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Heideldruck versucht „Befreiungsschlag“

Heideldruck ist hochverschuldet – jetzt hat das Unternehmen die Reißleine gezogen und will massiv restrukturieren. Tausende Arbeitsplätze sind betroffen.
Heidelberger Druckmaschinen

Tiefe Einschnitte bei Heideldruck: Der Druckmaschinenhersteller macht seine Ende vergangenen Jahres angekündigten Sanierungspläne wahr. Am gestrigen Abend nach Börsenschluss präsentierte der Konzern ein detailliertes „Maßnahmenpaket zur Profitabilitätssteigerung“.

Zunächst plant der Maschinenbauer, sich auf das profitable Kerngeschäft zu fokussieren, das im Schnitt angeblich eine Ebitda-Marge von über 8 Prozent erwirtschaftet. Im Gegenzug trennt sich Heideldruck von verlustbringenden Produkten im Digitaldruck sowie von Produktbereichen im Bogenoffsetdruck. „Durch die Produkteinstellungen vermeiden wir Verluste von 50 Millionen Euro pro Jahr“, sagte Heideldruck-Chef Rainer Hundsdörfer heute in einer Telefonkonferenz.

Hinzu kommen umfassende Stellenstreichungen: „Unsere Kostenstrukturen sind nicht effizient, insbesondere die Managementstrukturen. Wir haben zu viel Personal in den unterstützenden Tätigkeiten“, lautet die Diagnose von CEO Hundsdörfer. Doch es sollen auch Werke geschlossen werden. Insgesamt wollen die Heidelberger von über 10.000 Arbeitsplätzen weltweit bis zu 2.000 Stellen streichen. Mittelfristig sollen die Stellenkürzungen und Produktstopps gemeinsam den operativen Gewinn vor Restrukturierungskosten um 100 Millionen Euro stärken.

„Die Neuausrichtung von Heideldruck ist ein einschneidender Schritt für unser Unternehmen, der auch mit schmerzhaften Maßnahmen einhergeht“, kommentierte CEO Rainer Hundsdörfer die geplante Restrukturierung. Zugleich sei der Schritt aber auch ein „Befreiungsschlag“. Dafür habe man im Vorfeld „jeden Stein umgedreht und jedes Produkt auf den Prüfstand gestellt“.

CFO Wassenberg zapft Pensionskasse an

Während sich die Kostensenkungen erst im nächsten Jahr positiv im Ergebnis niederschlagen dürften, hat das Management auch Maßnahmen ergriffen, um das kurzfristig dringende Thema der abnehmenden Liquidität zu adressieren: Um die Liquiditätsreserven aufzufüllen, bedient sich der neue CFO Marcus Wassenberg eines besonderen Kniffs: Der Finanzchef will aus dem Treuhandvermögen des 2005 gegründeten Heidelberg Pension-Trust-Fonds einen Teil der Liquiditätsreserven von 375 Millionen Euro zurückholen.

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Das chinesische Unternehmen Masterwork wird Ankeraktionär bei Heidelberger Druckmaschinen. CFO Dirk Kaliebe sprach mit FINANCE über die Hintergründe des Deals und seine Auswirkungen auf die Kapitalstruktur.

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Diese Liquiditätsreserve hatten die wenigsten Anleger und Analysten auf der Rechnung. Und sie hilft Heideldruck massiv: Die frischen finanziellen Mittel will Wassenberg für die Ablösung des noch mit 150 Millionen Euro zu Buche stehenden High-Yield-Bonds verwenden. Insgesamt will Wassenberg die Nettoverschuldung nahezu vollständig eliminieren. Zum Ende des zweiten Quartals des laufenden Geschäftsjahres war Heideldruck mit 416 Millionen Euro verschuldet – ein Leverage von 2,1x Ebitda, allerdings ohne Berücksichtigung der hohen Pensionsverbindlichkeiten.

Das geplante Finanzierungskonzept ist bereits von den Arbeitnehmervertretern, den Gewerkschaften sowie allen kreditgebenden Banken abgesegnet, so Wassenberg. „Die Maßnahme ist ein Meilenstein für Heidelberg: Wir befreien uns in einem Schritt von der drückenden Schuldenlast und können gleichzeitig in den kommenden 18 Monaten die notwendige operative Neuausrichtung konsequent umsetzen“, zeigt sich Finanzchef Wassenberg erleichtert über die künftige finanzielle Situation des Konzerns.

