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Hamburger SV will Schulden restrukturieren

Kein Klub ist länger in der Bundesliga als der Hamburger SV. Aber die Schuldenlast aus der Vergangenheit droht den Klub zu zerreißen, wenn es Finanzchef Frank Wettstein nicht gelingt, die Fälligkeiten der Verbindlichkeiten zu strecken.
picture alliance/GES Sportfoto

Herr Wettstein, der Hamburger SV weist im Konzern aktuell 22,5 Millionen Euro Eigenkapital bei einer Bilanzsumme von rund 140 Millionen Euro aus. Der nächste Jahresverlust wird wieder an Ihrer Eigenkapitaldecke nagen. Braucht der HSV noch mehr frisches Kapital von außen, für die Bilanz oder sogar für die Sicherstellung der Liquidität und damit auch der Lizenz?
Weder die Liquidität noch die Lizenz sind gefährdet. Dennoch ist eines unserer Ziele die Verbesserung der Kapitalstruktur. Wir arbeiten daher auch an der Ausgabe von neuem Kapital. Ich erwarte, dass wir diese in Kürze vollziehen.

Muss Ihr Dauergeldgeber Klaus-Michael Kühne wieder ran?
Zu Namen äußere ich mich nicht. Aber richtig ist, dass wir unser Kapital mit Hilfe des privaten Umfelds des HSV stärken wollen. Wir wollen unseren Aktionärskreis auf eine breite Basis stellen, so dass kein einzelner Investor eine Sperrminorität ausüben kann, wie das bei manchen Klubs der Fall ist, die strategische Partner oder gar einen Finanzinvestor an Bord geholt haben.

Die bekanntesten davon sind Bayern München und Borussia Dortmund. Keiner dieser beiden Klubs hatte bislang Ärger mit seinen strategischen Partnern wie beispielsweise Audi, Adidas oder Evonik.
Ja, denn auch bei diesen Klubs verfügt kein Anteilseigner über solche Rechte. Allerdings könnte der HSV solchen strategischen Partnern aus der Industrie im Moment gar kein attraktives Angebot machen. Denn wie der Name schon sagt, verlangen diese Aktionäre einen strategischen Mehrwert, in der Regel durch exklusive langfristige Werbeverträge. Wir haben aber kürzlich erst mit unseren entscheidenden Werbepartnern verlängert. Und wenn diese aus verschiedenen Gründen kein Interesse an einem Einstieg beim HSV haben oder wie Herr Kühne bereits engagiert sind, müssen wir andere Lösungen finden.

Es ist bekannt, dass Kühne 7,5 Prozent an der HSV Fußball AG erworben hat und der Unternehmer Helmut Bohnhorst weitere 1,5 Prozent. Über das Interesse weiterer Unternehmer wird munter spekuliert.
Unser Weg ist, das Eigenkapital des HSV in kleinen Tranchen zu stärken. In absehbarer Zeit wollen wir eine Eigenkapitalquote von 30 bis 35 Prozent erreichen. Das ist angemessen, da uns ja auch noch das Volksparkstadion gehört. Doch bei dieser Zielmarke sind wir noch lange nicht. Wie Sie schon gesagt haben, werden wir in der laufenden Saison erst einmal wieder Eigenkapital einsetzen müssen, um die anfallenden Verluste zu decken. Anschließend wollen wir aber mit dem Aufbau von Eigenkapital beginnen.       

HSV-CFO Wettstein beziffert Gesamtschulden auf 90 Millionen Euro

Vorher kommt aber noch ein großer Liquiditätsbedarf aus der Stadionfinanzierung auf Sie zu.
Ja, das ist aktuell die vielleicht dringendste Aufgabe des HSV. Aus der Stadionfinanzierung haben wir zwar nur noch eine Restschuld von etwa 25 Millionen Euro, aber der wesentliche Teil davon ist innerhalb der nächsten 18 Monate zu tilgen. Das könnten wir zwar stemmen, aber dann bliebe nicht mehr viel übrig, um in den Kader zu investieren. Und ich kann mir nicht vorstellen, dass die Kreditgeber ein Interesse daran haben, dass der HSV in einem finanziellen Kraftakt die vereinbarte Tilgung leistet, dann aber im sportlichen Bereich finanziell nicht handlungsfähig ist.
 
Sie wollen die Stadionschulden restrukturieren?
Ja, das ist unser Ziel. In den vergangenen Jahren hatten wir immer zwischen 6 und 8 Millionen Euro im Jahr zu tilgen. Auch dies hat zu der momentanen Schieflage beigetragen, das darf man nicht vergessen. Es ist daher eminent wichtig für den HSV, dass wir den Tilgungsdruck aus der Stadionfinanzierung herausbekommen, denn die Zeit bleibt ja nicht stehen, wenn die Stadionschuld getilgt ist. 2019 müssen wir die Fananleihe über 17,5 Millionen Euro zurückführen. Wir müssen die Stadionschuld also so restrukturieren, dass wir im gleichen Zug auch die Weichen für die fristgerechte Bedienung unserer übrigen Schulden stellen können.

