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Shared Service Center: überall und nirgends

Indien ist derzeit ein beliebter Offshoring-Standort für Unternehmen, aber der physische Standort wird an Bedeutung verlieren.
Thinkstock / Getty Images

Indien, China und Malaysia sind die attraktivsten Offshore-Länder für multinationale Unternehmen. Deutsche Firmen wissen aber auch die Nearshoring-Standorte Zentral- und Osteuropas zu schätzen. Das ist das Ergebnis einer aktuellen Studie der Beratung A.T. Kearney. Polen, Tschechien, Rumänien und Bulgarien stehen demnach auf der Liste der deutschen CFOs ganz oben, wenn es um die Bündelung bestimmter administrativer Prozesse im Ausland geht. Die Gründe hierfür liegen auf der Hand: Räumliche Nähe, entsprechend entwickelte Infrastruktur und gut ausgebildete Mitarbeiter.

Auch das Thema Kostensenkungen spielt eine nicht zu unterschätzende Rolle. Können die CFOs in organisatorischen Verantwortungsbereichen wie Shared Service Centern doch interne Dienstleistungen bündeln. Gerade Prozesse aus der Buchhaltung und dem Reporting, die stark standardisiert und eine hohe Anzahl an Wiederholungen haben, sind dafür geeignet. Das bietet den CFOs einen Stellhebel, um ihre Kosten zu senken.

Aber: „Wenn deutsche Unternehmen Teile ihre Administrationen im Ausland bündeln, sind Kostenvorteile nicht immer das alleinige Ziel“, sagt Martin Sonnenschein, Partner und Managing Director Central Europe von A.T. Kearney. Es gehe häufig auch darum die Qualität, die Flexibilität und die Agilität zu steigern und die Strategie konsequent auf die Kernfähigkeiten auszurichten. Aber dennoch sei das Potential an Kostensenkungen nicht zu unterschätzen.

Shared Service Center immer mehr auch im Mittelstand

Shared Service Center sind dabei nicht mehr nur ein Konzept für Großkonzerne, die inzwischen dabei sind, multifunktionale Zentren aufzubauen. Auch immer mehr mittelständische Unternehmen entdecken diese Art der Organisationseinheit für sich. Der Bad- und Sanitärspezialist Hansgrohe hat in Zypern beispielsweise ein Shared Service Center für das Rechnungswesen und Reporting gegründet. Einer aktuellen Studie der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG unter 121 Mittelständlern zufolge haben rund die Hälfte der befragten mittelständischen Unternehmen schon Erfahrungen mit Shared Service Centern gesammelt, insbesondere in den Bereichen Finanzen, Controlling, Accounting sowie IT.

„Für Unternehmen über 100 Millionen Euro Umsatz, ist das Thema Shared Service Center schon interessant“, sagt Sonnenschein. Allerdings seien bei Unternehmen in dieser Größenordnung eher Nearshoring-Standorte gefragt. „Wenn neue Märkte erschlossen werden, sind aber keine Unterschiede zu Großunternehmen festzustellen.“ Gerade Indien sei für die Bündelung von Prozessen aus der Finanzabteilung gefragt. Auch die Slowakei, Polen und Tschechien sind wegen relativ hoher Faktorkostenvorteilen, wirtschaftlicher Stabilität und aufgrund des guten Ausbildungsniveaus beliebt.

Zukunftsmusik: Robotertechnik in der Finanzabteilung

Irgendwann in der Zukunft könnte es allerdings auch gar keinen physischen Standort mehr geben, an dem Prozesse gebündelt werden. „Der Zukunftstrend No Location bedeutet dabei zum einen, dass Unternehmen keine Arbeitskräfte mehr benötigen, da alle Prozesse automatisiert sind“, sagt Berater Sonnenschein. Zum anderen könne computergestützte Tätigkeit von überall auf der Welt erfolgen.

Gerade in Hochlohnländern ist der Automatisierungsgrad inzwischen insbesondere in der Produktion sehr hoch. „Auch den indirekten Bereich, zu dem die Finanz- und Verwaltungsprozesse gehören, automatisieren Unternehmen zunehmend“, sagt Sonnenschein. Der gesamte buchhalterische Prozess einschließlich Einkauf und Beschaffung sowie Zahlungsverkehr sind heute schon oft automatisiert, auch wenn CFOs den elektronischen Rechnungsversand bislang noch eher selten nutzen.

„Die Robotertechnik in der Finanzabteilung ist zwar derzeit noch Zukunftsmusik, aber es ist denkbar, dass wir dort in einigen Jahren auch schon Roboter vorfinden. Das ist in 25 Jahren mehr Realität als Traum“, glaubt Sonnenschein. Der Grund: Die Automatisierungstechnik sorgt dafür, dass sich auch bei Finanzprozessen die Fehleranfälligkeit reduziert, sich die Durchlaufzeiten auf 24 Stunden an sieben Tage die Woche erhöht und die Unternehmen unabhängig von Arbeitskräften agieren können. Vielleicht ist der künstliche Mensch in einigen Jahren nicht mehr aus unserer Arbeitswelt wegzudenken.

sabine.paulus[at]finance-magazin.de

Sabine Paulus ist seit 2008 Redakteurin beim Fachmagazin FINANCE und der Online-Publikation DerTreasurer. Ihre Themenschwerpunkte sind Personal, Organisation, Karriere und Finanzierung. Sie ist M.A. und hat an der Universität Konstanz unter anderem das Hauptfach Deutsche Literatur studiert.