FINANCE: Herr Herter, wie sehen Sie zurzeit die Finanzierungsmärkte?
Herter: Ich nehme derzeit ein Finanzierungsumfeld wahr, das sich rasant verändert und zunehmend nervös ist. So findet man gerade schwer Banken, die sich auf ein Underwriting einlassen. Viele Transaktionen laufen auf „Best-Effort-Basis“, was gerade bei Akquisitionen sehr problematisch ist, weil die Sicherheit fehlt. Außerdem können Banken sehr gut die Konditionen diktieren, wenn bei „Club-Deals“ kein wirklicher Wettbewerb herrscht. Da macht es Sinn, gezielt neue Banken anzusprechen und einzubinden. Allerdings darf man dabei alte Adressen nicht vergraulen, was mitunter ein Drahtseilakt ist.
FINANCE: Bei welchen Branchen sind die Kreditgeber momentan besonders zurückhaltend?
Herter: Wenn die Sprache auf Textil kommt, dann hört man gerade in London häufig: nein, danke. Es gibt eine große Furcht, dass man auf einem Kredit sitzen bleiben könnte, selbst wenn die Unternehmen, wie im Fall Jack Wolfskin, gute Zahlen liefern. Dann kreisen schon die Geier, die auf eine Übernahme der Kredite unter Nennwert hoffen. Konjunkturell geraten Automobilzulieferer, die bereits in der letzten Krise gebeutelt waren, wieder stärker unter Druck.
FINANCE: Die Lage wird ohne Frage schwieriger. Warum sollen CFOs einen Debt Advisor beauftragen? Viele sind überzeugt, sie können das selbst.
Herter: Das mag auch sein, CFOs haben aber ein großes Aufgabenportfolio. Die Lage an den Finanzierungsmärkten ist sehr volatil, man muss Tag für Tag am Ball bleiben – dafür haben viele Finanzchefs überhaupt keine Zeit. Kommt es dann zu einer Transaktion, zum Beispiel ein neuer Kredit über 250 Millionen Euro bei einer Laufzeit von fünf Jahren, dann reden wir mit Zinsen und Gebühren schnell über eine Entscheidung über 25 Millionen Euro und mehr. Da lohnt es sich, einen Berater hinzuzuziehen, der dann durch gute Verhandlungen seine Fees selbst wieder einspielt. Außerdem ist der Berater eine unabhängige Instanz, auf die sich der CFO bei kritischen Nachfragen von Vorstandskollegen oder Aktionären berufen kann.
FINANCE: In der Beraterlandschaft gab es zuletzt viele Wechsel. In der Krise 2009 haben zwar viel M&A- und Leveraged-Finance-Banker auf Debt Advisory umgesattelt, wenige haben sich aber behauptet. Wie schätzen Sie die Lage ein?
Herter: Sie haben Recht, dieses Feld hat sich wieder ausgedünnt. Viele haben erkannt, dass der Kuchen doch nicht so groß ist wie einmal gedacht. In den Investmentbanken ist Debt Advisory neben dem rentableren M&A-Geschäft häufig eher ein Nebenkriegsschauplatz – und kann auch zu Interessenskonflikten mit anderen Mandaten führen. Wenn es nicht langfristig etabliert ist, steht es schnell wieder zur Disposition. Deswegen sind einige davon wieder abgekehrt.
FINANCE: Sie selbst haben vergangenes Jahr Lazard verlassen. Warum sind Sie jetzt den Schritt in die Selbständigkeit gegangen?
Herter: Lazard war schon eine gute Zeit. Zu den genauen Hintergründen des Wechsels möchte ich mich aber nicht äußern. In meiner eigenen Beratung kann ich mich jedoch nun wirklich schwerpunktmäßig auf Debt Advisory und Restructuring konzentrieren, ohne lange Diskussionen mit anderen Geschäftsbereichen oder Offices führen zu müssen. Dabei kommt es dem Debt Advisory generell zugute, dass sich dieses Gebiet in Deutschland weiter professionalisiert hat: Während sich früher Banker von den Beratern manchmal auf den Schlipps getreten fühlten, sind sie heute wesentlich entspannter.
Info
Marcel Herter ist Geschäftsführer von Herter & Co. Mitte 2012 hat er die im Frankfurter Westend ansässige Boutique gegründet, die personell noch wachsen soll. Zu den bisher beratenen Deals zählen die jüngsten Refinanzierungen des Außenwerbers Ströer sowie von Tom Tailor. Bis April 2011 stand Herter in Diensten der Investmentbank Lazard und war dort als Geschäftsführer zuständig für Debt Advisory and Restructuring. Vor seiner Zeit bei Lazard arbeitete Finanzierungsspezialist für Dresdner Kleinwort, wo er als Head of Leveraged Finance für den deutschsprachigen Raum verantwortlich war.
Markus Dentz ist Chefredakteur von FINANCE und der Fachzeitschrift DerTreasurer. Seine journalistischen Schwerpunktthemen sind Unternehmensfinanzierung, Restrukturierung und Treasury. Nach dem Studium und dem Volontariat beim F.A.Z.-Institut stieß Dentz zur FRANKFURT BUSINESS MEDIA GmbH, einer Tochter der F.A.Z.-Verlagsgruppe und Herausgeberin von DerTreasurer und FINANCE. Mehrfach wurden seine Artikel aus den Bereichen Private Equity und M&A mit Journalistenpreisen ausgezeichnet.