Das neue Insolvenzrecht, das durch das Gesetz zur Erleichterung der Sanierung von Unternehmen (ESUG) eingeführt wurde, hat sich in der Praxis etabliert. Allerdings gibt es an einigen Stellen Verbesserungsbedarf, wie eine aktuelle „ESUG-Studie“ von Roland Berger und der Wirtschaftskanzlei Noerr zeigt. Dafür wurden immerhin 2.100 Gläubiger, Insolvenzverwalter, Rechtsanwälte, Richter, Investoren und Berater befragt. Rund 90 Prozent der Befragten sehen ihre Erwartungen zumindest teilweise erfüllt, auch wenn fast zwei Jahre nach Inkrafttreten des ESUG die Reformen weiterhin kontrovers diskutiert werden.
Der Anteil von Anträgen auf Eigenverwaltung ist der Studie zufolge bei Unternehmensinsolvenzen in Deutschland weiterhin gering, auch wenn in der Tendenz leicht steigend. Bisher haben vor allem Gläubiger (46 Prozent) und Insolvenzverwalter/Sachwalter (32 Prozent) die Neuregelungen des ESUG angewendet. Die meisten Erfahrungen wurden dabei vor allem mit der vorläufigen Eigenverwaltung (86 Prozent), dem Schutzschirmverfahren sowie dem vorläufigen Gläubigerausschuss (jeweils 80 Prozent) gemacht. Immerhin 63 Prozent der Befragten haben inzwischen auch mit Debt-to-Equity-Swaps Erfahrungen gesammelt.
Schutzschirmverfahren gefragt
Besonders das Schutzschirmverfahren erfährt als neues Instrument einen relativ regen Zuspruch. Das Verfahren erlaubt es Unternehmen, die Sanierung drei Monate lang ohne Zugriff der Gläubiger vorzubereiten, wenn das Unternehmen noch nicht zahlungsunfähig ist. Mittelständische Unternehmen wie Neumayer Tekfor, Centrotherm und Solarwatt hatten sich 2012 bereits unter den Schutzschirm gerettet. 2013 waren sogar rund ein Drittel der beantragten Eigenverwaltungen auch gleichzeitig Schutzschirmverfahren. Eigenverwaltungen, die als Schutzschirmverfahren begonnen wurden, wurden nach Angaben der Studienteilnehmer häufiger und schneller erfolgreich beendet, im Gegensatz zu vorläufigen Eigenverwaltungen. Allerdings bemängelt mehr als die Hälfte der Befragten die Komplexität in der Antragstellung zur Eigenverwaltung – vor allem durch hohe Rechtsunsicherheit und umfangreiche Dokumentationspflichten. Im vergangenen Jahr forderte der Restrukturierungsverband TMA deswegen Nachbesserungen.
ESUG: Gläubiger, Richter und Investoren fühlen sich schlecht informiert
Gerade Gläubiger, Richter und Investoren fühlen sich über die einzelnen Neuregelungen immer noch schlecht informiert. Insbesondere Gläubiger stehen dem neuen Insolvenzrecht oft kritisch gegenüber und verweigern nicht selten die Zustimmung zur Eigenverwaltung. „Das liegt in erster Linie an der mangelnden Erarbeitung eines schlüssigen Sanierungskonzepts“, erklärt Roland-Berger-Partner Oliver Räuscher. „Die meisten Unternehmen schaffen es einfach nicht, bei der Antragstellung auf Eigenverwaltung ein vollständiges Sanierungskonzept vorzulegen. Und das verunsichert die Gläubiger.“
Info
Das ESUG ist seit 1. März 2012 in Kraft. Seitdem sind vorläufige Eigenverwaltungsverfahren, ein Schutzschirmverfahren, ein Debt-to-Equity-Swap und die Einrichtung eines vorläufigen Gläubigerausschusses möglich. Inzwischen wurden bereits einige zahlreiche prominente Insolvenzverfahren unter dem ESUG initiiert. Dazu gehören unter anderem Pfleiderer, Centrotherm, Loewe, Walter Services, Centrosolar und IVG.
Sabine Paulus ist seit 2008 Redakteurin beim Fachmagazin FINANCE und der Online-Publikation DerTreasurer. Ihre Themenschwerpunkte sind Personal, Organisation, Karriere und Finanzierung. Sie ist M.A. und hat an der Universität Konstanz unter anderem das Hauptfach Deutsche Literatur studiert.