Kreditech hat zwar seinen Sitz in Deutschland, betreibt sein Kreditgeschäft aber in fünf ausländischen Märkten. Fintechs wie Kreditech sagen oft, dass sie den klassischen Banken Marktanteile abnehmen wollen, sowohl im Firmenkundengeschäft als auch im Retail-Markt. Haben Sie diesen Anspruch auch?
Bei uns ist die Lage etwas anders. Unsere operativen Kernmärkte sind Polen, Spanien, Tschechien, Russland und Mexiko. Dort vergeben wir Kredite vorwiegend an Privatpersonen, die nicht auf klassische Bankenkredite zugreifen können. Deswegen sind wir explizit keine direkten Wettbewerber für die Banken, sondern erweitern den Markt auf die sogenannten „Underbanked“. Unabhängig von Kreditechs spezifischem Fokus glaube ich aber schon, dass die Situation für Banken schwieriger wird.
Manche sprechen schon perspektivisch von einer Finanzwelt ganz ohne Banken. Können Sie sich das vorstellen?
Ich bin kein Freund dieses mitunter praktizierten Banken-Bashings. Viele Fintechs haben zurzeit noch Umsatzzahlen im einstelligen Millionenbereich. Ich halte es für vermessen, wenn solche Unternehmen von sich sagen, dass sie die Banken vom Markt fegen werden. Unbestritten stehen viele Banken vor großen Herausforderungen, da sie im Gegensatz zu vielen neuen Wettbewerbern ein Filialnetz und andere hohe Fixkosten unterhalten müssen. Ich denke, dass eine Kooperation zwischen Fintechs und Banken der sinnvollere Weg ist.
Fintech-CFO Griemens: Anspruch an Präzision durchsetzen
Sie sind bei Kreditech nicht nur mit der Finanzierung betraut, sondern haben in den vergangenen Jahren auch die interne Finanzabteilung aufgebaut. Wie sind Sie aufgestellt?
Wir sind zurzeit etwa 20 Kollegen in der Finanzabteilung, suchen aber noch weitere. Wir arbeiten in einem Spannungsfeld: Die Mitarbeiter müssen den gleichen Anspruch an Präzision haben wie in einer etablierten Bank, allerdings erfordert der weitere Ausbau unserer internen Prozesse auch eine Begeisterung für Veränderungen und Verbesserungen. Der Job als Finanzer im Fintech ist daher geeignet für diejenigen, die Herausforderungen lieben.
Welche Eigenschaften sind bei der Arbeit in einem Start-up denn gefragt?
Die Finanzabteilung muss sorgfältig arbeiten, und sie muss diese Sorgfalt im Reporting auch von den anderen Abteilungen einfordern. Das Reporting steht in deren Beliebtheitsskala nicht unbedingt ganz oben. Als Finanzer sollte man zudem ein gutes Auge für Strukturen mitbringen, denn die müssen in jungen Unternehmen, die schnell wachsen, aufgebaut und fortlaufend angepasst werden. Für mich machen gerade diese Gestaltungsmöglichkeiten den Reiz an der Arbeit in einem Start-up aus.
In der Vergangenheit musste Kreditech Kritik für das Arbeitsklima und den Umgangston gegenüber Mitarbeitern einstecken. Der Mitgründer und damalige CEO Sebastian Diemer, der im Zentrum dieser Kritik stand, hat Ende 2015 seinen Posten geräumt.
Wir haben in den vergangenen Monaten stark an unserer Unternehmenskultur und an der Mitarbeiterentwicklung gearbeitet. Der Geschäftsführerwechsel war für uns der Anfangspunkt einer substantiellen Veränderung, die für das neue Führungsteam allerhöchste Priorität hat. Seitdem hat sich der Umgang mit den Mitarbeitern deutlich professionalisiert und die Stimmung ist insgesamt gut.
Info
Kreditech ist eines der bekanntesten deutschen Fintechs, steht aber bei Daten- und Verbraucherschützern auch immer wieder in der Kritik. Einen Einblick in seinen Alltag als CFO in dem Startup gibt Rene Griemens in der aktuellen FINANCE-Ausgabe, die Sie hier als e-Paper herunterladen können.
Alles über den Werdegang des Finanzchefs finden Sie im CFO-Almanach FINANCE-Köpfe auf der Seite zu Rene Griemens.
Wie sich Banken und Unternehmen gegenüber den neuen Wettbewerbern aus der Startup-Szene positionieren, lesen Sie auf unserer Themenseite über Fintech-Strategien.