Alles neu bei Schaeffler: Der Automobil- und Industriezulieferer drückt beim Konzernumbau aufs Tempo und will die schwächelnde Automotive-Sparte zukunftsfähig ausrichten. Flankiert wird dies von einem massiven Finanzierungsprogramm: Bis zu 5 Milliarden Euro könnte Schaeffler sich demnächst am Markt über Investmentgrade-Anleihen besorgen, wie der Konzern am heutigen Mittwoch bekannt gab. Den Prospekt für ein entsprechendes Debt Issuance Programm hat der Konzern bereits im vergangenen Herbst vorgelegt und von der Aufsichtsbehörde in Luxemburg billigen lassen.
Schaeffler kann höherverzinste Anleihen ablösen
Derzeit besteht Schaefflers Konzernfinanzierung aus Bankkrediten sowie aus teilweise vorzeitig kündbaren High-Yield-Anleihen. Drei der vier Anleihen mit höherer Verzinsung haben allerdings Ende 2018 den vertraglich vereinbarten Kündigungstermin erreicht. Schaeffler könnte diese jederzeit zu festgelegten Kursen zurückzahlen. Es handelt sich konkret um eine Anleihe im Nominalwert von 400 Millionen Euro (Kupon 2,5 Prozent), eine Anleihe über 500 Millionen Euro (Kupon 3,5 Prozent) und ein drittes Papier über 500 Millionen US-Dollar (Kupon 4,75 Prozent).
Noch nicht kündbar ist eine Anleihe über 600 Millionen Euro mit einer Verzinsung von 3,25 Prozent und Fälligkeit im Mai 2025. Schaefflers Kreditvertrag umfasst zudem einen Term Loan über 1 Milliarde Euro sowie eine revolvierende Kreditlinie über 1,3 Milliarden Euro, die zum 31. Dezember 2018 mit 160 Millionen Euro gezogen war.
Den Grundstein für die nun angepeilten Investmentgrade-Anleihen haben die Herzogenauracher in den zurückliegenden Monaten gelegt: Seit Spätsommer 2018 wird Schaeffler von allein drei großen Ratingagenturen Fitch (BBB-), Moody’s (Baa3) und Standard & Poor’s (BBB-) im Investmentgrade eingestuft.
Rating-Upgrade verschafft Schaeffler Erleichterung
Schaeffler-CFO Dietmar Heinrich, der seit August 2017 die Finanzverantwortung trägt, sagte zur Neuausrichtung der Finanzierung: „Die Schaeffler Gruppe hat ihre Finanzierungsstruktur in den vergangenen Jahren konsequent weiterentwickelt. Mit der geplanten Begebung von Investmentgrade-Anleihen setzen wir diesen Weg fort und wollen uns langfristig in diesem Marktsegment etablieren.“ Dies soll weitere operative und finanzielle Handlungsräume schaffen, mit denen die Umsetzung der Wachstumsstrategie von Schaeffler unterstützt werden soll.
FINANCE-Köpfe
Die Einstufung im Investmentgrade hat auch bereits Erleichterungen bei den bestehenden Finanzierungen gebracht: Als letzte der drei Agenturen hatte S&P im vergangenen August Schaefflers Rating in den Investmentgrade angehoben – in der Folge konnte Schaeffler die verbleibenden dinglichen Sicherheiten unter dem Kreditvertrag als auch unter einigen ausstehenden Anleihen freigeben lassen, wie aus dem heute veröffentlichten Geschäftsbericht für 2018 hervorgeht.
Schaeffler-CFO Heinrich setzt auf Kostendisziplin
Die heute vorgelegten Zahlen belegen auch, warum Schaeffler bei seinem Konzernumbau das Tempo noch einmal verschärfen muss. 2018 lag der Umsatz der Schaeffler Gruppe mit rund 14,2 Milliarden Euro nur geringfügig über dem Vorjahresumsatz von rund 14,0 Milliarden Euro. Das Ergebnis vor Zinsen und Steuern (Ebit) lag vor Sondereffekten bei 1,38 Milliarden Euro und damit unter dem Wert des Vorjahres (1,58 Milliarden Euro).
Die Ebit-Marge vor Sondereffekten betrug 9,7 Prozent (Vorjahr: 11,3 Prozent). Mit diesen Ergebnissen hat Schaeffler zumindest seine korrigierte Prognose getroffen – Ende Oktober hatten die Herzogenauracher ihre Erwartung an 2018 deutlich nach unten gesenkt. Die Netto-Finanzschulden sind zuletzt leicht gestiegen, von 2,37 Milliarden Euro zum 31. Dezember 2017 auf 2,55 Milliarden Euro zum 31. Dezember 2018.