„Die Maßnahme ist ein Meilenstein für Heidelberg: Wir befreien uns in einem Schritt von der drückenden Schuldenlast und können gleichzeitig in den kommenden 18 Monaten die notwendige operative Neuausrichtung konsequent umsetzen.“

Marcus Wassenberg, CFO, Heidelberger Druckmaschinen

Heideldruck sieht Pensionsgelder gesichert

„Das Unternehmen hatte den Fonds damals so gut dotiert, um das Risiko einer feindlichen Übernahme zu reduzieren“, erklärte Wassenberg heute in der Telefonkonferenz, und ergänzte: „Es gibt immer noch ausreichend Vermögen im Pensionsfonds.“ Die Rentenzahlungen will das Unternehmen künftig aus dem Cashflow des Unternehmens bezahlen. Das dafür nötige Geld soll durch den Wegfall der Zinszahlungen wieder hereinkommen.

Dass der Griff in die Pensionskasse negativen Auswirkungen auf bestehende und zukünftige Pensionsansprüche haben könnte, weist die Heideldruck-Führung zurück: „Wir gehen verantwortlich mit den uns von Heidelberg überlassenen Treuhandgeldern um“, sagte auch Rupert Felder, Vorstandsvorsitzender des Heidelberg Pension-Trusts.

Die Umsetzung der geplanten Maßnahmen ist mit massiven Kosten verbunden, die das Unternehmen mit 300 Millionen Euro angibt. Diese Kosten und auch die schweren Auswirkungen des Coronavirus zehren die Bilanz der Industrie-Ikone noch weiter aus: „Die Eigenkapitalquote ist zum 31. März wahrscheinlich nur noch einstellig“, sagte Hundsdörfer in der Konferenz.

„Die Eigenkapitalquote ist zum 31. März wahrscheinlich nur noch einstellig. Das ist aber nicht existenzbedrohend.“

Rainer Hundsdörfer, CEO, Heideldruck

 „Dies ist aber nicht existenzbedrohend“, glaubt der Vorstandschef. Erste substantielle positive Effekte der Restrukturierung erwartet das Unternehmen ab dem kommenden Geschäftsjahr 2021/2022.

High-Yield-Bond von Heideldruck im Aufwind

Heideldruck-Management gelobt Besserung

Dem Management scheint bewusst zu sein, dass dieser Kraftakt die letzte Chance ist, das Unternehmen aus dem andauernden Sanierungsmodus hinaus zu führen: „Wir unternehmen jetzt alles, was in unserer Kraft steht, um Heidelberg so aufzustellen, dass wir widerstandsfähig genug sind, um auch in wirtschaftlich unsicheren Zeiten profitabel zu bleiben“, sagte Wassenberg. Nach der Restrukturierung werde die Profitabilität oberste Priorität haben.

Vorstandschef Rainer Hundsdörfer versprach, künftig anders zu agieren: „Wir haben aus der Vergangenheit gelernt: Das Prinzip Hoffnung wird bei Heidelberg abgeschafft.“

Die Investoren begrüßen die tiefen Einschnitte. Vor allem die Bondholder jubeln über den unerwarteten Plan, das Papier zu tilgen: Die Hochzinsanleihe sprang am heutigen Mittwoch von 37 auf über 80 Prozent des Nennwerts. Auch die Aktionäre honorieren den Kurswechsel, die Aktie stieg um mehr als 20 Prozent. Mit einem Kurs von rund 60 Cents bleibt das Papier aber ein Pennystock, der sich seit Jahresbeginn auch noch im Wert halbiert hat.

olivia.harder[at]finance-magazin.de

Info

Sparprogramme, Verlagerungen, Bilanzsanierung: Kaum ein Unternehmen kommt über die Jahre ohne eine Restrukturierung aus. Mehr zum Thema erfahren Sie auf der 14. Deutschen Distressed-Assets-Digitalkonferenz und auf unserer Themenseite Restrukturierung.

Olivia Harder ist Redakteurin bei FINANCE und verfolgt schwerpunktmäßig die aktuellen Entwicklungen im Private-Equity- und M&A-Geschäft. Sie hat Philosophie, Politikwissenschaften, Soziologie und Geographie an der Justus-Liebig-Universität in Gießen studiert, wo sie auch einen Lehrauftrag innehatte. Vor FINANCE arbeitete Olivia Harder in den Redaktionen mehrerer Wochen- und Tageszeitungen, unter anderem beim Gießener Anzeiger.