Viele Jahre sind seit der Enron-Pleite ins Land gezogen – im kommenden Oktober schon 17. Der Skandal verschreckte Anfang der 2000er Jahre Anleger weltweit, weil der US-Energiekonzern immense Schulden außerhalb der Bilanz versteckt hatte. Nach weiteren Betrügereien bei Parmalat und Worldcom gerieten damals die Wirtschaftsprüfer ins Visier der Aufsicht. Insbesondere die Gesellschaft Arthur Andersen – damals noch neben PwC, EY, KMPG und Deloitte eine der damaligen Big-5-Gesellschaften – soll mit den betrügerischen Enron-Managern gemeinsame Sache gemacht haben. Das besiegelte ihren Untergang.
Der Gedanke, dass in den nächsten Monaten KPMG, EY, Deloitte oder PwC wegen der Verstrickung in einen Bilanzskandal implodieren und binnen kürzester Zeit aus der Wirtschaftswelt verschwinden könnten, erscheint völlig abwegig. Doch genau dies ist mit Andersen passiert. Und inzwischen erschüttern wieder Skandale wie bei Steinhoff und Carillion die Finanzwelt. In kleinerem Maßstab, aber trotzdem nicht zu vergessen sind weitere Bilanzskandale wie bei KTG Agrar und weiteren Emittenten von Mittelstandsanleihen. Haben alle Maßnahmen zur Verhütung neuer Bilanzskandale also nichts gebracht?
FINANCE-Magazin
Semptember/Oktober 2018
Die neuen Bilanzskandale
Warum die Prüfer bei Steinhoff & Co. versagten
Die neue FINANCE-Titelgeschichte zeigt, wie sehr neu installierte Kontrollmechanismen wie etwa die Prüferrotation im Gesetzgebungsprozess so weit entschärft wurden, dass sie zahnlose Tiger geworden sind. Internationale Konzerne, die geschickt agieren, können Aufsichtsinstanzen wie die deutsche „Bilanzpolizei“ DPR ohne Weiteres umgehen. Und der starke Ausbau der Beratungsgeschäfte unter den Wirtschaftsprüfern hat auch die Gefahr von Interessenskonflikten erhöht.
Besonders anfällig für Enron-artige Betrugsfälle oder ein Versagen der Corporate Governance sind patriarchisch geführte Konzerne wie Steinhoff, KTG Agrar oder Schieder. Warum, zeigt die neue FINANCE-Titelgeschichte, die bereits heute als E-Paper erhältlich ist.
Wirecard auf dem Weg in den Dax
Es ist gar nicht lange her, da kämpfte auch Wirecard gegen üble Vorwürfe. Erst im Januar dieses Jahres hat ein Shortseller den Münchener Anbieter von Zahlungslösungen erneut ins Visier genommen. Allen Attacken zum Trotz hat sich der Aktienkurs von Wirecard in den vergangenen Monaten aber bombastisch entwickelt.
„Ja, für mich gehört Wirecard unbedingt in den Dax!“
Gestern wurde bekannt, dass Wirecard in Deutschlands Leitindex Dax aufsteigt. Absteigen wird die Commerzbank. „Ja, für mich gehört Wirecard unbedingt in den Dax!“, sagte Wirecard-CFO Alexander von Knoop im FINANCE-Interview – bereits bevor der Dax-Aufstieg feststand. Seit Januar ist von Knoop Wirecard-CFO. Mit FINANCE sprach er über die Lehren, die der Konzern aus den Shortseller-Attacken gezogen hat, über die Digitalisierung des Zahlungsverkehrs und die Verlockungen eines Dax-Listings.
Eine ganz andere Richtung als der Wirecard-Aktienkurs hat im Jahr 2018 jener der Media-Saturn-Mutter Ceconomy genommen: von 13 Euro im Januar auf unter 7 Euro im September. Seit der Abspaltung von Metro ist wenig rund gelaufen bei dem Elektronikeinzelhändler. Welche Baustellen CFO Mark Frese jetzt bewältigen muss, zeigen wir in der neuen Ausgabe – und auch, wie Banken im Hintergrund an einer bilanzschonenden Finanzierung für die Übernahme des Kellerhals-Anteils an Media-Saturn basteln.
