Showdown in Lüneburg: Das dortige Oberverwaltungsgericht muss noch in dieser Woche entscheiden, ob Air Berlin und Etihad einen Teil ihrer Gemeinschaftsflüge nach dem 16. Januar weiterhin durchführen dürfen. Das Luftfahrtbundesamt, das dem Bundesverkehrsministerium unterstellt ist, hatte im Oktober 29 der insgesamt 79 Code-Share-Verbindungen nur noch bis Freitag dieser Woche genehmigt. Diese Entscheidung bestätigte das Verwaltungsgericht Braunschweig kurz nach Weihnachten.
Am Kapitalmarkt sorgt der Streit für Verunsicherung: Die Kurse der Air-Berlin-Bonds liegen in diesen Tagen deutlich unter par. Derzeit notiert die 225 Millionen Euro schwere Anleihe, die 2018 ausläuft, bei einem Wert von 93. Der 2019er Bond, der insgesamt 252 Millionen Euro umfasst, notiert bei 91,5 (Euro-Tranche) und sogar nur bei 83 (Schweizer-Franken-Tranche). Die defizitäre Fluggesellschaft hat nach Angaben von Großaktionär Etihad seit 2012 rund 250 Millionen Euro Gewinn mit den Code-Shares gemacht.
Air Berlin muss für Sammelanleihe 10,56 Prozent berappen
Für Air Berlin ist die Unterstützung durch Etihad eine existenzielle Frage. Wie wichtig Abu Dhabi inzwischen für die Finanzierung der deutschen Airline ist, das belegt nicht zuletzt das Prospekt der Sammelanleihe, das Etihad jetzt auf Anfrage von FINANCE zur Verfügung stellte.
Es war der neueste und vielleicht wichtigste Coup der Araber: Das Investmentvehikel EA Partners sammelte mit einer Anleihe 700 Millionen US-Dollar ein, die es in Form von Krediten an die Partnerairlines von Etihad weiterleitete. An Air Berlin floss knapp ein Fünftel der Erlöse, CFO Arnd Schwierholz warb netto 118 Millionen US-Dollar frische Mittel ein.
Wie FINANCE jetzt erfuhr, ist der Liquiditätszufluss allerdings teuer erkauft: Stolze 10,56 Prozent pro Jahr zahlt Air Berlin für den Kredit. Das geht aus dem Anleiheprospekt hervor. Zum Vergleich: Der zugrunde liegende Bond wird mit 6,875 Prozent verzinst. Die ebenfalls nicht auf Rosen gebettete italienische Fluggesellschaft Alitalia muss 6,31 Prozent berappen.
Allein dass Air Berlin sich auf dieses teure Geschäft eingelassen hat, deutet bereits daraufhin, wie dringend die Fluggesellschaft die liquiden Mittel damals benötigte. Darauf lässt auch ein zweiter Aspekt schließen: Laut Anleihebedingungen hat Air Berlin die Mittel zum Teil für die Rückzahlung einer im vergangenen November fälligen Unternehmensanleihe über 195 Millionen Euro verwendet. Im Vorfeld der Rückzahlung hatten Analysten Liquiditätsengpässe befürchtet. CFO Schwierholz hielt dem entgegen, man plane die Liquidität so, dass man alle Zahlungsverpflichtungen einhalten könne. Er sollte recht behalten – wohl auch dank der Mittel aus der Sammelanleihe.
Gesellschafterdarlehen von Etihad ist CFO Schwierholz‘ Notgroschen
Doch Etihad hatte seine Finger noch bei mindestens zwei weiteren Finanztransaktionen im Spiel: Mit einer nachrangigen Wandelanleihe über 300 Millionen Euro stärkte die Fluggesellschaft aus Abu Dhabi im Frühjahr 2014 das chronisch schwache Eigenkapital von Air Berlin. Durch eine Payment-in-Kind-Klausel kann die Kuponzahlung über 8 Prozent aufgeschoben werden. Die Laufzeit der Wandelanleihe ist ohnehin unendlich. In den ersten neun Monaten des Geschäftsjahres wiesen die Berliner dennoch ein negatives Eigenkapital von 544 Millionen Euro aus.
Darüber hinaus hat die arabische Fluggesellschaft Air Berlin im Jahr 2012 auch ein besichertes Gesellschafterdarlehen über 255 Millionen US-Dollar eingeräumt. Als Air Berlin 2014 seine Finanzierung neu geordnet hat, wurde das Darlehen um fünf Jahre bis Dezember 2021 verlängert. Es wird mit 8 Prozent verzinst und gilt als Notgroschen der Berliner: CFO Schwierholz kann die Mittel nur ziehen, sofern Etihad dem zustimmt, wie aus dem FINANCE vorliegenden Anleiheprospekt für die Sammelanleihe hervorgeht. Damit sichern sich die Araber die Kontrolle über die Kreditvergabe. Stand September hat Air Berlin 50 Millionen US-Dollar gezogen.
Etihad hält Kündigungsrechte unter Verschluss
Was würde passieren, wenn Etihad Air Berlin die finanzielle Unterstützung entzöge? Und wie schnell kämen die Araber überhaupt aus ihren finanziellen Zusagen heraus? Die Kündigungsrechte will Etihad auf Anfrage von FINANCE nicht nennen. Die Fluggesellschaft weist die Frage als rein hypothetisch zurück. Man stehe zu Air Berlin und dabei bleibe es auch, so eine Sprecherin des Unternehmens.
Nun ruht die Hoffnung der beiden Airlines auf dem Oberverwaltungsgericht Lüneburg. Sollte das Gericht die Code-Share-Verbindungen tatsächlich kippen, dürfte spannend werden, wie Etihad-CEO James Hogan reagieren wird. Der Airline-Chef betonte in der vergangenen Woche zwar die „unveränderte Unterstützung“ für Air Berlin, schoss aber zugleich mit harschen Worten gegen die Bundesregierung: „Sofern die deutsche Regierung ihr Engagement für alle deutschen Unternehmen nicht sicherstellt, steht ihr Ruf als sicheres Land für Investitionen auf dem Spiel.“
Etihad ist mit 29,1 Prozent größter Einzelaktionär von Air Berlin. Als einen zentralen Grund für das Investment nennt Hogan die Code-Share-Verbindungen. Die staatliche Fluggesellschaft will durch die gemeinschaftlich vermarkteten Flüge ihr globales Flugnetz ausweiten, was ihr aufgrund der komplexen Regulierung der Luftfahrt auf anderen Wegen verwehrt ist.
Eine Hoffnung bliebe den beiden Unternehmen noch, falls auch das Oberverwaltungsgericht Lüneburg sich der Sichtweise des Luftfahrtbundesamtes anschließt und die 29 Code-Share-Verbindungen verbietet: eine Neuverhandlung des deutsch-arabischen Verkehrsabkommens. Die Gespräche der politischen Akteure waren ins Stocken geraten, sollen aber zuletzt wieder an Fahrt aufgenommen haben.