Newsletter

Abonnements

Fitch-Chef Schmidt-Bürgel: „Sind offen für Mittelstandsanleihen“

Fitch Ratings

Hat das Finanzierungsinstrument Mittelstandsanleihe nach allem, was passiert ist, noch eine positive Zukunft?
Der Trend zur bankalternativen Finanzierung von Mittelständlern ist aus unserer Sicht absolut intakt. Natürlich hätten speziell die Mittelstandsanleihen ein Problem, wenn jetzt die Investoren weg blieben. Aber auch dann gäbe es Alternativen, zum Beispiel Pool-Lösungen aus einer Vielzahl verschiedener Mittelstandskredite.

Sie halten den Markt also für intakt. Er ist inzwischen rund 5 Milliarden Euro schwer, pro Jahr gibt es 20 bis 30 Neuemissionen – da ist viel Geld zu verdienen. Warum ist Fitch in diesem Markt nicht aktiv?
Fitch ist prinzipiell offen für alle Emittenten von Mittelstandsanleihen. Aber natürlich müssen auch deutsche Mittelständler unsere globale Ratingsystematik akzeptieren. Und diese impliziert, dass die meisten Mittelständler eben kein Investmentgrade-Rating bekämen. Hinzu kommt: Wir unterscheiden zwischen Unternehmens- und Emissionsratings.  Das heißt, es kann nicht automatisch vom Unternehmesrating auf das Emissionsrating zurück geschlossen werden.

War Fitch schon mit Emittenten von Mittelstandsanleihen im Gespräch?
Mit einigen sogar! Wir haben diesen Emittenten unsere Methodik erklärt und ihnen signalisiert, wie in etwa ihr Rating aussehen würde. Danach haben sie sich für eine andere Ratingagentur entschieden.

Womöglich auch aus Kostengründen.
Unsere Preisliste beginnt bei knapp über 60.000 Euro, und die meisten Emittenten von Mittelstandsanleihen lägen vermutlich nicht weit darüber. Das ist nicht so viel mehr als die Preise, die die kleineren Ratingagenturen unseren Informationen zufolge verlangen. Es wäre also absurd, wenn der Preis der Dealbreaker wäre. Wir haben eher den Eindruck, dass das Ratingergebnis der dominierende Faktor ist, Fitch nicht mit dem Rating zu beauftragen, gefolgt vom Thema Informationsanforderung. Viele Emittenten von Mittelstandsanleihen sind kleinere und häufig stark fokussierte Unternehmen und damit meist anfälliger gegenüber externen Schocks. Das bedeutet, dass unsere Analysten sehr nah am Emittenten dran sein müssen, um auf mögliche Veränderungen kurzfristig reagieren zu können. 

Jens Schmidt-Bürgel: „Kein Reputationsrisiko für Fitch“

Aus Reputationsgründen würden Sie das Mittelstandssegment nicht meiden?
Nein, warum auch? Unsere gute Reputation beruht darauf, dass unsere Ratings kongruent sind mit den späteren Ausfallraten und über den Zyklus nicht stark schwanken. Das ist das Ergebnis einer erprobten globalen Ratingsystematik, und wenn wir die auch im Mittelstandssegment anwenden würden, könnte ich keine Reputationsrisiken für unser Haus erkennen.       

Würde es die Reputation des Segments bei den Investoren stärken, wenn künftig auch die großen drei Agenturen Fitch, Moody’s und S&P Mittelstandsanleihen raten würden?
Möglicherweise bei den semi-professionellen Investoren, die in Mittelstandsanleihen investieren und bei denen es nicht so stark auf Sekundärmarktliquidität ankommt. Die großen Investoren meiden das Segment aber nicht wegen der Ratings, sondern weil die Anleihen für sie schlicht und einfach nicht liquide genug sind. Ein Rating von Fitch würde daran nichts ändern.

Die kleinen Agenturen behaupten, Ihre Art zu raten sei nicht kompatibel mit den Mittelständlern, die am Mini-Bondmarkt agieren.
Das ist doch kein valides Argument. Unser Anspruch ist globale Vergleichbarkeit. Größe, Internationalität und Diversifikation eines Unternehmens sind wichtige Ratingfaktoren. Warum sollten wir das bei deutschen Mittelständlern oder irgendeiner anderen Emittentengruppe anders bewerten? Ich glaube, die Emittenten von Mittelstandsanleihen und ihre Bankpartner setzen sich selbst zu sehr unter Druck.

Das müssen Sie erklären.
Viele Emittenten haben ein anderes Verständnis vom Kapitalmarkt als wir oder die internationalen Investoren. Was ist denn schlimm daran, wenn man ein spekulatives Rating hat? Burger King hat ein Einfach-B-Rating, Dell ein Doppel-B.  Wenn ich mir die Konditionen der meisten Mittelstandsanleihen ansehe, kann ich die Furcht vor einem spekulativem Rating noch weniger nachvollziehen. Die Kupons der meisten Mittelstandsanleihen reflektieren ja Einfach-B-Ratings. Wenn man das spekulative Rating ohnehin bezahlt, warum schreibt man es dann nicht ehrlicherweise auf die Anleihe drauf?  

michael.hedtstueck(*)finance-magazin(.)de

Info

Ausführliche Interviews mit den Chefs der vier im Geschäft mit Mittelstandsanleihen dominierenden Ratingagenturen Creditreform, Scope, Euler Hermes und Feri sowie Hintergründe zu den offenen Konflikten zwischen Unternehmen und ihren Ratingagenturen finden Sie auf unserer Themenseite zu Mittelstands-Ratings.