Vor kurzem ist bekannt geworden, dass die Eigentümer des Immobilienriesen IVG einen Exit bei der Büroimmobilien-Tochter Officefirst anstreben. Das Konsortium aus 30 Finanzinvestoren und Hedgefonds prüft offenbar zwei Wege gleichzeitig, um dieses Ziel zu erreichen: Den direkten Verkauf oder einen Börsengang.
Dieses Verfahren ist auch als „Dual Track“ bekannt. Bekannte Beispiele sind die Weiterverkäufe des Wurstpellenherstellers Kalle und des Dämmstoffherstellers Armacell, bei denen parallel auch IPOs vorbereitet wurden.
Für das Unternehmen und dessen Eigentümer hat ein Dual-Track-Verfahren den Vorteil, dass sie so den maximalen Unternehmenswert erzielen können. „Der Verkäufer schafft durch das Verfahren einen erhöhten Wettbewerb. Es kann sich dann anschauen, auf welchem Wege es den höchsten Preis erzielt“, sagt Jörg Kirchner von der Kanzlei Kirkland & Ellis.
Doch wenn das zweigleisige Verhandeln den Preis automatisch in die Höhe triebe, würden alle Unternehmen darauf zurückgreifen: „Natürlich müssen beide Varianten realistisch sein, um eine echte Wettbewerbssituation herzustellen“, sagt Benjamin Leyendecker-Langner, ebenfalls von Kirkland & Ellis.
Private Equity setzt auf Dual-Track-Verfahren
Der Verkauf steht grundsätzlich jedem Unternehmen zur Verfügung, der IPO gestaltet sich für viele Unternehmen indes schwieriger: „Der IPO-Kandidat braucht eine überzeugende Equity-Story, die dem Kapitalmarkt gefällt. Die Wachstumsaussichten müssen gut sein“, sagt Leyendecker-Langner. Zudem müsse das Unternehmen auch im Übrigen kapitalmarktfähig sein. Dazu gehört dem Experten zufolge eine Nettoverschuldung, die nach der IPO-Kapitalerhöhung nicht erheblich über dem 4-fachen des Gewinns vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (Ebitda) liegt.
Insbesondere Private-Equity-Investoren setzen auf Dual Tracks, um die lukrativste Variante auszuloten. Tendenziell bevorzugen sie den direkten Verkauf gegenüber einem IPO. „In der Regel wollen sie das Unternehmen als Ganzes veräußern. Bei einem Börsengang ist nur ein Ausstieg auf Raten möglich,“ sagt Leyendecker-Langner. Die Investoren müssten sich regelmäßig verpflichten, mindestens sechs Monate involviert zu bleiben. In dieser Zeit kann der Aktienkurs fallen. Zudem verlangen institutionelle Anleger regelmäßig ein moderates Pricing. Dieser sogenannte IPO-Discount kann Private Equity Investoren abschrecken.
Die Kosten sind beim Dual Track beachtlich. Wenn das Unternehmen spät aus dem IPO-Track aussteigt, liegen die zusätzlichen Kosten bei etwa 1,5 Millionen Euro, schätzen die Experten. Der M&A-Track kann je nach Komplexität des Verkaufsprozess auch einen zweistelligen Millionenbetrag kosten.
Aber nicht nur finanziell kommt auf CFOs einiges zu: „Die Verkäufer sollten den Zeitaufwand auf keinen Fall unterschätzen. Sie müssen mit interessierten Käufern verhandeln und stets zur Verfügung stehen“, sagt Jörg Kirchner. „Gleichzeitig geht es für den Börsengang auf Roadshow und das Unternehmen muss den IPO-Prospekt erstellen.“ Hinzu kommen die zum Teil hohen Honorare für die Berater. „Je mehr Berater, desto teurer wird es“, sagt Kirchner.
Grundsätzlich lohne es sich für jedes börsenfähige Unternehmen, beide Varianten zu testen. „Einige Verkäufer stellen dann fest, dass das Unternehmen im M&A-Track höher bewertet wird als im IPO-Track. Sie können sich schnell auf die lukrativere Variante konzentrieren“, sagt Kirchner. Eine frühe Entscheidung spart also Kosten.
CFOs können Entscheidung lange herauszögern
Das Dual-Track-Verfahren kann sich hinziehen, auch darauf müssen CFOs sich einstellen. Ein prominentes Beispiel ist die Parfürmerie-Kette Douglas. Im vergangenen Frühjahr hatte der Konzern an einem Freitag erklärt, an die Börse gehen zu wollen. Am darauffolgenden Montag dann die Rolle rückwärts: CVC kaufte Douglas, der IPO war vom Tisch. Offenbar hatte der Finanzinvestor seine Offerte noch einmal nachgebessert. Die Alternative des Börsengangs hatte den Druck erhöht.
Ob eine solch plötzliche Kehrtwende dem Ruf eines Unternehmens schaden könnte? Nein, meint Leyendecker-Langner, der auch bei Douglas involviert war. Grundsätzlich sei das nichts Ungewöhnliches. „Erst wenn die Research-Reports vorliegen und Gespräche mit potentiellen Investoren geführt worden sind, ist eine realistische Bewertung des IPO-Tracks möglich." Das passiere erst wenige Wochen vor dem eigentlichen Angebot.
Theoretisch könne man sich auch zu einem späten Zeitpunkt doch noch für einen Verkauf entscheiden. „Bis zur Bekanntgabe des Pricings ist das theoretisch noch möglich“, sagt Leyendecker-Langner. Die aufgelaufenen Kosten könnten dann gegebenenfalls durch einen höheren Kaufpreis wieder ausgeglichen werden. Allerdings bestehe in diesem Fall die Gefahr, die IPO-Investoren zu verärgern, was gerade bei Finanzinvestoren als Verkäufer für ähnliche Projekte schlecht sein könne.
Jakob Eich ist Redakteur der Fachzeitungen FINANCE und DerTreasurer des Fachverlags F.A.Z Business Media, bei dem er auch sein Volontariat absolviert hat. Eich ist spezialisiert auf die Themen Digitalisierung im Finanzbereich und Treasury. Durch seine Zwischenstation bei der Schwesterpublikation „Der Neue Kämmerer“ ist der 1988 geborene Journalist auch versiert beim Thema Kommunalfinanzen. Erste journalistische Erfahrungen hat der gebürtige Schleswig-Holsteiner in den Wirtschaftsmedien von Gruner+Jahr sowie in der Sportredaktion der Hamburger Morgenpost gesammelt.