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Jens Tonn: „Das war ein Weckruf für den PE-Markt“

ICG

Die interessantesten Wochen im deutschen Private-Equity-Geschäft 2014 gab es im Oktober, als nach einer Dax-Talfahrt auf einmal große Unruhe am LBO-Finanzierungsmarkt ausbrach. Die Angst hat sich schnell wieder gelegt. Ist davon etwas zurückgeblieben?
Ja, das würde ich schon sagen. Das, was da im Oktober passiert ist, war ein Weckruf für manche Marktteilnehmer. Die Konditionsgestaltung am Leveraged-Finance-Markt ist über den Sommer sehr sportlich geworden, auch die Leverage-Angebote der Banken. Das Niveau der Finanzierungen war der Qualität mancher Zielunternehmen aus unserer Sicht teils nicht angemessen. Manche M&A-Prozesse, die im Oktober ins Straucheln geraten sind, sind ja auch bis heute noch nicht abgeschlossen worden.

Gibt es über diese Einzelfälle hinaus noch Nachwirkungen?
Die Kaufinteressenten am PE-Markt haben ein Stückweit ihr Vertrauen in die Bankvorschläge verloren. Einige Banken haben damals im Oktober die Höhe ihrer Finanzierungszusagen kurzerhand um 1x Ebitda gekappt. Da entsteht eine Lücke, die ein Kaufinteressent nicht so einfach füllen kann. Seit diesem Warnschuss ist der PE-Markt in Deutschland verhaltener als er im Spätsommer noch gewesen ist.

Gegen Ihre Beobachtung spricht, dass im November und Dezember sehr viele Buy-outs im deutschen Mittelstand über die Bühne gegangen sind.
Das kann man auch so interpretieren, dass teilweise anders finanziert wurde als ursprünglich geplant. Und natürlich haben auch viele Marktteilnehmer ein großes Interesse, im Sinne eines Unternehmens Abschlüsse und Klarheit herbeizuführen. Ich bin aber gespannt, wie gut sich der Markt hält, wenn die aktuellen Turbulenzen im Makro-Umfeld sich in den Gewinnen der Unternehmen niederschlagen – oder in den Businessplänen bei den Verkaufsprozessen.

Was genau meinen Sie?
Die Russland-Krise zum Beispiel. Bei den meisten deutschen Mittelständlern ist das Russlandgeschäft nicht entscheidend, aber bei vielen dann doch groß genug, dass es bei Umsatz und Ertrag merkliche Spuren hinterlassen wird. Auch den Zusammenbruch des Ölpreises müssen die Marktteilnehmer am deutschen M&A-Markt erst noch für sich einordnen.

In Summe dürfte der Ölpreisverfall doch positiv für die deutsche Industrie sein.
Sind Sie sich da so sicher? Es gibt viele Mittelständler, die Komponenten auch in die Öl- und Gasindustrie liefern. Wenn die Ölkonzerne auf die Investitionsbremse treten, werden das Unternehmen auch in Europa zu spüren bekommen, auch Private-Equity-finanzierte. Nur weiß aktuell noch niemand genau, in welchem Umfang. Die Ansteckungsgefahren, die vom Ölpreisrückgang für die industriellen Lieferketten ausgehen, ist eine große Unbekannte.

Sie schauen also skeptisch in das vor uns liegende Jahr?
Gar nicht – auch wenn es sich vielleicht anders anhört! Denn es gibt auch viele positive Dealtreiber, und selbst wenn die Banken nicht mehr ganz so bullish sind und die Unternehmensgewinne nicht mehr ganz so viel Fantasie entfachen, ist das aktuelle Marktniveau immer noch sehr attraktiv. Es kann nur sein, dass die Bewertungen nicht mehr weiter steigen. Das wäre ja auch gar nicht so schlimm.

Jens Tonn: "Diskreter als bei einem Bankenprozess"

Wo sollen die Deals denn dann her kommen? Am Anfang eines Preisrückgangs verkauft ja erfahrungsgemäß kaum jemand, weil alle den Rückgang lange nur für eine Delle halten.
Ich erwarte mir viel von der Welle an großen M&A-Transaktionen, die wir 2014 gesehen haben: Bayer, Siemens, ZF Friedrichshafen und viele mehr. Das wird auch diesmal in den Jahren danach zu mehr Konzern-Spin-offs führen, die für Private Equity interessant sind. Daneben haben ja auch eine Menge Großkonzerne aus anderen Gründen mit dem Aufräumen ihrer Portfolios begonnen, zum Beispiel die Versorger oder im MDax Bilfinger und Vossloh. Speziell für ICG erwarte ich aber viel Dealflow weniger aus dem Konzern-, sondern in erster Linie aus Familien- und Unternehmenssituationen und natürlich auch aus dem Private-Equity-Bereich selbst.

Welcher Art?
Wir sind ein Spezialist, wenn Fremdfinanzierungen im PE-Umfeld neu arrangiert werden müssen, zum Beispiel wenn Banken aussteigen oder Mitgesellschafter heraus gekauft werden sollen. In solchen Situationen können wir alle Arten von Kapital bereitstellen: Debt, Mezzanine und Equity, und zwar diskreter als bei einem breit angelegten Bankenprozess.

Diese Transaktionsanlässe sind aber Randthemen.
Finde ich gar nicht! Schauen Sie sich mal den deutschen Mid-Market an. Dort gibt es viele PE-Häuser und Banken, die vor einigen Jahren in Konsortien gemeinsam Transaktionen strukturiert haben, inzwischen aber nicht mehr so ausgerichtet sind wie ihre Dealpartner. Das kann ein echter Belastungstest für einen LBO werden. Wir haben vor wenigen Monaten in Deutschland zum Beispiel bei dem Bodenbelaghersteller Nora die Finanzierung durch mehrere Tranchen hinweg neu arrangiert und gleichzeitig noch einen Gesellschafter abgelöst. Das PE-Haus Capiton ist Hauptgesellschafter geblieben, und das Unternehmen kann jetzt noch einmal ganz anders und langfristiger planen.

Und dann sind da ja auch noch die vielen Investments, bei denen die PE-Gesellschafter wegen der Wirtschaftskrise nach Lehman zwei bis drei Jahre in der Unternehmensplanung verloren haben. Diese Unternehmen sind jetzt möglicherweise immer noch nicht ganz exitreif, und hier muss dann auch über neue Strukturen nachgedacht werden. Ein ganz anderes Beispiel ist Minimax. Dieses Unternehmen haben wir 2014 mit dem Management und gemeinsam mit dem dänischen Family Office Kirkby von IK Investment Partners übernommen und dem Unternehmen so eine ganz neue, langfristig ausgerichtete Struktur gegeben.

Minimax, ein Brandschutzspezialist, wurde mit über 1,3 Milliarden Euro bewertet. Ihr europaweit investierender aktueller Fonds ist 2,5 Milliarden Euro schwer. Ihr Pulver für weitere Neu-Investments dürfte langsam zu Neige gehen.
Unser Fonds ist vor drei Jahren aufgelegt worden, aber schon weit investiert, das stimmt. Ein Fünftel davon haben wir in Deutschland angelegt. Insofern passt Ihre Beobachtung. Es stimmt aber nicht, dass wir deshalb nun keine Investitionen mehr machen können, im Gegenteil. Ich freue mich auf 2015!