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Shared Service Center erreichen großen Mittelstand

Vor allem Großkonzerne zieht es nach Osteuropa - Mittelständler bleiben lieber am Standort Deutschland.
Thinkstock / Getty Images

Werden Shared Service Center für Mittelständler zunehmend attraktiv? Zumindest ist dies die zentrale These einer KPMG-Studie zu diesem Thema. Die Wirtschaftsprüfer haben in Kooperation mit der Universität Göttingen199 Unternehmen befragt. 53 Prozent der Unternehmen gaben an, bereits Erfahrungen mit Shared Service Centern gemacht zu haben. Davon hatten 80 Prozent der Befragten ihre Ziele „in hohem Maße“ erreicht, ähnlich hoch war die Zahl derjenigen, die für das Implementieren nicht mehr als zwei Jahre gebraucht hatten. Bei 55 Prozent hatte es sich sogar nach ein bis zwei Jahren schon amortisiert. Die Kosten lagen in 78 Prozent der Fälle unter 1 Million Euro.

Die Zusammenfassung von Unternehmenseinheiten an einem zentralen Standort in sogenannten Shared Service Centern war bislang vor allem bei Großkonzernen bekannt. Gerne gingen diese einher mit einer Auslagerung ins Ausland (Offshoring). Auch einige Dax-Konzerne, darunter E.on, Henkel und Merck, haben ihr Rechnungswesen nach Osteuropa ausgelagert. Das dortige Lohnniveau und die Möglichkeit, Stellen durch Effizienzsteigerung abzubauen, waren Gründe. Eine Strategie, die nicht nur Erfolge mit sich brachte, denn das benötigte Personal muss erst einmal gefunden werden. So berichtete der ehemalige kaufmännische Geschäftsführer der Still-Gruppe Lorenz Zwingmann gegenüber FINANCE (Printausgabe Februar/März 2014) von einem Offshoring-Projekt in Rumänien, das scheiterte. Zu hohe Fluktuation, zu schnell steigende Gehälter waren das Problem. „Das würde ich heute nicht mehr machen“, sagte der heutige Knorr-Bremse-CFO.

Shared Service Center: Offshoring bei Konzernen beliebt

Hier überrascht die Studie, insbesondere bei den etwas kleineren Unternehmen: „Shared Service Center sind im Mittelstand angekommen – aber mit anderen Konzepten als bei großen Konzernen“, erklärt Andreas Reimann, Partner bei KPMG. Mittelständische Unternehmen ziehen eher Personal am deutschen Stammsitz zusammen (Onshoring), als dass sie das Risiko eingehen, im Ausland neue Strukturen aufzubauen. „Schlagkräftige Strukturen am Hauptsitz geben den Managern einen besseren Durchgriff und eher das Gefühl der Kontrolle“, vermutet Reimann die Gründe. Denn es gäbe auch gute Gründe für den Standort Deutschland: Das Ziel einer Effizienzsteigerung von bis zu 25 Prozent könne durch Prozessoptimierungen am Stammsitz ohne großes Risiko erreicht werden. „Im Ausland reizt der unmittelbar zu realisierende Lohnkostenvorteil von bis zu 40 Prozent“, so Reimann. „Diesem wirken dann aber in der Regel Effizienzeinbußen entgegen, weil die nicht optimierten Prozesse dann im Ausland häufig schlechter funktionieren und Ineffizienzen billigend in Kauf genommen werden müssen.“ Gerade Mittelständler seien hier besonders auslandsscheu.

Das Wort „Mittelstand“ ist jedoch in diesem Zusammenhang mit Vorsicht zu genießen. 50 Prozent der Studienteilnehmer repräsentierten Unternehmen mit einem Umsatz zwischen 1 und 7 Milliarden Euro – sind also kein Mittelstand mehr im klassischen, sondern mehr im psychologischen Sinne. Umso erstaunlicher ist es, dass sich schon bei diesen Konzernen Unterschiede in der Praxis zu den Großkonzernen ergeben, immerhin blieben 68 Prozent aller Befragten dem Standort Deutschland treu – deutlich mehr als der Anteil klassischer Mittelständler an der Studie.

Noch aus einem anderen Grund sind Shared Service Center zunehmend beliebt, erklärt Reimann: „Die CFOs sagen, dass ihre Unternehmen so schnell gewachsen sind, dass sie gar nicht mehr im Detail wissen, was in den Ländern so alles geschieht.“ Durch die Bündelung verschiedener Unternehmenseinheiten in einer „Zentrale“ bekommen die CFOs demnach wieder den Überblick über die Prozesse. Die Transparenz erhöhe sich deutlich.

Rechnungswesen weiter Spitzenreiter vor IT

Inhaltlich ist die Nachfrage für Shared Service Center im Bereich Finanz- und Rechnungswesen am stärksten. Das beinhaltet Bereiche aus der Buchhaltung wie die Kreditoren- und Debitorenbuchhaltung, bei denen Standardisierung im Fokus steht. Aber auch beratende Einheiten, etwa bei der strategischen Planung, bei Budgetierungsprozessen oder im Controlling werden stärker nachgefragt. „Wir beobachten einen Trend hin zu den wissensorientierten Centers of Excellence“, sagt KPMG-Partner Andreas Reimann. Es gehe den mittelständischen Unternehmen nicht mehr nur um Skaleneffekte bei transaktionsorientierten Tätigkeiten, sondern auch um eine bessere Wissensvermittlung.

Hintergrund: Es gibt zwei verschiedene Formen von Shared Service Centern. In einem Center of Scale (CoS) werden standardisierbare, transaktionsorientierte Prozesse zusammengelegt. Dadurch sollen Skaleneffekte genutzt werden. Bei einem Center of Excellence bzw. Expertise (CoE) ist das Prozessvolumen klein, dafür wird Expertenwissen gebündelt, so dass jeder Geschäftsbereich Zugriff auf das Know-how der Mitarbeiter bekommt. Der Trend geht also vom CoS zum CoE. „Unternehmen trauen sich heute, mehr Themen in Service-Plattformen nebeneinander zu stellen.“ Das bedeutet auch eine höhere Flexibilität in der Karriereplanung der Mitarbeiter. „Wer im Shared Service Center das Rechnungswesen von der Pike auf gelernt hat, kann sich dann in einem Center of Excellence in anderen CFO-Bereichen wie dem Controlling weiterentwickeln“, so Reimann.

Trend zum Controlling?

Schon 2013 hatte Reimann gegenüber FINANCE bereits von einer Tendenz hin zu SSCs im Controlling berichtet. Diese findet sich in den Zahlen jedoch nicht wieder. Damals hatte KPMG eine Studie in Kooperation mit der Universität St. Gallen durchgeführt. Dabei hatten 52 Prozent der Befragten angegeben, ein SSC im Rechnungswesen eingeführt zu haben, nur ein Drittel tat dies auch im Controlling. Insgesamt hatten Dreiviertel der Befragten mindestens ein SSC gegründet. In der aktuellen Studie waren es nur 53 Prozent. 28 Prozent hatten Erfahrung mit einem Finanz- und Rechnungswesen-SSC, es folgen mit 27 Prozent IT-SSCs. Der Wert für Controlling lag nur bei 12 Prozent. Vergleichbar sind die Zahlen aber nur bedingt: Vor einem Jahr lag der Schwerpunkt auf den 1.000 umsatzstärksten Unternehmen der DACH-Region und nicht auf Mittelstand und kleineren Großunternehmen.

sebastian.kapp[at]finance-magazin.de