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Scout24-CFO: „Wollen mit den Banken nicht diskutieren“

CFO Christian Gisy gibt sich ob des Erfolgs seines Unternehmens selbstbewusst. Er kann sich Zukäufe von bis zu 1 Milliarde Euro vorstellen, wenn das Target in die Strategie passt.
Scout24

Herr Gisy, Herr Klemund, Scout24 kauft Finanzcheck.de für 285 Millionen Euro. Beinahe parallel haben Sie Ihre Finanzierung komplett neu aufgestellt. Hat Ihnen ein Großprojekt nicht gereicht?
Christian Gisy: Natürlich würden wir gerne brav ein Thema nach dem anderen abarbeiten. Aber wir bestimmen selten das Timing. Unser erster Konsortialkredit ist aus der Leveraged-Buy-out-Finanzierung entstanden, weil wir unseren Bankenkreis von 50 auf zehn bis zwölf Institute verkleinern wollten. Die Konditionen und Kreditklauseln waren noch nicht auf M&A ausgerichtet, weil Übernahmen damals noch kein wirkliches Thema waren. Das hat sich spätestens mit dem Zukauf von Finanzcheck.de geändert.

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Christian Gisy, Autodoc GmbH

Nach dem Studium arbeitet Gisy zunächst als Wirtschaftsprüfer bei Warth & Klein in Düsseldorf. 1997 wird er Direktor im Bereich Equity Capital Markets bei der WestLB Panmure.

Im Juli 2000 wechselt er auf die Unternehmensseite und wird Finanzvorstand bei dem Fernsehsender Viva Media AG. Im November 2006 wechselt Gisy als CFO zur Kinokette Cinemaxx in Hamburg, knapp zwei Jahre später übernimmt er im Oktober 2008 den Vorstandsvorsitz von Cinemaxx. Während dieser Zeit begleitet er die Restrukturierung der Kinokette.

Nach dem Verkauf an die britische Vue Entertainment wird Cinemaxx im Februar 2014 von der Börse genommen. Gisy, der zunächst noch als Managing Director der Cinemaxx Holdings GmbH an Bord bleibt, wechselt im Herbst desselben Jahres zu Scout24, um den Börsengang des Unternehmens zu begleiten.

Dieser gelingt im Oktober 2015. Anschließend streift CFO Gisy die Buy-out-Finanzierung Stück für Stück und führt das Unternehmen in den Bereich des normalen Bankkredits. Teil der neuen Kredite ist auch eine M&A-Linie, die Scout im Sommer 2018 nutzt, um für 285 Millionen Euro das Kreditportal Finanzcheck.de zu erwerben. Im Zuge des Rückzugs von CEO Gregory Ellis kündigt auch Gisy im September 2018 an, seinen im September 2019 endenden CFO-Vertrag bei Scout24 nicht verlängern zu wollen.

Im Juni 2021 wird Christian Gisy Geschäftsführer und Co-CEO beim Berliner Online-Ersatzteilhändler Autodoc, dessen kräftiges Wachstum er beherrsch- und finanzierbar halten soll.

zum Profil

Ihre neue Finanzierung besteht aus einem Darlehen über 300 Millionen Euro, einer 200 Millionen Euro schweren revolvierenden Linie sowie einer M&A-Kreditlinie über 500 Millionen. Warum haben Sie diese Struktur gewählt?
Michael Klemund: Die Vorgabe bei der Finanzierung war, uns möglichst viel Flexibilität zu geben, um schnell und schlagkräftig zukaufen zu können. Von der Ansprache der Joint Bookrunner ABN Amro und Unicredit bis zur Unterschrift sind neun Wochen vergangen. Auch hier sieht man, dass wir Themen schnell umsetzen wollen.

Finanzierung: Scout24 setzt auf M&A-Linie

Welche Vorteile bietet die M&A-Linie?
Klemund: Durch die M&A Hunting Line können wir das Geld schnell und flexibel abrufen. Wir müssen erst zum Zeitpunkt des Draw Downs, also wenn wir zur Vertragsunterschrift das Geld vom Konto abziehen, offenlegen, für welches Unternehmen wir den Betrag brauchen. Dafür zahlen wir einen Bereitstellungszins.

Das lassen Banken mit sich machen?
Gisy: Wir wollen mit den Banken nicht darüber diskutieren, ob das zugekaufte Unternehmen richtig für uns ist. Das wissen wir selbst am besten. Die Risikosysteme vieler Banken sind zudem noch nicht auf Unternehmen wie uns ausgerichtet.

Wie meinen Sie das?
Gisy: Wir haben uns in den vergangenen Jahren einen guten Ruf erworben, und die Banken haben mit Scout24 gutes Geld verdient. Wir arbeiten als Internetkonzern sehr schnell und effizient, da kann nicht jede Bank mitgehen. Wir zwingen Banken zu Dingen, die sie so noch nicht kennen. Wenn Geldhäuser mit uns arbeiten wollen, müssen sie sich an unsere Geschwindigkeit gewöhnen.

Das neue Finanzierungspaket läuft bis zu fünf Jahre. Das ist ganz schön lang für ein so wendiges Unternehmen, wie Sie es beschreiben.
Klemund: Das stimmt. Selbst ich gehe nicht davon aus, dass die jetzige Finanzierung so lange halten wird. Bis dahin werden sich unsere Bedürfnisse vermutlich noch einmal ändern.