„Wir werden in Zukunft noch mehr auf Kostendisziplin und effiziente Kapitalallokation achten.“
Ein strenger Blick auf die Kostenseite bleibt laut CFO Heinrich auch in den kommenden Monaten wichtig: „Der Free Cash Flow von 384 Millionen Euro sowie die weiter verbesserte Eigenkapitalquote von mittlerweile wieder 25 Prozent zeugen von der soliden Bilanzqualität der Schaeffler-Gruppe. Um diese weiter zu stärken, werden wir in Zukunft noch mehr auf Kostendisziplin und effiziente Kapitalallokation achten“, kündigte der Finanzchef an.
Der Blick nach vorn fällt eher verhalten aus: Für 2019 rechnet Schaeffler mit einer Ebit-Marge vor Sondereffekten von 8 bis 9 Prozent, das wäre ein Rückgang gegenüber 2018. Die 2016 formulierten langfristigen finanziellen Ambitionen für 2020 könnten im anhaltend schwierigen Marktumfeld nicht länger aufrechterhalten werden, räumt der Konzern ein. Schaeffler hatte bislang eine operative Marge von 12 bis 13 Prozent für 2020 angepeilt.
Automotive OEM ist Schaefflers Sorgenkind
Das Sorgenkind der Schaeffler-Gruppe ist zurzeit die Sparte Automotive OEM: Neben dem schwierigen Marktumfeld beklagte CEO Klaus Rosenfeld dort auch „eine Reihe von hausgemachten Faktoren, die wir angehen müssen.“ Automotive OEM erzielte 2018 Umsatzerlöse in Höhe von knapp 9 Milliarden Euro und lag damit in etwa auf Vorjahresniveau, allerdings war das zweite Halbjahr schwach. Das Ebit vor Sondereffekten lag in der Sparte im vergangenen Jahr bei 693 Millionen Euro und damit deutlich unter dem Vorjahr (973 Millionen Euro). Die Ebit-Marge vor Sondereffekten fiel auf 7,7 Prozent, ein deutlicher Rückgang gegenüber dem Vorjahreswert von 10,8 Prozent.
Als Gründe für den Rückgang macht Schaeffler vor allem eine „abgeschwächte Marktdynamik im zweiten Halbjahr“ sowie eine damit zusammenhängende geringe Auslastung der aufgebauten Produktionskapazitäten verantwortlich. Auch interne Probleme trugen zu dem schwachen Ergebnis bei: Es sei nicht gelungen „ausreichende Effizienzsteigerungen in der Produktion zu erzielen, um die negativen Verkaufspreis- und Mixeffekte zu kompensieren“, räumt Schaeffler ein.
Die Ende Oktober angepasste Prognose für das Gesamtjahr 2018, die auf eine Ebit-Marge vor Sondereffekten von 8 bis 8,5 Prozent abzielte, hat die Sparte damit verfehlt. Neu ausrichten will Schaeffler seine Sparte nun mit dem Programm „Race“, das auf Effizienzsteigerung und Portfoliobereinigungen in der Sparte abzielt.
Schaeffler muss Stellen streichen
Die Abkürzung „Race“ steht für „Regroup Automotive for higher Margin and Capital Efficiency”. Es orientiert sich an dem Programm „Core“, das Schaeffler in den vergangenen Jahren bereits in seiner Industriesparte umgesetzt hat. Die erste Phase von „Race“ umfasst die kommenden 18 bis 24 Monate. Das Ziel: In den kommenden drei bis vier Jahren soll die Ergebnismarge der Sparte nachhaltig gesteigert und dauerhaft im hohen einstelligen Prozentbereich gehalten werden.
„Race“ wird auch einige harte Einschnitte bringen: Schaeffler stellt „eine rigorosere Kosten- und Kapitaldisziplin“ in Aussicht. Produkte mit niedrigeren Margen werden reduziert, höhermargige Produkte ausgebaut. Forschungsgelder und Investitionen sollen stärker auf Zukunftsbereiche wie E-Mobilität und Autonomes Fahren ausgerichtet werden.
Auch Standorte in Europa werden konsolidiert. Voraussichtlich werden 900 Stellen entfallen, davon 700 in Deutschland. Die Quote der Forschungs- und Entwicklungsaufwendungen im Verhältnis zum Umsatz soll in der Sparte Automotive OEM in den Jahren 2019 und 2020 auf 8,0 bis 8,5 Prozent begrenzt werden, Investitionen sollen pro Jahr nicht mehr als 900 Millionen Euro betragen.
Info
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