Schaeffler-CFO: „Hatten operative Herausforderungen“
Schwach entwickelt sich auch die Aktie von Schaeffler seit dem Börsengang 2015: Die Papiere liegen immer noch unter ihrem Ausgabepreis. Im FINANCE-Interview gibt Finanzvorstand Dietmar Heinrich Einblicke in sein erstes Jahr als CFO und räumt Versäumnisse der Vergangenheit ein: „Bei unserem Tun hatten wir die Anforderungen des Kapitalmarkts noch nicht in allen Belangen verinnerlicht“, zieht Heinrich selbstkritisch Bilanz – und fügt hinzu: „Wir waren lange ein reines Familienunternehmen, das langfristig orientiert über drei oder fünf Jahre steuerte. Der Kapitalmarkt erwartet aber, dass wir quartalsweise abliefern.“
Über eine positive Nachricht konnte sich Dietmar Heinrich in diesen Tagen aber doch freuen: Mit Standard & Poor’s sieht seit dieser Woche auch die letzte der drei Ratingagenturen Schaeffler im Investmentgrade. Damit scheint die Schuldenmisere nach der Conti-Übernahme im Jahr 2008 nun endgültig bewältigt.
„Bei unserem Tun hatten wir die Anforderungen des Kapitalmarkts noch nicht in allen Belangen verinnerlicht.“
Die PE-Branche vergisst die Lehren der Lehman-Pleite
Vor zehn Jahren gehörte auch Schaeffler zu den Konzernen, denen die Pleite der US-Investmentbank Lehman einen gewaltigen Strich durch die Rechnung machte. Die Herzogenauracher setzten damals gerade dazu an, Continental zu übernehmen. Auch vielen anderen CFOs wird „Lehman“ stets in Erinnerung bleiben, wenn es um riskante Finanzierungen geht.
„Viele Transaktionen sind auf ganz dünner Kante genäht.“
In der neuen Ausgabe von FINANCE geht es gleich an mehreren Stellen um die Lehren aus der Lehman-Pleite, ganz speziell im Schwerpunkt Restrukturierung: Es scheint nämlich so, als habe die Private-Equity-Branche aus den Exzessen, die ihren Teil zur Finanzkrise beitrugen, nicht viel gelernt. Angeheizt durch einen gewaltigen Anlagedruck und billiges Fremdkapital, etablieren sich gerade Strukturen, die teils sogar noch gewagter sind als unmittelbar vor dem Lehman-Kollaps. „Viele Transaktionen sind auf ganz dünner Kante genäht“, meint etwa der Private-Equity-Experte Jürgen Zapf von Alvarez & Marsal. FINANCE-Recherchen machen transparent, an welchen Schrauben die Finanzinvestoren besonders mutig drehen.
Info
Wie CFOs Social Media nutzen sollten, was Mittelständlern nach dem Brexit droht, wie Frauen in Beratungen Karriere machen können – diese und viele weitere interssante Themen finden Sie in der neuen FINANCE-Ausgabe, die Sie hier bestellen oder heute schon als E-Paper beziehen können.
Markus Dentz ist Chefredakteur von FINANCE und der Fachzeitschrift DerTreasurer. Seine journalistischen Schwerpunktthemen sind Unternehmensfinanzierung, Restrukturierung und Treasury. Nach dem Studium und dem Volontariat beim F.A.Z.-Institut stieß Dentz zur FRANKFURT BUSINESS MEDIA GmbH, einer Tochter der F.A.Z.-Verlagsgruppe und Herausgeberin von DerTreasurer und FINANCE. Mehrfach wurden seine Artikel aus den Bereichen Private Equity und M&A mit Journalistenpreisen ausgezeichnet.