Herr Burr, im September ist Hanjin, die siebtgrößte Containerreederei der Welt, kollabiert. Was bedeutet das für Hapag-Lloyd?
Die operativen Folgen sind für Hapag-Lloyd vernachlässigbar, weil wir nur wenige Container auf Hanjin-Schiffen hatten. Auf der Preisseite hat der Ausfall von Hanjin insbesondere auf den Pazifikrouten zu einem deutlichen Anstieg der Frachtraten geführt. Aber wir machen nur einen Teil unseres Umsatzes auf dem Spot-Markt, vieles läuft auch über Jahres- und Halbjahresverträge. Deshalb wird man diesen Effekt in unseren Büchern nicht sofort sehen. Wir hoffen allerdings darauf, dass sich das neue Preisniveau hält und sich dann bald bei der Neuverhandlung unserer länger laufenden Kundenverträge in dem Fahrtgebiet niederschlagen wird.
Hanjin sollte eigentlich ein wichtiger Teil des neuen Reedereien-Bündnisses “THE Alliance“ werden, das Hapag-Lloyd anführt. Welche Folgen hat die Hanjin-Pleite für den geplanten Start Ihrer Allianz im nächsten Frühjahr?
Wir und unsere Allianzpartner haben bis zum geplanten Start im Frühjahr genügend Zeit, unsere Pläne für die Dienste und den Flotteneinsatz der neuen Situation anzupassen. Ich sehe da keine Probleme.
Für viele Hanjin-Kunden war die Pleite ein Schock. Wochenlang dümpelte ihre Ware vor den Häfen und konnte nicht gelöscht werden. Das hat bei manchen Kunden zu einer Neubewertung der geplanten Allianzen geführt. Wie stabil sind deren Services, wenn ein Mitglied kollabiert, fragen sich jetzt viele Industriekonzerne.
Die Kunden werden ihr Risikomanagement weiterentwickeln und ihre Ladung noch stärker als jetzt schon auf verschiedene Reedereien und Allianzen verteilen. Das wird die möglichen Folgen künftiger Reederei-Schieflagen dämpfen. Die Allianzen werden aber selbst auch dafür sorgen, dass ähnliche Fälle, sollte es dazu kommen, konstruktiver und kontrollierter verlaufen als dieser Fall. Dass sich die Allianzen neu formieren und die Angebotsseite künftig auf drei starke Allianzen konzentriert, wird jedoch nichts daran ändern, dass die notwendige Konsolidierung der Reedereilandschaft weiter voran schreitet.
Nicolás Burr: „Mit UASC senken wir unsere Stückkosten“
Als wäre dieses Umfeld nicht schon Arbeit genug, haben Sie als CFO jetzt drei große Aufgaben zur gleichen Zeit auf Ihrem Schreibtisch: Die Integration der arabischen Reederei UASC, die Hapag-Lloyd gerade übernimmt, die Formierung von THE Alliance und die Vorbereitung der Kapitalerhöhung über mindestens 400 Millionen Dollar, die nach dem Closing des UASC-Deals kommen soll. Ist das wirklich alles managebar?
Ja, aus zwei Gründen. Erstens ist die Organisation von Hapag-Lloyd sehr geübt in der raschen Integration von Übernahmen. Zweitens ist eine Kernaufgabe bei der UASC-Integration die gleiche wie bei der Allianzbildung, nämlich die Gestaltung des Dienste-Netzwerks. Es ist sehr positiv und effizient für Hapag-Lloyd, wenn wir diese Arbeit jetzt in einem Aufwasch machen können statt zweimal hintereinander.
Sie sind aber auch mit beiden Vorhaben zum Erfolg verdammt. Mit bald fast 7 Milliarden Euro Net Debt und einem Leverage von rund 7x Ebitda ist Ihre Bilanz extrem angespannt. Die Ratingagenturen rechnen nicht damit, dass Sie Ihren Leverage in absehbarer Zeit auf weniger als 6x Ebitda zurückführen können. Sie selbst versprechen aber eine Entschuldung bis hinunter auf 3,5x Ebitda, und das in nur wenigen Jahren. Wie wollen Sie das schaffen?
Wir befinden uns am Wendepunkt des Industriezyklus, das wird die Umsatzseite künftig stützen. Dazu kommen die Größenvorteile und Merger-Synergien, die Hapag-Lloyd und UASC als vereintes Unternehmen haben werden. Indem wir zum Beispiel in Zukunft die großen Schiffe von UASC nicht nur nutzen, sondern sie durch unser Netzwerk auch gut auslasten können, senken wir unsere Stückkosten und verbessern unsere Kostenposition.
Und das soll reichen, um die schweren Verluste zu beenden, die UASC derzeit noch einfährt? Die negative Ebit-Marge beträgt fast 10 Prozent!
Wir versprechen uns großes Verbesserungspotential durch die Transferierung des UASC-Geschäfts auf die effiziente IT- und operative Plattform sowie die kommerziellen Prozesse von Hapag-Lloyd. Und wir werden mehr Cashflow für die Rückzahlung von Schulden zur Verfügung haben, da wir dank der Integration der UASC-Schiffe in unsere Flotte keine Investitionen in neue Schiffe in den nächsten Jahren vornehmen müssen.
Capex-Holiday für Hapag-Lloyd
Wie viel Capex spart Ihnen der Deal in den nächsten Jahren genau?
Eine Zahl nennen wir nicht.
Wettbewerber von vergleichbarer Größe haben in den vergangenen Jahren über 1 Milliarde Dollar für den Kauf neuer Riesenschiffe ausgegeben, Hapag-Lloyd bislang noch gar nichts. Ist das die Größenordnung?
Es ist zumindest eine gute Orientierung für diese Schiffsklasse. Mehr möchte ich dazu nicht sagen.
Kommen wir noch zu einem letzten pikanten Thema, Ihrer neuen Aktionärsstruktur. Nach Vollzug der Übernahme wird Hapag-Lloyd fünf strategische Großaktionäre haben und nur noch einen minimalen Streubesitz: Chilenen, Deutsche und Araber teilen sich dann die Macht bei Hapag-Lloyd. Das sieht aus der Ferne nach einem gefährlichen Mix aus.
Im Gegenteil, unsere Aktionärsstruktur mit so vielen starken Anteilseignern wird eine unserer großen Stärken sein. Unsere bestehenden Großaktionäre – CSAV, Kühne Maritime und die Stadt Hamburg – werden nach der Verschmelzung mit UASC die Kontrollmehrheit behalten, und die zwei größten neuen Gesellschafter – QH und PIF, die Staatsfonds von Katar und Saudi Arabien – werden jeweils einen Sitz im Aufsichtsrat erhalten. Mit Blick auf die Aktionärsbasis haben wir auf längere Sicht auch ein Interesse an einem starken und wachsenden Streubesitz für unsere Aktie.
Info
Schon in Südamerika hat es der neue Hapag-Lloyd-CFO geschafft, über 1 Milliarde Dollar an frischem Kapital einzusammeln. Was der einzige chilenische CFO eines deutschen Großkonzerns noch in seiner Vita stehen hat, lesen Sie im FINANCE-Köpfe-Profil von Nicolás Burr.
Hapag-Lloyd im perfekten Sturm: Wie es um Deutschlands größte Reederei steht – die große Analyse hier in der neuen Ausgabe des FINANCE-Magazins.