Automatisierungsprojekte, vertiefte Datenanalyse, bessere Prognosen: Die digitale Transformation bietet CFOs viele Möglichkeiten, die Finanzabteilung zu verändern. Doch wo fängt man an? Und wie sieht die digitale Finanzabteilung aus? Eine Gruppe aus etwa 30 Unternehmenspraktikern und Wissenschaftlern versucht in dem Arbeitskreis „Digital Finance“ der Schmalenbach-Gesellschaft, dies herauszufinden.
Der Arbeitskreis arbeitet an dem gemeinsamen Zielbild „Digital Finance 2025“ sowie einer zugehörigen „Digital Finance Roadmap“. Sie soll Unternehmen helfen, sowohl aktuelle als auch künftig anstehende Digitalisierungsprojekte auf einer Zeitachse zu strukturieren. Jörg H. Mayer, Lehrbeauftragter im Fachgebiet Rechnungswesen, Controlling und Wirtschaftsprüfung der Technischen Universität Darmstadt sowie Managing Director bei der Beratung Accenture Strategy, erklärt die Hintergründe der Initiative.
Fünf Handlungsstränge für die Digitalisierungsstrategie
Herr Mayer, mit der „Digital Finance Roadmap“ will Ihr Arbeitskreis Unternehmen dabei helfen, die Digitalisierungsprojekte in der Finanzabteilung zu strukturieren. Wie kam die Idee zustande?
Wir haben in der Diskussion im Arbeitskreis festgestellt, dass Konzerne aus unterschiedlichen Branchen in Digitalisierungsfragen vor ganz ähnlichen Herausforderungen stehen. Auf der einen Seite befassen sich Aktionäre, Aufsichtsräte, Vorstandskollegen und Berater mit Digitalisierungsfragen, es gibt viele Stakeholder, die noch mehr Ideen haben. Sie erwarten von der Finanzabteilung Initiative.
Und auf der anderen Seite?
Auf der anderen Seite hat die Finanzabteilung erkannt, dass die Operationskollegen ihr mit Industrie 4.0, Robotern für die Produktion und weiteren Themen erst einmal vormachen, was mit „moderner“ IT alles geht. Das ist neu für die Finanzabteilung: Sie war es bislang immer gewohnt, im Unternehmen führend in der IT zu sein. Aktionismus hilft aber nicht weiter, die CFOs müssen Digitalisierungsfragen strukturiert angehen. Unsere Roadmap liefert dafür den Rahmen – nicht nur für die Konzeption eines Aktionsplans insgesamt, sondern auch für die Priorisierung der einzelnen Digitalinitiativen – und, ganz wichtig, für die spätere Kommunikation der Ergebnisse im Unternehmen.
Sie haben fünf Handlungsstränge definiert, denen Unternehmen ihre Projekte auf einer Zeitachse bis 2025 zuordnen können. Welche fünf Felder sind das?
Der erste Handlungsstrang befasst sich mit der Prozessoptimierung. Dazu zählt beispielsweise die Automatisierung von repetitiven Tätigkeiten über Finance Robotics. Ein zweiter Handlungsstrang umfasst das Thema „better insights“, also die Planbarkeit und Prognosen: Hier eröffnet beispielsweise der Bereich Predictive Analytics on Big Data neue Möglichkeiten, Entscheidungen besser zu fundieren.
Wie man Digitalisierungsprojekte vergleichbar macht
Diese Entwicklungen verändern die operative Arbeit aber schon heute in vielen Finanzabteilungen stark.
Deshalb haben wir den Bereich Unternehmenskultur und Mitarbeiterschulung auch als dritten Aspekt aufgenommen. Die Digitalisierung der Finanzabteilung wird auch auf die interne Arbeitsplatzgestaltung und das Personal per se starke Auswirkungen haben. Und auch die Rolle des Finanzbereichs im Unternehmen wird sich wandeln. Ein weiterer Punkt adressiert daher den Finanzbereich als Dienstleister, der mit seiner Arbeit und den entwickelten Lösungen auch einen Mehrwert für andere Abteilungen oder sogar das gesamte Unternehmen zu liefern hat. Und nicht zuletzt sollten die Finanzabteilungen den Punkt Data Governance und Compliance adressieren. Es muss klar sein, wer den Datenbestand im Unternehmen verantwortet und auch bei fehlerhaften Daten „in der Haftung“ steht.
In einzelnen dieser Bereiche sind viele Unternehmen bereits aktiv. Welchen Vorteil soll ihnen die Digital Finance Roadmap bringen?
Es stimmt, dass viele namhafte Unternehmen bereits Digital Finance Roadmaps mit uns umgesetzt haben. Viele Praktiker im Arbeitskreis berichteten aber, dass ihnen anfangs ein Überblick gefehlt habe. Diesen kann die Roadmap bieten. Die Transparenz ist hoch: Wer seine Projekte den fünf Handlungssträngen zuordnet, sieht sofort, wenn er ein Themenfeld überhaupt noch nicht adressiert hat. Zudem lassen sich die Roadmaps mit denen von Kollegen in anderen Unternehmen vergleichen. Dies schafft die Sicherheit, dass man nichts maßgebliches auf dem Weg zu Digital Finance 2025 vergessen hat.
Arbeiten die Finanzverantwortlichen aus verschiedenen Unternehmen bei dem Thema zusammen, oder sehen sie sich eher im Wettbewerb?
Mein Eindruck ist, dass sie in grundlegenden Fragen der Digitalisierung der Finanzfunktion zusammenarbeiten. Die einzelnen digitalen Initiativen müssen dann ohnehin unternehmensspezifisch priorisiert und umgesetzt werden. Zunächst einmal helfen aber der Austausch und die Einschätzung, wo das eigene Unternehmen im Rahmen seiner Digitalisierung der Finanzfunktion steht. Die Erfahrungswerte mit Digitalisierungsprojekten sind – trotz aller Werbung – noch sehr begrenzt. Da können Umsetzungsberichte von Kollegen aus anderen Konzernen sehr viel mehr helfen als wissenschaftliche Beiträge per se oder die Hochglanzbroschüren verschiedener Anbieter.
Info
Der Arbeitskreis „Digital Finance“ der Schmalenbach-Gesellschaft umfasst derzeit rund 30 Mitglieder, neben Wissenschaftlern sind darunter Praktiker wie Merck-CFO Marcus Kuhnert, SAF-Holland-CFO Matthias Heiden und Christian Hebeler, Financial Director des Henkel-Bereichs Laundry & Home Care. Für neue Mitglieder aus Dax-Unternehmen und großen Mittelständlern, die über Themen an der Schnittstelle zwischen Business und IT sprechen wollen, ist die Runde grundsätzlich offen.
Ein Gespräch mit Merck-CFO Marcus Kuhnert über die Digitalisierungsinitiativen des Dax-Konzerns lesen Sie in der aktuellen Printausgabe des FINANCE-Magazins.