Der demografische Wandel ist schon seit vielen Jahren bekannt und unabwendbar. Über die Hälfte der deutschen Unternehmen spüren sogar schon erste demografische Veränderungen wie eine alternde Belegschaft oder einen Fach- und Führungskräftemangel, der auch in der Finanzabteilung ein heiß diskutiertes Thema ist. Unternehmen suchen mitunter händeringend nach den richtigen Kandidaten. Ein Viertel der deutschen CFOs will die Finanzabteilungen ihrer Unternehmen in diesem Jahr sogar personell ausbauen – keine leichte Aufgabe angesichts der derzeitigen Entwicklungen.
Dennoch hat erst ein Drittel der Unternehmen aktiv demografiebezogene Maßnahmen geplant oder umgesetzt. Das zeigt eine aktuelle Studie von Towers-Watson, in deren Rahmen HR- und Demografieverantwortliche aus 116 Unternehmen mit insgesamt rund 700.000 Mitarbeitern in Deutschland und Österreich befragt worden sind. „Es gibt derzeit viele Unternehmen, die vom demographischen Wandel überrascht werden“, sagt Reiner Schwinger, Managing Director bei Towers Watson bei der Vorstellung der Studie am Donnerstag in Frankfurt am Main. Ein Drittel der Unternehmen sammelt sogar jetzt erst Informationen, um dem demografischen Wandel zu begegnen. „Die Unternehmen sollten schon deutlich weiter in der Umsetzung sein. Sie müssen unmittelbar handeln, da viele HR-Maßnahmen erst mit einer gewissen Vorlaufzeit Wirkung zeigen“, sagt Schwinger weiter. Eine stärkere Zuwanderung oder eine längere Lebensarbeitszeit könnten die Folgen des demografischen Wandels nur lindern, aber nicht lösen. „Unternehmen müssen sich über andere Maßnahmen Gedanken machen“, ist Schwinger überzeugt.
Mit Talent Management dem demografischen Wandel begegnen
Die Teilgruppe der Unternehmen, die Maßnahmen schon geplant oder umgesetzt haben, beginnen mit einer strategischen Personalplanung (78 Prozent) bzw. Mitarbeiterbestandsanalysen (81 Prozent). Auf Basis dieser Daten haben die Firmen vor allem Talent-Management-Maßnahmen und Employer-Branding-Kampagnen (je 89 Prozent) entwickelt, aber auch Personalentwicklungsprogramme (bei 86 Prozent) konzipiert und implementiert. Die Großunternehmen aus DAX und MDAX haben schon vor zehn Jahren damit angefangen, ihre Mitarbeiter über Talent-Management-Programme zu fördern und bei der Karriereplanung zu helfen. „Doch erst 10 bis 20 Prozent der mittelständischen Unternehmen beschäftigen sich damit “, sagt Olaf Lang, Leiter der HR-Managementberatung bei Towers Watson – und das obwohl mehr als 80 Prozent der befragten Unternehmen im Talent Management und der Nachfolgeplanung die größten Risiken sehen. Hier herrscht also noch deutlicher Nachholbedarf bei den Unternehmen. Denn gerade für Finance-Mitarbeiter hat die Karriereentwicklung einen höheren Stellenwert als für den durchschnittlichen Mitarbeiter. Ein betriebliches Gesundheitsmanagement haben fast drei Viertel der Unternehmen umgesetzt. Das lohnt sich, denn Studien belegen, dass dadurch die Produktivität steigt, Kosten sinken und Fachkräfte länger im Unternehmen bleiben.
Um die Mitarbeiter an das Unternehmen zu binden, setzten Firmen zudem auch auf eine betriebliche Altersvorsorge. Der Towers-Watson-Studie zufolge haben mehr als zwei Drittel der Unternehmen solch ein Vorsorgemodell schon institutionalisiert, 7 Prozent planen es einzuführen. Die Finanzierung solcher Modelle sollte aus Sicht der meisten Unternehmen (82 Prozent) gemeinsam von Unternehmen und Mitarbeiter geschultert werden. Letztere sind dazu grundsätzlich auch bereit, glauben die Experten von Towers Watson. Doch auch für die Unternehmen sind mit der betrieblichen Altersvorsorge Zusatzkosten verbunden. „Die Kosten für die klassischen Rentenzusagen sind in den vergangenen Jahren deutlich gestiegen, in den vergangenen 20 Jahren in Einzelfällen sogar 100 Prozent“, erklärt Thomas Jasper, Leiter der bAV-Beratung bei Towers Watson. Zudem müssen die Firmen die Pensionszusagen trotz des derzeit niedrigen Zinsumfeldes auch halten – keine leichte Aufgabe.
Sabine Paulus ist seit 2008 Redakteurin beim Fachmagazin FINANCE und der Online-Publikation DerTreasurer. Ihre Themenschwerpunkte sind Personal, Organisation, Karriere und Finanzierung. Sie ist M.A. und hat an der Universität Konstanz unter anderem das Hauptfach Deutsche Literatur studiert.