Der erst vor weniger als einem Jahr angetretene Heideldruck-CFOMarcus Wassenberg schreitet bei der Sanierung und Transformation des Druckmaschinenbauers weiter mit Nachdruck voran. Am gestrigen Mittwochabend gab Heidelberger Druckmaschinen den Verkauf der deutsch-schweizerischen Gallus-Gruppe mit insgesamt fünf Gesellschaften, fünf Standorten und 430 Mitarbeitern bekannt.
Käuferin ist die Schweizer Industriegruppe Benpac, ein Anbieter für Verpackungslösungen, die derzeit schon Berührungspunkte zu einzelnen Teilen des Gallus-Portfolios hat. Der Deal, bei dem sich Heideldruck von der Kanzlei DLA Piper beraten ließ, bewertet Gallus mit rund 120 Millionen Euro, was zu einem Bilanzgewinn „im mittleren zweistelligen Millionen-Euro-Bereich“ führen wird. Das Closing soll noch in diesem Kalenderjahr stattfinden. Benpac wurde von GCA Altium beraten.
Heideldruck stößt defizitäres Geschäft ab
Der Kaufpreis ist erstaunlich hoch. Nach FINANCE-Informationen hat Gallus zuletzt zwar einen Umsatz von rund 160 Millionen Euro erzielt, aber nur im traditionellen Geschäft mit Schmalbahn-Rollendruckmaschinen einen geringen operativen Gewinn (Ebitda) einfahren können. Inklusive der im Aufbau befindlichen Digitaldruckgeschäfte ist die Gruppe noch defizitär.
Da Heideldruck aktuell nicht mehr als 202 Millionen Euro Eigenkapital vorweisen kann, wird der Einmalertrag die Eigenkapitalquote, die zuletzt nur noch 8 Prozent erreichte, ceteris paribus spürbar erhöhen. Ähnliches war dem Traditionskonzern schon einmal im November gelungen, als der Verkauf der Tochter Hi-Tech Coatings einen Einmalertrag von 20 Millionen Euro und einen Kaufpreis von 38,5 Millionen Euro einbrachte.
FINANCE-Köpfe
CFO Wassenberg machte Deal mit Pensionskasse
Im März dieses Jahres gelang CFO Wassenberg dann der bislang größte Sanierungsschritt. Er einigte sich mit der hauseigenen Pensionskasse auf die Rückübertragung der dort gebündelten Assets und Verpflichtungen in die Konzernbilanz, was ihm Zugang zu fast 380 Millionen Euro an liquiden Mitteln verschaffte. Dies vertrieb zunächst die Sorgen um die Liquiditätslage des Konzerns.
Ende Juni schaffte es Wassenberg auch noch, die betriebliche Altersversorgung neu zu ordnen und die Dynamisierung der Betriebsrenten abzubremsen. Diese Übereinkunft mit den Arbeitnehmervertretern stärkt das Eigenkapital um 65 Millionen Euro. Was in normalen Jahren wohl als Befreiungsschlag und vorläufiges Ende der Unternehmenskrise gewertet worden wäre, wurde in der Zwischenzeit aber von der Coronavirus-Krise wieder zunichte gemacht. Die wirtschaftlichen Folgen der Pandemie ließen auch das Geschäft von Heideldruck einbrechen, im laufenden Geschäftsjahr wird trotz des Gallus- und des Betriebsrenten-Deals ein deutlicher Verlust erwartet.
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Aktie im Tief, Anleihe nahe par
Aus diesem Grund ist mit weiteren Schritten von Wassenberg zur Portfoliobereinigung und Bilanzstärkung zu rechnen, hat sich der CFO doch eine grundlegende Transformation des Konzerns auf die Fahnen geschrieben, der nun schon seit zwei Jahrzehnten in einer Dauerkrise steckt. Schon Wassenbergs Vorgänger als CFO, Dirk Kaliebe, musste immer wieder kreative Wege finden, um Bilanzlöcher zu stopfen und das Eigenkapital nicht ins Negative rutschen zu lassen.
Weitere M&A-Deals in der Größenordnung der Gallus-Transaktion sind dennoch eher unwahrscheinlich, wie FINANCE aus Unternehmenskreisen erfahren hat. Stattdessen zeichnet sich ein Immobilien-Deal ab: Durch den Rückbau der vergangenen Jahre nutzt Heideldruck nur noch etwas mehr als die Hälfte des Betriebsgeländes in Wiesloch in der Nähe von Heidelberg. Die nicht mehr genutzten Grundstücke könnte Wassenberg nun verwerten. Gespräche mit Immobilieninvestoren und -entwicklern laufen dem Vernehmen nach bereits.
Die Lageeinschätzung der Investoren des Konzerns ist gespalten: Während die Aktie bei 66 Cent und damit in der Nähe ihres Rekordtiefs verharrt, hat sich die im Mai 2022 fällige, noch 150 Millionen Euro schwere High-Yield-Anleihe auf 90 Prozent ihres Nennwerts erholt. Unmittelbar vor Wassenbergs Griff in die Pensionskasse war das Papier wegen aufkommender Insolvenzsorgen auf 40 Prozent eingebrochen. Die nächsten Quartalszahlen will der Konzern, der an der Börse nur noch 200 Millionen Euro wert ist, am 13. August vorlegen.
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