Dieser Satz kam uns bei der Umsetzung der Firmenkundenstudie in den Sinn. Eigentlich sollte es in unserer zusammen mit FINANCE und F.A.Z. Business Media | research konzipierten Befragung Anfang Februar 2022 darum gehen, wie sich Unternehmen nach zwei Jahren Pandemie für den Aufschwung bereitmachen. Der Beginn des schrecklichen Kriegs in der Ukraine sorgte am Ende der Befragung aber für eine dramatische Wendung.

Natürlich ist klar: Wirtschaftliche Fragen stehen hinter der schnellstmöglichen Beendigung des menschlichen Leids zurück und sind im Vergleich dazu unbedeutend. Dennoch liegt es auch jetzt in der Verantwortung von Unternehmen und Finanzierern, die wirtschaftliche Lage zu analysieren und ihr Handeln so auszurichten, dass zumindest die Auswirkungen der Krise, auf die sie selbst Einfluss nehmen können, bestmöglich bewältigt werden. So wurde die Studie in zentralen Punkten noch einmal an die Geschehnisse angepasst, und es wurde im April 2022 eine zweite Befragung derselben Zielgruppe durchgeführt.

Krieg in der Ukraine sorgt für deutliche Eintrübung bei der Lageeinschätzung

Eine der Fragen, die im Zuge des Kriegsausbruchs noch einmal neu gestellt wurde, war die nach der Einschätzung der konjunkturellen Lage. Während zunächst über 80 Prozent der Befragten die eigene Branche „im Aufschwung“ oder zumindest in einer Stabilisierungsphase wähnten, fiel dieser Wert nach Kriegsausbruch deutlich auf 55 Prozent zurück. Rund 40 Prozent der Befragten sind im Zuge der erschütternden Ereignisse und der damit verbundenen Auswirkungen auf die europäische Wirtschaft mittlerweile der Meinung, dass sich ihre Branche im Abschwung oder in der Krise befindet. Bei der Frage nach den größten Herausforderungen belegen unter anderem Lieferkettenprobleme (46 Prozent) und Preissteigerungen im Einkauf (60 Prozent) die Top-Plätze. Diese Aspekte stellen die aktuell drängendsten Probleme der Wirtschaft sehr gut dar.

Gleichzeitig eröffnen sie den Blick auf möglicherweise noch kommende Herausforderungen für Unternehmen. Denn sowohl die gestörten Lieferketten, die mit mehr Lagerhaltung einhergehen, als auch die Preissteigerungen, die gegebenenfalls Zwischenfinanzierungen erforderlich machen, sorgen für einen erhöhten Liquiditäts- bzw. Finanzierungsbedarf. Geht man davon aus, dass die Europäische Zentralbank in absehbarer Zeit erste Schritte einer Zinswende einläuten wird – das ist im Zuge der aktuellen Inflationsrate ein denkbares, wenn nicht sogar notwendiges Szenario –, ist hier also mit einer weiteren Herausforderung in Form von steigenden Finanzierungskosten zu rechnen. Die Befragung zeigt, dass diese Thematik in den Unternehmen erkannt wird: 50 Prozent der Befragten sehen die Sicherung der Liquidität aktuell als wichtigste Aufgabe in der Unternehmensfinanzierung.

Passender Finanzierungsmix ist entscheidend

Insbesondere für die Unternehmen, die sich von der jüngsten, noch nicht überwundenen Pandemie-Krise erholen müssen, ist das Thema Finanzierung zentral: Rund ein Drittel der Befragten gibt an, die Corona-Pandemie habe sich negativ auf ihr Unternehmen ausgewirkt. Rund ein Viertel hat laut Befragung staatliche Überbrückungshilfen in Anspruch genommen, um die Krise zu bewältigen. Für diese Unternehmen geht es mit Blick auf die Finanzlage nicht nur um eine vorausschauende Planung von Investitionen, sondern auch um die Rückzahlung der staatlichen Hilfen. Hier ist die Unterstützung von Finanzierern gefragt, um Unternehmen die auf die jeweilige Situation passenden und umfassenden Lösungen aufzuzeigen. In der Regel gilt: Eine mehrsäulige Finanzierung sorgt für ein Plus an Stabilität und Sicherheit.

Neben klassischen Finanzierungsinstrumenten kann Factoring ein wichtiger Baustein im Finanzierungsmix sein, da Factoring – im Gegensatz zu den konventionellen Angeboten der Hausbank – nicht primär auf die Bonität des Kreditnehmers, sondern auf die Werthaltigkeit der Forderung setzt. Der passende Mix ist entscheidend.

Die Studienergebnisse zeigen, dass die befragten Unternehmen dies bereits jetzt beherzigen und mit einer Vielzahl unterschiedlicher Finanzierungsformen planen. Über die Hälfte geht davon aus, in den kommenden drei Jahren auf das Standardinstrument, also die Kreditlinie der Hausbank, zurückzugreifen. Insbesondere bei größeren Unternehmen sind auch Instrumente wie Schuldscheine oder Konsortialkredite gängig. Alternative Finanzierungsformen wie Factoring werden laut der Befragung die größten Zuwachsraten haben, denn rund ein Viertel der Befragten gibt an, Factoring in den nächsten drei Jahren nutzen zu wollen. Aktuell werden knapp 9 Prozent des Bruttoinlandprodukts über Factoring finanziert. Somit ist hier mit einer enormen Zunahme zu rechnen.

Belastbarkeit ist wichtig bei der Wahl des Finanzdienstleisters

Egal, für welche Instrumente sich Unternehmen letztlich entscheiden: Finanzierung ist vor allem auch Vertrauenssache. Das zeigt sich in der Studie bei der Frage nach den Kriterien, die bei der Wahl des Finanzdienstleisters zum Tragen kommen. Wenig überraschend spielen die Kosten eine wichtige Rolle (60 Prozent), allerdings dicht gefolgt von der Belastbarkeit der Geschäftsbeziehung (58 Prozent), von der Flexibilität des Finanzdienstleisters (55 Prozent) und vom Serviceangebot (51 Prozent).

Diese Ergebnisse bedürfen keiner besonderen Interpretation. Sie machen klar: Finanzierer müssen als Kernvoraussetzung für eine dauerhafte Kundenbeziehung passende und auf die jeweilige Kundensituation zugeschnittene Produkte bieten. Langfristig überzeugen kann aber nur, wer gerade auch in Krisenzeiten mehr leistet – etwa im Service, in der Beratung oder im persönlichen Kontakt. Und, last, but not least, sollten Finanzierer keine offenen Flanken im Bereich der finanziellen Solidität und Belastbarkeit aufweisen.

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