Das aktuelle Sparprogramm ist gerade abgeschlossen, da legt SGL Carbon schon wieder nach: Der Standort Frankfurt-Griesheim wird geschlossen, 150 Mitarbeiter werden entlassen. Das teilte das Wiesbadener Unternehmen jetzt mit. „Nach erfolgter Schließung werden wir nachhaltige jährliche Einsparungen im niedrigen zweistelligen Millionen-Euro-Bereich erreichen und die Auslastung an den anderen Produktionsstandorten für Graphitelektroden weltweit verbessert haben“, erklärt CFO Michael Majerus gegenüber FINANCE.
Das Management von SGL Carbon steht in diesen Tagen erheblich unter Druck. Denn der Aktienkurs kennt nur eine Richtung: nach unten. War das SDax-Unternehmen Anfang November an der Börse noch 1,53 Milliarden Euro wert, liegt es aktuell bei nur knapp 800 Millionen Euro. Die Hälfte des Börsenwertes vernichtet in nur drei Monaten – ein Horrorszenario für die illustren Großaktionäre um BMW-Erbin Susanne Klatten (27,46 Prozent), BMW (18,44 Prozent) und VW (9,88 Prozent). Zumal der Wert der Aktie schon in den Jahren zuvor drastisch zusammengeschmolzen war.
CFO Michael Majerus will die Kosten weiter senken
Das erneute Drehen an der Kostenschraube verschafft Majerus etwas Luft, der Aktienkurs legte gestern leicht zu. Für eine nachhaltige Beruhigung der Investoren dürften aber nur Fortschritte bei der geplanten Zerschlagung des Konzerns sorgen. Denn der Grund für die Misere liegt vor allem in der schwächelnden Sparte „Performance Products“ (PP).
Das Geschäft mit Graphitelektroden schrumpft wegen der fallenden Stahlpreise immer schneller. Es wird damit zum Bremsklotz für den ohnehin gebeutelten Gesamtkonzern, den die Ratingagenturen Moody’s und S&P mit B2 und B jeweils tief im spekulativen Bereich sehen. Das über Jahre defizitäre Geschäft mit dem ultraleichten Wunderstoff Carbonfaser, den etwa BMW in seiner Elektroautoflotte verbaut, könnte nach zwei guten Quartalen nun endlich ins Rollen kommen und der Bereich mit Graphitspezialanwendungen läuft nicht atemberaubend, aber solide. PP ist dagegen im Rückwärtsgang.
Im vergangenen Juli hatte SGL Carbon daher angekündigt, das ehemalige Kerngeschäft, das immer noch für knapp die Hälfte des Konzernumsatzes steht, bis Ende 2016 rechtlich verselbstständigen zu wollen. Im November drückten die Wiesbadener dann auf das Tempo, um die Sparte schon bis Mitte dieses Jahres loszuschlagen.
Investoren rätseln weiter über Zerschlagungspläne
Doch SGL Carbon lässt die Investoren weiterhin im Unklaren darüber, wie es nach der rechtlichen Verselbstständigung weitergehen soll. Vom Verkauf an einen Strategen oder einen PE-Investor über eine Fusion mit einem Wettbewerber bis hin zu einem IPO hält sich das Unternehmen jede Option offen. Sogar die Fortführung unter dem eigenen Dach schließt das Management nicht aus – es dürfte allerdings eher eine defensive Entscheidung sein, falls PP nicht zu einem angemessen Preis verkauft werden könnte. „Die Voraussetzung für jegliche strategische Option ist, dass die rechtliche Verselbständigung vollzogen ist“, sagt CFO Majerus ausweichend.
Hier wird der Finanzchef im Gespräch mit FINANCE immerhin konkreter: Das Konzept für die rechtliche Struktur einer eigenen Geschäftseinheit Performance Products (PP) stehe, genauso wie die neue Organisationsstruktur und das Managementteam. „In den kommenden Wochen liegt der Fokus auf dem Übergang der weltweit ca. 1.900 Mitarbeiter in die neuen Gesellschaften“, so Majerus.
Verkauft SGL Carbon PP nur in Teilen?
Aufhorchen lässt dabei ein Detail: Der zukünftig selbständige Teilkonzern PP werde aus zwei rechtlich eigenständigen Einheiten bestehen, erklärt der Finanzchef. Das Graphitelektrodengeschäft, das für 80 Prozent des Spartenumsatzes steht, wird in einer eigenständigen GE Holding GmbH mit Sitz in Deutschland gebündelt. Die kleineren aber dafür lukrativeren Geschäfte mit Kathoden, Hochofenauskleidungen, und Kohlenstoffelektroden werden innerhalb dieses neuen Teilkonzerns in einer eigenen Gesellschaft namens SGL CFL GmbH konzentriert. Dieser werden auch die PP-Aktivitäten der polnischen Standorte zugeordnet.
Durch diese Aufstellung wolle man sich die „maximale Flexibilität bei der Auswahl der strategischen Optionen“ erhalten, sagt CFO Majerus. Mit anderen Worten: Falls SGL Carbon Performance Products nicht im Ganzen loswerden sollte, wäre auch ein Teilverkauf denkbar. Das Management bereitet sich auf alle Szenarien vor.