Herr Lutz, seit April sind Sie CEO des Bioethanol-Produzenten CropEnergies, nachdem Sie zuvor neun Jahre Finanzvorstand waren. Eine Riesen-Umstellung für Sie?
Nicht wirklich, mein Wechsel verlief unspektakulär. Der Vorstand von CropEnergies bestand zuvor aus zwei gleichberechtigten Vorständen, mit Marten Keil als Chief Operating Officer und mir als CFO. Wir haben uns jeweils gegenseitig vertreten und gemeinsam entschieden. Daher kam ich mit allen betrieblichen Themengebieten in Berührung und musste sie verstehen. Umgekehrt war es natürlich genauso. Das hat den Schritt zum CEO bei mir sehr erleichtert.
Es ist doch für Sie bestimmt nicht alles so geblieben, wie es war.
Ich habe CropEnergies von Anfang an, also seit 2006, mit aufgebaut. So viel hat sich daher nicht verändert. Auch als CFO reicht es nicht, nur die Zahlen zu sehen. Man muss den Vorgang dahinter erfassen und neugierig sein, wieso sich die Zahl in diese Richtung bewegt. Und man darf keine Scheu haben, auch einmal einzugestehen, dass man zum Beispiel nicht das Detailwissen eines Werksleiters hat. Deshalb frage ich dann immer nach. Das ist für viele CFOs ein Problem.
Gab es einen Bereich, der Ihnen besonders geholfen hat, Ihren Blick über den Horizont eines klassischen CFO hinaus zu erweitern?
Ja, das Risikomanagement war da sehr hilfreich.
Inwiefern?
Ich habe den Bereich gemeinsam mit meinem jeweiligen Vorstandskollegen seit 2006 aufgebaut. Da habe ich alle Risiken und was ein Unternehmen als Ganzes ausmacht, kennengelernt. Also den Einkauf und Verkauf, die Produktion, auch die Politik. Die Themen gingen ganz klar über die Grenzen eines klassischen CFOs hinaus. Das Risikomanagement ist für mich eine wichtige Plattform, denn da sieht man genau, was im Unternehmen funktioniert, was nicht und was den Markt treibt. Das war eine ideale Vorbereitung.
CropEnergies-CEO Joachim Lutz: „Es geht wieder aufwärts“
Was hat sich als CEO an Ihrem Aufgabenportfolio dann konkret geändert?
Als CEO muss man mehr Überzeugungsarbeit leisten, vor allem in der externen Kommunikation, zum Beispiel in Government Relations. Wir arbeiten im Markt der erneuerbaren Energien und unser Produkt Bioethanol ist erklärungsbedürftig. Dort helfen mir aber meine Erfahrungen aus dem Bereich Investor Relations, den ich ja bereits seit langem verantworte.
Können Sie Ihre CFO-Expertise noch anderswo einbringen?
Die Finanzerfahrung hilft mir beim strukturierten Denken. Vor CropEnergies habe ich 7 Jahre als Banker gearbeitet und dann 14 Jahre lang die Finanzabteilung von Südzucker geleitet. Ich sehe Vorgänge und habe gelernt, rasch zu überschlagen, wie sich das in Zahlen ausdrückt. Schnell zu erkennen, wie sich Vorgänge in der Kasse auswirken, ist hilfreich.
Zum Abschluss noch kurz zum Geschäft: Sie hatten immer wieder die wechselnden Beimischziele von Biosprit aus konventionellen Biokraftstoffen wie beispielweise Bioethanol aus Getreide beklagt. Vor wenigen Monaten hat sich die EU auf 7 Prozent festgelegt. Zufrieden?
Wir erzeugen Bioethanol nicht aus Brotgetreide, wie manche meinen, sondern aus Futtergetreide, das geringere Qualität hat, und Zucker aus Überproduktion. Alle Proteine aus dem Getreide gehen wieder in den Futtertrog zurück. Das ist wichtig, denn es wird oft übersehen, dass bei unserer Bioethanolherstellung faktisch keine Konflikte um Rohstoffe entstehen.
Mit den neuen Beimischungszielen und der Bestätigung, dass Energiewende auch auf der Straße stattfinden muss, ist es wieder möglich, bis 2020 nachhaltig zu planen. Das tut uns gut nach den langen Diskussionen und dem besonders schwierigen Geschäftsjahr 2014/15. Damals waren die Bioethanolpreise stark gefallen und teilweise sogar billiger als Benzin. Das hat auch CropEnergies in die Verlustzone gedrückt. Aber seit ein paar Monaten geht es wieder aufwärts.
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Weitere Informationen zu Joachim Lutz‘ Karriereweg und wie CFOs sich auf die CEO-Position vorbereiten können, erfahren Sie im neuen FINANCE-Magazin, das am kommenden Freitag erscheint.
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Jakob Eich ist Redakteur der Fachzeitungen FINANCE und DerTreasurer des Fachverlags F.A.Z Business Media, bei dem er auch sein Volontariat absolviert hat. Eich ist spezialisiert auf die Themen Digitalisierung im Finanzbereich und Treasury. Durch seine Zwischenstation bei der Schwesterpublikation „Der Neue Kämmerer“ ist der 1988 geborene Journalist auch versiert beim Thema Kommunalfinanzen. Erste journalistische Erfahrungen hat der gebürtige Schleswig-Holsteiner in den Wirtschaftsmedien von Gruner+Jahr sowie in der Sportredaktion der Hamburger Morgenpost gesammelt.