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Firmenkundengeschäft: „Brexit belastet die Wachstumsinitiativen“

„Der Brexit bietet auch Chancen im Kapitalmarktgeschäft
Bain

Das Brexit-Votum hat die Märkte ins Chaos gestürzt. Zu den Verlierern gehörten vor allem Banken: Die Kurse britischer Häuser, aber auch die Aktien von Deutscher Bank und Commerzbank brachen zeitweise um zweistellige Prozentzahlen ein. Müssen sich CFOs Sorgen über die Stabilität ihrer Banken machen?
Nein, die deutschen Banken haben die Marktturbulenzen in den Tagen nach der Brexit-Entscheidung gut verdaut. Ihre Risikomanagementsysteme haben funktioniert, wie die Finanzaufsicht Bafin gerade betont hat. Kurzfristig gab es also keine Probleme. Der Verfall der Aktienkurse ist vielmehr Ausdruck von Unsicherheit im Markt, gepaart mit einer ohnehin schwierigen Gemengelage im Banking: Niedrigzinsen, Regulierung und steigender Wettbewerb drücken auf die Profitabilität. Mit dem Brexit kommt nun ein weiterer Belastungsfaktor hinzu.

Und mittelfristig? Wie sehr wird sich der Brexit da in den Bilanzen der deutschen Banken bemerkbar machen?
Das hängt natürlich davon ab, wie der Austritt Großbritanniens aus der EU ablaufen wird: Kommt es zum harten Ausstieg, was ich mir persönlich nicht vorstellen kann, oder gibt es ein abgemildertes Szenario, bei dem Großbritannien einen weitgehenden Zugang zum europäischen Binnenmarkt behält? Doch selbst im Falle des harten Szenarios dürften die Konsequenzen überschaubar bleiben. Die Geschäftsaktivitäten der deutschen Banken mit britischen Privat- und Firmenkunden sind nicht sehr hoch, und das britische Pfund macht über alle deutschen Banken hinweg weniger als 1 Prozent ihres Exposures aus. Insofern gibt es keinen Grund zur Sorge. Im Gegenteil: Ich sehe auch Chancen.

Das müssen Sie erklären.
Die heftigen Turbulenzen an den Währungsmärkten dürften zum Beispiel dazu führen, dass Unternehmen ihre Hedging-Aktivitäten verstärken. Das eröffnet den Banken Ansatzpunkte im Firmenkundengeschäft. Zudem steigt die Marktvolatilität. Davon könnte das Kapitalmarktgeschäft der Banken profitieren.

Walter Sinn: EZB-Kaufprogramm mildert Brexit-Effekt ab

Dafür sind die Anleihemärkte wegen der Unsicherheit weitestgehend ausgetrocknet, am Primärmarkt ging zuletzt so wie gar nichts. Das schadet dem DCM-Geschäft der Banken.
Das stimmt. Hier bleibt abzuwarten, wie schnell wieder Dynamik in die Märkte kommt. Das EZB-Kaufprogramm für Corporate Bonds wird in diesem Zusammenhang den Brexit-Effekt abmildern.

Der Brexit trifft nicht alle deutschen Banken gleich stark. Vor allem Institute, die wie die Deutsche Bank nennenswerte Investmentbanking-Aktivitäten in London betreiben, stehen nun im Fokus. Rechnen Sie damit, dass diese Banken ihre Aktivitäten aus London abziehen und nach Frankfurt verlagern?
Zu einzelnen Instituten möchte ich nichts sagen. Generell ist jedoch klar, dass sich Banken, die aus London heraus den europäischen Markt bedienen, Gedanken machen müssen, wie es nun weitergeht. Das gilt für deutsche Institute ebenso wie für britische oder auch US-amerikanische. Unabhängig davon, wie der Brexit ausgestaltet wird, er schwächt den Finanzplatz London vor allem in puncto EU-Finanzgeschäfte.

Und wird dann Frankfurt die Stadt der Wahl sein oder sind Paris, Dublin und Luxemburg die Brexit-Gewinner?
Vertreter all dieser Finanzplätze unternehmen bereits kräftige Lobbying-Anstrengungen in London und auch in Brüssel, der Wettbewerb ist eröffnet. Ich denke, dass Frankfurt als Sitz der Europäischen Zentralbank eine gute Chance hat, insbesondere weitere Kapitalmarktaktivitäten anzuziehen.

Brexit: Offensiven britischer Banken könnten Schwung verlieren

Im deutschen Firmenkundengeschäft mischen auch britische Banken mit. Was bedeutet der Brexit-Entscheid für ihre hiesigen Aktivitäten und Wachstumsambitionen?
Die britischen Banken sind nun mit großen Herausforderungen im Heimatmarkt konfrontiert. Daher sehe ich schon die Gefahr, dass internationale Wachstumsstrategien nicht mehr mit ganz so viel Schwung verfolgt werden können wie zuletzt. Klar ist: Wer im Firmenkundengeschäft wachsen will, muss mehr Kredite vergeben, und die binden Kapital. Und das wird knapper, wenn der Heimatmarkt schwächelt. Hinzu kommt die rechtliche Komponente: Wer in Deutschland keine Vollbanklizenz hat, muss nach einem EU-Austritt Großbritanniens zukünftig die organisatorischen und rechtlichen Rahmenbedingungen schaffen, um hierzulande tätig sein zu können. Das macht die Unsicherheit für manche Auslandsbanken heute noch größer.
 
desiree.backhaus[at]finance-magazin.de

Info

Alles zum Kampf der Banken um die Unternehmenskunden lesen Sie auf unserer FINANCE-Themenseite zum Firmenkundengeschäft. Mehr über die Folgen des britischen Votums für einen Austritt aus der EU lesen Sie auf unserer Themenseite zum Brexit.