Scout24-CFO Gisy sieht hohes Synergiepotential

Kommen wir zur anstehenden Übernahme von Finanzcheck.de. Die Stunden nach der Deal-Ankündigung waren turbulent: Dass Finanzcheck.de rote Zahlen schreibt und Sie ein bemerkenswert hohes Kaufpreis-Multiple zu zahlen bereit sind, hat den Kapitalmarkt verunsichert. Die Aktie ging zwischenzeitlich um fast 10 Prozent nach unten.
Gisy: Der Markt hat grundsätzlich immer Recht. Ich habe unterschätzt, wie groß die Sorge vor Verlusten bei Finanzcheck.de war. Aber das ist Mumpitz. Das Unternehmen macht vielleicht noch keine Profite, die Verluste sind für Scout24 aber gering und wir haben Profitabilität ab 2020 in Aussicht gestellt. Letztlich hat sich der Markt dann ja auch wieder beruhigt, und der Aktienkurs hat den Handelstag nur leicht negativ beendet.

Sie zahlen für Finanzcheck.de rund 8x Umsatz. Wieso ist das Unternehmen so attraktiv für Scout24?
Gisy: Es gibt momentan keine günstigen M&A-Targets. Aus unserer Sicht ist die Bewertung fair, aber das muss man sich nach zwei bis drei Jahren noch einmal anschauen. Finanzcheck.de ist ein typisches Fintech mit sehr guten Technologien. Besonders im Bereich Consumer Services sehen wir hohes Synergiepotential mit der Kreditvergabe bei Autoscout24 und Immobilienscout24. Finanzcheck.de generiert 90 Prozent seiner Umsätze über Provisionen. Im vergangenen Jahr hat das Unternehmen Kredite im Volumen von über 1 Milliarde Euro zum Abschluss gebracht. Der Gesamtmarkt für Konsumentenkredite in Deutschland beträgt 80 Milliarden Euro. Wir sehen da viel Potential.

„Es gibt momentan keine günstigen M&A-Targets.“

Christian Gisy, CFO von Scout24

Für Finanzcheck.de fahren Sie Ihren Leverage wieder auf etwa das 3-fache des Gewinns vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (Ebitda) hoch. Grundsätzlich ist das Ziel von Scout24 ja ein Nettofinanzverschuldung zwischen 1x und 1,5x Ebitda. Ist diese Vorgabe noch aktuell?
Klemund: Grundsätzlich ja. Wir haben aufgrund unserer hohen Profitabilität und des starken Cashflows eine starke Entschuldungskraft. Ohne M&A-Deals könnten wir alle Schulden sehr schnell zurückfahren und auf unseren Zielwert kommen. Wenn wir die M&A-Linie nutzen, wollen wir diesen Kredit zudem möglichst schnell umfinanzieren, damit die Linie wieder frei wird für mögliche weitere Übernahmen.

Setzt Scout24 wieder auf den Schuldschein?

Worauf setzen Sie bei der Ausfinanzierung des Finanzcheck.de-Deals?
Klemund: Das wissen wir noch nicht. Es könnte wieder ein Schuldschein sein oder eine Kombination aus verschiedenen Instrumenten.

Wie viel finanziellen Spielraum hätte Scout24 noch für weitere Deals?
Gisy: Expansion kommt für uns in unseren drei Säulen ImmobilienScout24, AutoScout24 und Consumer Services in Betracht. Das sind alles Bereiche, in denen wir uns als Nummer 1 in unseren Kernmärkten Deutschland, Österreich, Italien und den Benelux-Ländern sehen. Ein Limit für Zukäufe gibt es nicht, wenn das Geschäft profitabel ist. Wenn es von den Umsatzenergien her Sinn ergibt, sind 500 Millionen bis 1 Milliarde Euro schwere Zukäufe durchaus möglich. Wir sind da wenig scheu.

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CFO-Interviews

Egal ob gelungene Finanzierungen, komplexe M&A-Deals oder verpatzte Restrukturierungen: Finanzchefs müssen hier die Fragen der FINANCE-Redaktion parieren.

Wäre es nicht besser, zu entschulden?
Gisy: Wenn ein Zielunternehmen interessant ist, müssen wir es uns anschauen. Das kann ich nicht von der aktuellen Höhe unseres Leverages abhängig machen. Auch bei Finanzcheck.de wurde ein Verkaufsprozess gestartet, in dem wir uns dann durchgesetzt haben.

jakob.eich[at]finance-magazin.de

Info

Alles zur Karriere des Scout24-CFOs finden Sie auf dem FINANCE-Köpfe-Profil von Christian Gisy. Spannende Gespräche mit Finanzchefs sammeln wir für Sie auf der FINANCE-Themenseite CFO-Interviews.

Jakob Eich ist Redakteur der Fachzeitungen FINANCE und DerTreasurer des Fachverlags F.A.Z Business Media, bei dem er auch sein Volontariat absolviert hat. Eich ist spezialisiert auf die Themen Digitalisierung im Finanzbereich und Treasury. Durch seine Zwischenstation bei der Schwesterpublikation „Der Neue Kämmerer“ ist der 1988 geborene Journalist auch versiert beim Thema Kommunalfinanzen. Erste journalistische Erfahrungen hat der gebürtige Schleswig-Holsteiner in den Wirtschaftsmedien von Gruner+Jahr sowie in der Sportredaktion der Hamburger Morgenpost gesammelt.