Herr Soulsby, Aida Cruises ist Teil der amerikanischen Carnival Corporation. Wie ist die Aufgabenteilung mit der Mutter im Finanzbereich geregelt?
Unsere Finanzabteilung hat täglich Berührungspunkte mit der Mutter. Als Unternehmen handeln wir weitestgehend eigenständig. Lediglich beim Thema Finanzierungen können wir nicht selber entscheiden. Entnahmen von mehr als 10 Millionen Euro müssen wir vom Mutterkonzern bewilligen lassen, darunter sind wir relativ frei. Außerdem hat Carnival beim Rohstoffhedging und bei Großinvestitionen, etwa bei der Schiffsfinanzierung, den Hut auf. Wir stimmen den Bedarf basierend auf der von Aida erarbeiteten Unternehmensstrategie ab. Die finale Entscheidung wird dann von der Mutter getroffen. Dabei steht Aida mitunter in Konkurrenz zu den Schwestergesellschaften, die vielleicht ebenfalls Bedarf an neuen Schiffen haben.
Für die beiden 2015 und 2016 fertig werdenden Schiffe sind jeweils 440 Millionen US-Dollar veranschlagt. Das ist nicht unbedingt der Traum von Banken, die langfristige Investitionen und hohe Kreditsummen zunehmend scheuen.
Manche Banken scheinen Schiffsfinanzierungen inzwischen in der Tat komplett zu meiden. Aber wir haben bislang keine großen Schwierigkeiten. Unsere Mutter bestellt jährlich etwa zwei bis drei Schiffe. Das ist in der Schifffahrtsbranche noch ein vergleichsweise kleines Volumen. In Sachen Finanzierung hat sich daher wenig geändert.
Wenn Sie sich mit Carnival heute auf ein neues Schiff einigen, sticht dieses erst etwa fünf Jahre später in See. Da hätte sicher mancher CFO schlaflose Nächte.
Dahinter steckt ohne Frage ein großes unternehmerisches Risiko. Wir machen Businesspläne mit einem mehrjährigen Horizont, aber eine 100-prozentige Sicherheit darüber, welches Schiff wann gebraucht wird, haben auch wir nicht. Wichtige Kennzahlen sind die Auslastung der bestehenden Schiffe und die Marktpenetration. In den USA etwa machen 3,4 Prozent der Bevölkerung im Jahr eine Kreuzfahrt, in Großbritannien sind es 2,8 Prozent. Deutschland hängt trotz des Wachstums der vergangenen Jahre mit 1,9 Prozent noch hinterher.
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Der CFO und das Unternehmen
Paul Soulsby wurde am 5. Januar 1960 im britischen Corbridge geboren. Nach dem Studium in Leicester und der Schweiz und einem Abschluss als Chartered Account arbeitete er zunächst als Audit Manager bei KPMG Peat Marwick in Belgien sowie später bei P&O. 2004 wurde er als CFO in die Geschäftsleitung von Aida Cruises berufen. Aida Cruises ist seit 2004 Teil der weltweiten Carnival Corporation und ist der europäischen Tochter Costa Crociere mit Sitz in Genua zugeordnet. Carnival meldete für das Jahr 2012 einen Umsatz von 15,3 Milliarden US-Dollar, weist jedoch die Umsätze für die einzelnen Tochterlinien nicht separat aus. In Marktkreisen wird Aida auf einen Umsatz von rund 1 Milliarde Euro geschätzt, das Unternehmen selbst kommentiert diese Zahlen nicht. Im vergangenen Jahr verbrachten Aida zufolge mehr als 632.000 Passagiere ihren Urlaub an Deck eines Aida-Schiffs.
Als Sie 2004 CFO wurden, hatte Aida drei Schiffe und rund 2.100 Angestellte, heute sind es zehn Schiffe und 6.900 Mitarbeiter. Hand aufs Herz: Haben Sie die Strukturen immer früh genug nachgezogen?
Wir haben sicherlich nicht immer den optimalen Zeitpunkt erwischt. Wir sind auf ein Problem gestoßen und haben es gelöst, anstatt uns vorab zu fragen, wie wir das Problem verhindern können. Aber wir hatten auch wirklich gute Projekte. Das Controlling beispielsweise haben wir angepasst, bevor Probleme aufgetreten sind. Auch nutzen wir mehr als ein Dutzend verschiedener IT-Tools, etwa um die Nahrungsmittelbestände an Bord der einzelnen Schiffe im Blick zu haben. Seit neuestem nutzen wir eine virtuelle Datenschicht, die eine Schnittstelle zu allen Subsystemen hat. Dort haben wir eine Übersicht über alle Kennzahlen und verbessern gleichzeitig die Reportings.
Gibt es auch Themen, die für Sie persönlich neu hinzugekommen sind?
Ich bin als CFO auch für die IT und seit einem Jahr für den Einkauf zuständig. Dafür bin ich vom Werdegang her zwar kein Spezialist, finde es aber sehr interessant. Manchmal frage ich mich, warum ich nicht von vornherein in den Einkauf gegangen bin. Natürlich muss ich als Finanzer einen Überblick über unser Produkt haben. Im Einkauf habe ich aber die Möglichkeit, dies im Detail zu betrachten. So erkennt man schnell Optimierungspotentiale. Mein Ziel ist es, vom Cost Cutter zum Cost Manager zu werden. Jeder Mitarbeiter sollte von sich aus auf die Kosten schauen und nicht warten, bis der CFO kommt und ihm auf die Finger klopft. Mich fasziniert der Beyond-Budget-Ansatz, wie ihn manche skandinavische Unternehmen praktizieren. Die bereiten kein Jahresbudget vor, sondern jeder Manager präsentiert, was er machen möchte, und erklärt dabei auch, welche Mittel er dafür bräuchte.
Halten Sie das in Deutschland für umsetzbar?
Ich glaube schon, aber vermutlich bräuchte man eine Änderung der Firmenkultur. Die Umstellung würde sicherlich mehrere Jahre dauern.
Orientieren Sie sich auch an den Budgets der Schwesterreedereien?
Ja. Eine enge Zusammenarbeit zum Benchmarking und zum Austausch von Ideen ist definitiv sinnvoll. Wir tauschen uns beispielsweise über Benchmarkvergleiche zu einzelnen Abteilungen und Projekten bei IT oder Einkauf eng mit unserer italienischen Schwestergesellschaft Costa aus. Für unsere Fachabteilungen ist es manchmal schwer, wenn wir dabei schlechter abschneiden. Als CFO sehe ich das natürlich anders – ich bin froh, wenn die Kollegen etwas effizienter umsetzen als wir. Da liegt Einsparpotential für uns!
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