Der Mannheimer Industriekonzern Bilfinger erwägt überraschend den nahezu kompletten Verkauf seines Immobilien-Segments. Wie der Konzern gestern kurz vor Mitternacht mitteilte, prüfe der Vorstand um CEO Per H. Utnegaard und CFO Axel Salzmann verschiedenen Angebote für die drei Divisionen Building, Facility Services und Real Estate. Sie alle gehören zum Geschäftsbereich „Immobilien“.
Ursprünglich wollten die Mannheimer diese M&A-Deals nicht forcieren, haben eigenen Aussagen zufolge aber trotzdem diverse Interessensbekundungen erhalten. Daraufhin hatte Bilfinger M&A-Berater damit beauftragt, diesen Anfragen nachzugehen, den Markt zu zu sondieren und eventuelle Verkaufsgespräche zu begleiten.
Einen möglichen Verkauf prüft Bilfinger „ergebnisoffen“. Ein Deal würde die erklärte „Zwei-Säulen“-Konzernstrategie des vor einem Jahr angetretenen neuen Managements über den Haufen werfen. In dieser war für das Immobiliengeschäft eine wichtige Rolle neben der Industriesparte vorgesehen. Die dritte Konzernsparte „Power“ steht hingegen offiziell zum Verkauf und dürfte mehr oder weniger komplett veräußert werden.
Bilfinger könnte 2,8 Milliarden Leistungsvolumen verlieren
Sollte sich Bilfinger für einen Verkauf der genannten Bereiche des Immobiliengeschäfts entscheiden, würden rund 2,8 Milliarden Euro Leistungsvolumen wegfallen. Diese Zahl prognostiziert das Unternehmen für das Geschäftsjahr 2015 in seinem Bericht zum dritten Quartal. Im Immobilien-Segment verbliebe dann nur noch die Division Water Technologies, in der Bilfinger Anlagen, Komponenten und Dienstleistungen rund um den Bereich Wasser- und Abwassertechnologie anbietet. Auch für dieses Geschäft ist der Konzern dem Vernehmen nach offen für eine Trennung.
Sollte darüber hinaus wie geplant noch in diesem Jahr der Verkauf der Power-Division über die Bühne gegen, bliebe auch im Energie-Segment mit der Sparte Offshore-Systems lediglich eine Division übrig. Der Geschäftsfokus läge dann klar auf dem dritten und größten Segment „Industrie“. Dort bündelt Bilfinger in insgesamt elf Divisionen Dienstleistungen für Industrieanlagen. Mit einem für 2015 prognostizierten Leistungsvolumen von rund 3,4 Milliarden Euro ist es das leistungsstärkste Segment des Baukonzerns.
Gewinnwarnungen, Korruptionsverdacht: Bilfinger in der Krise
Die Aufräumarbeiten bei Bilfinger sind Folge einer tiefen Unternehmenskrise. Im Jahr 2014 schockte Bilfinger seine Investoren mit drei Gewinnwarnungen binnen zehn Wochen. Dieses Planungschaos kostete zunächst den damaligen CEO Roland Koch und später auch CFO Joachim Müller den Job. Müllers Nachfolge trat im April vergangenen Jahres der ehemalige ProSiebenSat1-CFO Axel Salzmann an. Für ihn wäre der Verkauf der drei Immobilien-Divisionen der erste große Deal bei Bilfinger. Den Chefsessel übernahm im Juni 2015 der Norweger Per Utnegaard.
Doch die Probleme bei Bilfinger rissen nicht ab, auch das neue Management musste bereits eine Gewinnwarnung herausgeben. Im März 2015 kam zudem ein Korruptionsverdacht bei der Brasilien-Tochter Mauell auf.