Im Aufsichtsrat von Stada werden die Karten neu gemischt: Die Aktionäre des MDax-Konzerns haben den Chefaufseher Martin Abend nicht erneut in das Gremium gewählt. Bei der turbulenten Hauptversammlung, die am Freitag erst gegen Mitternacht endete, richteten sich 55 Prozent der Stimmen gegen ihn. Der vom aktivistischen Investor AOC vorgeschlagene Gegenkandidat, der ehemalige Novartis-Manager Eric Cornut, zog dagegen mit knapper Mehrheit ins Kontrollgremium ein. Es war das erste Mal, dass sich ein Aktivist bei einem großen börsennotierten Unternehmen in Deutschland in einer Kampfabstimmung um Aufsichtsratsmandate durchsetzte.
Mit dem Sturz von Abend, dem AOC Vetternwirtschaft und die Toleranz von Gehaltsexzessen im Vorstand vorwirft, hat der Investor einen wichtigen Teilerfolg im Machtkampf mit dem Management des Bad Vilbeler Unternehmens erreicht. „Wir werten das als sehr positiv für das Unternehmen und haben unsere Hauptziele erreicht: den Aufsichtsratsvorsitzenden abzusetzen und den Aufsichtsrat kompetent zu besetzen“, kommentiert der Investor, der im Frühjahr mit mindestens 5 Prozent bei Stada eingestiegen war und zudem noch weitere Großaktionäre und Finanzinvestoren hinter sich versammelte.
Der Aufsichtsrat wählte anschließend aber nicht den AOC-Kandidaten Cornut zum neuen Aufsichtsratschef, sondern Abends bisherigen Stellvertreter Carl Ferdinand Oetker. Stada kommentierte die Ergebnisse nicht.
AOC erleidet Schlappe bei weiteren Stada-Aufsichtsratskandidaten
Dass Cornut es nicht an die Aufsichtsratsspitze schaffte, hat einen klaren Grund: Bei weiteren Personalien konnten sich die AOC-Mitgründer Florian Schuhbauer und Klaus Röhrig nicht durchsetzen. Vier der insgesamt fünf Neulinge im Aufsichtsrat ziehen auf Vorschlag der Stada-Führung in das Kontrollgremium ein. Die Opel-Marketingchefin Tina Müller und der ehemalige Amgen-Manager Rolf Hoffmann wurden zwar beide auch von AOC unterstützt und erhielten entsprechend große Zustimmungsraten.
Bei den verbleibenden Mandaten auf der Kapitalseite kam es dagegen zu Kampfabstimmungen: Birgit Kudlek, zuletzt COO des Medikamentherstellers Aenova, und Gunnar Riemann, früher Vorstand bei Bayer Crop Science, setzten sich gegen die AOC -Kandidaten Klaus-Joachim Krauth und Hans-Helmut Fabry durch. Im ersten Wahlgang hatte keiner eine absolut Mehrheit erhalten. Mit diesem Ergebnis will sich AOC nicht zufrieden geben. Der Aktivist erklärte, man prüfe aktuell rechtliche Schritte.
In der Abstimmungsniederlage von Krauth und Fabry dürfte zum Ausdruck gekommen sein, dass viele Aktionäre AOC misstrauen: Sie prangern an, dass die Absichten des Aktivisten im Dunkeln liegen. Die Gesellschaft trete als „selbst ernannter weißer Ritter mit geschlossenem Visier“ auf, kritisierte etwa Peter Barth von der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW) bei der Hauptversammlung. Es ließe sich nicht ausschließen, dass hinter AOC ein Konkurrent stehe, der eine Übernahme von Stada plane.
Aktionäre rechnen mit Ex-CEO Hartmut Retzlaff ab
In zwei anderen wichtigen Fragen schlugen sich die Aktionäre dagegen auf die Seite von AOC: Die Vinkulierung der Aktien, die als Bollwerk gegen Übernahmen gilt, wird abgeschafft. Zudem lehnten 75 Prozent der anwesenden Anteilseigner das vom alten Aufsichtsrat erarbeitete neue Vergütungssystem für den Vorstand ab.
Vor allem an letzterem hatte sich der Streit entzündet, der letztlich zur Abwahl von Chefaufseher Abend führte: Unter seiner Ägide häufte der vor wenigen Tagen abgetretene Vorstandsvorsitzende Hartmut Retzlaff Pensionsansprüche an, deren Barwert sich 2013 auf 35 Millionen addierte. Das erzürnte auch viele Aktionäre, die AOC kritisch beäugen. Retzlaff hatte sich im Juni zunächst krank gemeldet und war dann im August endgültig abgetreten.
Der seit Juni interimistisch amtierende Stada-Chef Matthias Wiedenfels räumte Versäumnisse ein: „Wir waren in der Vergangenheit an einigen Stellen zu hierarchie- statt businessplanorientiert.“ Das solle sich künftig ändern. Der weiter schwelende Machtkampf mit AOC dürfte dafür sorgen, dass der Druck aus dem Aktionariat auf die neue Stada-Führung hoch bleiben wird.
Info
Nicht nur bei Stada sind aktivistische Aktionäre am Werk. Auch in anderen deutschen Unternehmen wie Ströer, E.on und Volkswagen machen Aktivisten ihren Einfluss geltend. Was das für CFOs bedeutet, lesen Sie in der Titelgeschichte der aktuellen FINANCE-Printausgabe, die Sie hier erwerben können.