Die einst klamme Berliner „alte Dame“ Hertha BSC ist wirtschaftlich klar auf dem Vormarsch, und das ist auch ein Verdienst von Finanzchef Ingo Schiller und dessen Private-Equity-Strategie. Nachdem er von 2014 bis 2018 gut mit der bekannten US-Beteiligungsgesellschaft KKR als Anteilseigner harmonierte, setzt er seit vergangenem Jahr auf den schillernden Privatinvestor Lars Windhorst und dessen Investmentvehikel „Tennor“.
Dank Windhorsts Einstieg befindet sich der 55-Jährige CFO in einer Situation, von der andere Bundesliga-Finanzmanager nur träumen. Nur ein paar Beispiele: Der Bundesliga-Aufsteiger VfB Stuttgart musste aufgrund der Auswirkungen der Coronavirus-Pandemie einen KfW-Kredit beantragen, Werder Bremen braucht wohl auch einen, und Schalke 04 musste sich sogar eine Millionenbürgschaft vom Land Nordrhein-Westfalen besorgen, um die Finanzierung zu stabilisieren.
Tennor-Deal spült Millionen in die Kasse
Hertha stattdessen katapultiert sich mit Windhorst in neue Dimensionen: Bei seinem Einstieg im Jahr 2019 zahlte der Unternehmer zunächst 125 Millionen Euro für 37,5 Prozent der Anteile. In Zuge einer zweiten Tranche stieg die Summe auf 224 Millionen und die Beteiligung auf 49,9 Prozent. Anfang Juli 2020 erlebte der bereits größte Eigenkapital-Deal der deutschen Fußballgeschichte seine Fortsetzung: Abermals will Lars Windhorst 150 Millionen in den Hauptstadt-Club pumpen. Im Oktober werden dann insgesamt 374 Millionen Euro an den Verein geflossen sein. Im Gegenzug wird der 43-Jährige 66,6 Prozent der Anteile kontrollieren. Die für den deutschen Profifußball geltende „50+1-Regel“ bleibt unangetastet, da der Investor nicht die Mehrheit der Stimmrechte, sondern des Kapitals erwirbt.
Operativ mischt sich der ehemalige Start-up-Gründer, der weiterhin vier von neun Plätzen im Aufsichtsrat besetzt, bislang nicht ein. Im Gespräch mit FINANCE Anfang März 2019 bezeichnete Ingo Schiller den Deal als „straight Equity“, ohne Put- und Call-Optionen, die noch kennzeichnend für den KKR-Deal gewesen waren . Zudem hat sich Hertha Mitsprachemöglichkeiten bei einem Weiterverkauf der Tennor-Anteile gesichert. Bereits damals, nach Erhalt der ersten Tranche, lag die Eigenkapitalquote des Klubs nach Aussagen von Schiller bei weit über 50 Prozent, und das ohne Berücksichtigung der stillen Reserven, die normalerweise in den Spielerkadern von Fußballklubs stecken.
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Hertha soll „Big City Club“ werden
Das Timing hätte rückblickend nicht besser sein können. 374 Millionen Euro sind im Profifußball eine Menge Geld. Aber als Transferausgaben gestreckt über vier, fünf Jahre, wie die Hertha-Führung plante, wäre dies auch nicht viel mehr gewesen, als andere Bayern-Verfolger wie Bayer Leverkusen, VfL Wolfsburg und RB Leipzig mobilisieren können. So war es denn auch kein großer „Game Changer“, als die Berliner im Winter für 80 Millionen Euro am Transfermarkt zulangten und Spieler wie Cunha, Piatek, Ascacíbar und Tousart verpflichteten. Jetzt aber, da alle Klubs coronabedingt hart sparen müssen und die Spielerwerte in den Keller rauschen, zählt Hertha zu den ganz wenigen Vereinen, die finanziell dazu in der Lage sind, dies auszunutzen und weitere Top-Spieler zu holen – wahrscheinlich günstiger als geplant.
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Doch Windhorst macht Druck, er träumt von einem „Big City Club“ auf Augenhöhe mit den Aushängeschildern aus London, Paris oder Barcelona – und das in nur einem Jahrzehnt. Nach Meinung des umtriebigen Investors gibt es „theoretisch keinen Grund, warum Hertha nicht auch einmal deutscher Meister werden und in der Champions League oben mitspielen sollte“.
Auch CFO Schiller will investieren
Während sich um den sportlichen Erfolg andere Hertha-Manager kümmern müssen, stehen bei Ingo Schiller andere Dinge auf der Agenda: So halten die Berliner nach der vorzeitigen Trennung von Hauptsponsor Tedi – dessen Vertrag eigentlich noch bis 2021 gelaufen wäre – Ausschau nach einem zahlungskräftigeren neuen Geldgeber. Nachdem man von dem Textil-Discounter rund 7,5 Millionen Euro pro Saison erhalten haben soll, peilt man nun laut „Kicker“ die Marke von 20 Millionen Euro an. In Berlin träumen sie von Weltkonzernen wie Amazon oder Tesla.
Im Mai 2021 kann der Hertha-CFO dann erstmals den von ihm im November 2018 platzierten 40 Millionen Euro schweren Nordic Bond zurückkaufen, was angesichts der aktuellen Liquidität auch geschehen dürfte. Schiller finanzierte mit der Emission der etwas hochwertigeren Variante der deutschen Mittelstandsanleihe den Großteil des Rückkaufs der KKR-Anteile.
Um das Jahr 2025 herum ist dann der Bau eines neuen Stadions angedacht, was auch finanziert werden will. Hierfür könnte Schiller abermals auf den Kapitalmarkt zurückgreifen. Daneben sieht der Hertha-Finanzchef interessante Investitionsmöglichkeiten in anderen Feldern, mit dem Ziel, Hertha in Richtung Medienunternehmen weiterzuentwickeln. Dabei wird er ein gutes Händchen brauchen, sind Fußball-Manager bislang doch nicht besonders positiv als Diversifizierer aufgefallen. Schiller tendiert zum Einstieg in den E-Sports-Bereich und zum Aufbau eines klubeigenen Streaming-Kanals. Während anderen Bundesliga-CFOs das Wasser bis zum Hals steht, kann Schiller an der Zukunft bauen.
Info
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