Die Verbindlichkeiten, die Sie gerade aufgezählt haben, machen den Löwenanteil Ihrer offiziell mit 56 Millionen Euro ausgewiesenen Finanzschulden aus. Vor der Ausgliederung standen beim HSV aber über 100 Millionen Euro Schulden zu Buche. Wo ist der Rest geblieben?
Die 56 Millionen Euro sind reine verzinsliche Finanzschulden, deshalb ist der Vergleich nicht treffend.   Zu den Finanzschulden kommen zum Abschlussstichtag noch etwa 13 Millionen Euro aus nicht fälligen Ablösesummen plus die üblichen Lieferantenverbindlichkeiten hinzu. Die Gesamtverbindlichkeiten, die Sie erwähnten, betragen zum Stichtag etwa 90 Millionen Euro. Die Kernaufgabe beim HSV ist aber nicht, die Höhe der Verbindlichkeiten zu reduzieren, sondern deren Fristigkeiten in einem Gesamtplan aufeinander abzustimmen. Der HSV hat durchaus eine wirtschaftliche Kraft. Aber wir müssen auch investieren können.

Das hat der Klub doch viele Jahre lang getan.
Ich spreche nicht von Spielerverpflichtungen, sondern von unserer Infrastruktur. Zum Beispiel bauen wir gerade den Konferenzbereich des Volksparkstadions aus. Das kostet rund 1 Million Euro, wird uns aber viele Jahre lang deutliche Mehreinnahmen bescheren. Irgendwann werden wir auch das Stadion modernisieren müssen, es hat in seiner jetzigen Form ja auch schon 15 Jahre auf dem Buckel. Außerdem bauen wir gerade ein neues Nachwuchsleistungszentrum, den HSV-Campus.

Unternehmer Alexander Otto spendiert den HSV-Campus

Der HSV-Campus soll 20 Millionen Euro kosten, hat der Klub früher einmal angegeben.
Die Summe ist korrekt. Durch eine Spende von Alexander Otto in Höhe von 10 Millionen Euro wird der Neubau des Gebäudes finanziert. Anschließend ziehen wir als Mieter der gemeinsam mit Herrn Otto gegründeten Gesellschaft auf dem HSV-Campus ein. Die Überschüsse dieser Immobiliengesellschaft gehen an gemeinnützige Zwecke. Die weiteren 10 Millionen Euro für Nebengebäude und für die Sportflächen werden zeitlich gestreckt aus unserem laufenden Cashflow finanziert.
      
Eine ziemlich kreative Lösung. Geschick werden Sie auch benötigen, um Ihr persönliches Ziel zu erreichen: Sie peilen die wirtschaftliche Gesundung des HSV innerhalb der nächsten zwei Jahre an. An welchen Kriterien wollen Sie sich messen lassen?
Daran, dass wir auch ohne Sondereinnahmen aus übermäßigen sportlichen Erfolgen ein ausgeglichenes Ergebnis erreichen können, und auch daran, dass wir die Fristigkeit auf der Finanzierungsseite entspannt haben. Damit beides gelingt, müssen wir es schaffen, sowohl die Kosten zu senken als auch unsere Verbindlichkeiten zu restrukturieren, und zwar ohne dabei die sportliche Situation zu beeinträchtigen.

Das wird nicht einfach.
Warten Sie es mal ab! Wir sind auf einem guten Weg.

Info

Lesen Sie in Teil 1 des Interviews mit Frank Wettstein, was die größten Finanzprobleme des HSV sind und warum der Klub auch in dieser Saison wieder Verluste schreiben wird.

Frank Wettstein
Der 42-jährige Wirtschaftsprüfer ist seit November 2014 Finanzchef beim HSV. Er gilt als Sanierer und hat vor seinem Einstieg beim HSV schon die Krisenklubs Alemannia Aachen und 1860 München beraten. Sein Handwerk lernte er bei Baker Tilly Roelfs im Team von Thomas Treß, dem heutigen Finanzchef von Borussia Dortmund.

Wie es um die HSV-Finanzen steht und wie sich die Rettungsversuche des neuen Managements entwickeln, erfahren Sie auf unserer ausführlichen FINANCE-Themenseite zum Hamburger SV. Zahlreiche Analysen zu der Finanzlage der deutschen Fußballklubs finden Sie in unserem Fußballfinanz-Blog 3. Halbzeit.

Info

Wer ist der Mann, der um die Sanierung der HSV-Finanzen kämpft? Erfahren Sie mehr im FINANCE-Köpfe-Profil von HSV-Finanzchef Frank Wettstein.