Stromautark – das BASF-Werk in Ludwigshafen hat es geschafft: Der Stammsitz des Chemieunternehmens deckt seinen jährlichen Strombedarf von 6,3 Millionen Megawattstunden seit 2008 komplett selbst. Mit drei Kraftwerken, in die BASF einen dreistelligen Millionenbetrag investierte, produziert das Werk außerdem einen Großteil der benötigten 18,4 Millionen Tonnen Dampf mit eigenen Anlagen. Auch BMW will unabhängig von Energieversorgern werden: Der Automobilhersteller baut derzeit vier Windräder auf dem Werksgelände in Leipzig. Sie sollen die Produktion des neuen Elektroautos BMW i3 ab 2013 vollständig mit Strom versorgen. Wettbewerber Daimler hat den 2011 eingeweihten Standort Kuppenheim für 2,5 Millionen Euro mit einer Photovoltaik-Anlage auf dem Dach der Produktionshalle ausgestattet. Sie versorgt das Presswerk mit 1000 Megawattstunden Strom im Jahr. Dies entspricht 10 Prozent des gesamten Strombedarfs.
Die drei DAX-Unternehmen sind keine Einzelfälle: Gerade in energieintensiven Branchen wie Chemie, Papier und Metall wird die energetische Selbstversorgung zunehmend wichtiger. Laut dem Bundesverband Kraft-Wärme-Kopplung erzeugten Industrieunternehmen 2011 etwa 20 Prozent ihres Stroms selbst – Tendenz steigend. Am häufigsten setzen die Unternehmen dabei Kraft-Wärme-Kopplung (KWK) ein. 2002 produzierte die Industrie mit eigenen KWK-Anlagen 23 Terrawattstunden Strom, 2010 waren es schon 27,2 TWh. Das ergab eine Prognos-Studie im Auftrag der Bundesministerien für Wirtschaft und für Umwelt. Mit erneuerbaren Energien arbeitet die Industrie hingegen seltener. Denn wenn der Wind nicht weht oder die Sonne nicht scheint, müssen Unternehmen trotzdem produzieren – doch kostengünstige, große Speicherlösungen fehlen derzeit noch.
Strom und Wärme aus Produktionsabfällen
Die KWK-Technologie ist deshalb so attraktiv, weil sie Strom und Wärme in einem einzigen Prozess erzeugt. Durch die Verbrennung von Brennstoffen entsteht Strom und – als Nebenprodukt – Abwärme. Diese Wärme können Unternehmen kanalisieren und für Schmelz-, Lackier- oder andere hitzebedürftige Prozesse verwenden. Der Bedarf an Primärenergie sinkt so um 10 bis 30 Prozent gegenüber konventionellen Kraftwerken. Damit erreichen KWK-Anlagen hohe Wirkungsgrade von 80 bis 90 Prozent. Hier verbergen sich enorme Einsparpotenziale für alle Branchen, die sowohl Strom als auch Wärme für ihren Produktionsprozess benötigen. Ein weiteres Plus: KWK-Anlagen lassen sich sowohl mit fossilen Brennstoffen als auch mit erneuerbaren Energien betreiben. Welcher Brennstoff am sinnvollsten ist, hängt von der Branche ab: In der Papier- oder der Nahrungsmittelindustrie fallen Holz und Biomasse häufig als Produktionsabfälle an oder werden von Lieferanten mit angeboten: Kostengünstiger als mit KWK lässt sich Strom für diese Unternehmen daher kaum beziehen.
Differenz zwischen Brennstoff- und Strompreis entscheidend
Die Technik ist nicht neu. KWK-Anlagen gab es schon in den 1990ern – die Energiewende macht sie nun aber für eine breite Mehrheit an Unternehmen finanziell attraktiv. Denn die Angst vor steigenden Strompreisen und Versorgungsunsicherheit treibt die Konzerne um. „Immer mehr Unternehmen suchen deshalb nach Alternativen, um unabhängiger von externen Energieversorgern zu werden. KWK kann eine Lösung sein“, sagt Gerald Menzler, Energieberater vom Verband der Industriellen Energie- und Kraftwirtschaft (VIK). Doch Vorsicht: Ein hoher Strompreis allein heißt noch nicht, dass sich eine KWK-Anlage auch rentiert. Entscheidend für die Wirtschaftlichkeit eines solchen Kraftwerks ist vielmehr die Spreizung zwischen dem Strom- und dem Brennstoffpreis. Denn das Unternehmen benötigt weniger Strom, aber mehr Brennstoff – auch wenn es diesen effizienter nutzen kann. Die meisten Branchen verwenden daher Erdgas. Denn während der Strompreis in den vergangenen Jahren kletterte, wurde Erdgas preiswerter. Wichtig ist aber auch, dass eine Anlage richtig dimensioniert ist. „Je länger eine Anlage voll ausgelastet arbeitet, desto schneller amortisiert sie sich“, sagt Klaus Gründler, von der Energieunternehmensberatung Wiro. Ist sie zu klein, muss ein Unternehmen viel Strom hinzukaufen. Das kann teurer werden als in einem Vollversorgungsvertrag. Ist sie zu groß, muss ein Unternehmen sie häufig abschalten. Auf dem KWK-Prinzip basierende Kraftwerke sind in allen Größen zu haben: Mittelgroße Blockheizkraftwerke, die bis zu 2 Megawattstunden elektrische Energie erzeugen, erfordern Investitionen in Höhe von 1,3 Millionen Euro. Große Gas- und Dampfturbinen, die mehrere hundert Megawattstunden erreichen, sind deutlich teurer: BASF zahlte für seine jüngste Anlage, die 2005 ans Netz ging, 240 Millionen Euro.
In vielen Fällen lohnen sich die hohen Summen: Eine Studie unter der Leitung des Bremer Energie Instituts hat berechnet, dass es allein für Unternehmen in Nordrhein-Westfalen wirtschaftlich wäre, ihre Eigenstromproduktion von 6,2 TWh in 2008 auf 27 TWh bis 2030 auszubauen. Insbesondere die Ernährungs-, Papier- und Metallbranche sollten laut der Studie die Wirtschaftlichkeit von KWK-Anlagen prüfen – sie attestiert hier weiteres Einsparpotenzial.