Mehrere Großaktionäre hatten sich seit Jahresanfang einen offenen Machtkampf um den Automobilzulieferer Grammer geliefert. Nun sind die Verhältnisse erst einmal geklärt: Der chinesische Stratege Ningbo Jifeng hat seinen Anteil über seine Holding Jap Capital auf nunmehr 25,51 Prozent aufgestockt und hält damit eine Sperrminorität. Die Chinesen waren im Frühjahr als weißer Ritter bei Grammer an Bord gekommen, als das Unternehmen sich heftig gegen die Einflussnahme der aktivistischen Hastor-Familie zur Wehr setzte. Die Familie Hastor hält über ihre beiden Vehikel Cascade und Halog nach wie vor insgesamt 19 Prozent der Anteile an Grammer.
Hastor-Engagement belastet Auftragslage bei Grammer
Für Grammer ist Ningbo Jifeng als stabiler Ankeraktionär sehr wichtig. Der Automobilzulieferer muss seinen Kunden gegenüber nachweisen, dass keine unmittelbare Einflussnahme durch den unliebsamen Großaktionär Hastor mehr droht. Die Familie Hastor ist in der Branche in Verruf geraten, nachdem der zur Unternehmensgruppe gehörende Zulieferer Prevent 2016 durch einen Lieferstopp die Bänder bei VW für mehrere Tage zum Stillstand gebracht hatte.
Eine Sperrminorität von Ningbo Jifeng könnte künftige Hastor-Attacken verhindern. Grammer muss nun darauf hoffen, dass dies die Abnehmer beruhigt. Denn in den vergangenen Monaten hat der Zulieferer die negativen Folgen des Hastor-Engagements deutlich zu spüren bekommen. Bereits die Zahlen für das zweite Quartal waren durch den Machtkampf belastet. Noch dramatischer aber sind die Folgen für das Neugeschäft, wie Grammer kürzlich offenlegte.
Grammer bei Folgegeschäft nicht mehr berücksichtigt
Der Automobilzulieferer berichtet, dass einige Premiumhersteller sich mit Neuaufträgen an Grammer zurückhalten – als Grund wurden dabei die „Entwicklungen in der Aktionärsstruktur“ genannt. Dieser Sorge dürfte Grammer nach der Ningbo-Jifeng-Aufstockung deutlich besser begegnen können.
Dennoch hat der Einstieg der Hastor-Familie bereits viel Schaden angerichtet: Ein laut Grammer wesentlicher globaler Folgeauftrag sei überraschend nicht eingegangen, musste das Unternehmen Mitte Oktober verkünden. Das Jahresziel für den Auftragseingang im Bereich Automotive werde Grammer daher „voraussichtlich deutlich verfehlen“. In den kommenden Jahren setzt sich die Belastung fort: Ab 2019/2020 hätten die nun nicht erzielten Aufträge für die Laufzeit einer Serienfertigung ein Jahresumsatzvolumen von rund 80 Millionen Euro repräsentiert – ein Betrag, den nun ein Wettbewerber einstreichen wird.
Grammer hält an Mittelfristprognose fest
Zudem belasten Entwicklungs- und Projektkosten, die nun nicht auf die geplanten Neuprojekte allokiert werden können, das operative Ergebnis des laufenden Geschäftsjahres. Grammer muss außerdem seine Kapazitäten anpassen. Die Belastung im aktuellen Geschäftsjahr liegt im Automotive-Bereich bei rund 10 Millionen Euro.
Auf mittlere Sicht ist Grammer trotz der Einbußen aber zuversichtlich: An seinen mittelfristigen Prognosen hält der Spezialist für Autoinnenräume fest. Die Marge, gemessen am operativen Ebit (Konzernergebnis vor Zinsen und Steuern ohne Währungs- und Sondereffekte) des laufenden Jahres, werde leicht über dem Vorjahreswert von 4 Prozent liegen, obgleich der Konzern durch die zusätzliche Belastung seine Zielmarke von 5 Prozent verfehlen wird.
Info
Mehr über Aktivistische Investoren wie die Hastor-Familie erfahren Sie auf unserer Themenseite.