Dem wegen mehrerer schlecht getimter Zukäufe ohnehin unter Beobachtung seiner Investoren stehende Elektronikriese Siemens droht in den USA das nächste M&A-Debakel. Dem im vergangenen Jahr für 7,6 Milliarden US-Dollar von Siemens übernommenen Öl- und Gasindustriezulieferer Dresser-Rand ist im ersten Quartal 2015 ein Viertel seines Umsatzes weggebrochen – es standen nur noch Erlöse von 520 Millionen US-Dollar zu Buche. Dazu rutschte Dresser-Rand operativ mit 24 Millionen US-Dollar in die roten Zahlen. Im Vorjahr hatte das Unternehmen noch ein Plus von rund 17 Millionen US-Dollar erwirtschaftet.
Für CEO Joe Kaeser und CFO Ralf Thomas, die bislang Kritik an dem Deal noch abgewiegelt haben, wird der Mega-M&A-Deal damit immer mehr zum Problem. Als besonders unglücklich erweist sich der Zeitpunkt der Akquisition: Kurz nach der Übernahme kollabierte der Ölpreis, und die US-Frackingspezialisten strichen ihre Investitionen zusammen. Und Dresser-Rand glaubt nicht, dass sich die Lage mittelfristig wieder bessern wird.
Siemens wollte mit dem Zukauf aber explizit auf den amerikanischen Energiemarkt vorstoßen und am nun jäh gestoppten Schieferöl- und Schiefergas-Boom teilhaben. Die Übernahme war auch deswegen so teuer, weil Siemens sich in einem Übernahmekampf gegen den ebenfalls interessierten Schweizer Wettbewerber Sulzer durchsetzen musste.
Dresser-Rand leidet unter starkem US-Dollar
Dresser-Rand hat bereits mit einem Kostensenkungsprogramm reagiert und weltweit mehrere hundert Stellen abgebaut. Dies werde in diesem Jahr zu zusätzlichen Aufwendungen von bis zu 50 Millionen US-Dollar verursachen, teilte Dresser-Rand gegenüber der US-Börsenaufsicht SEC mit. Auch der starke US-Dollar macht Dresser-Rand zu schaffen: Das Unternehmen hat in den ersten drei Monaten dieses Jahres Währungsverluste von rund 9 Millionen US-Dollar hinnehmen müssen.
Die verkaufte BSH performt klar besser als Dresser-Rand
Für Siemens gehört der Zukauf von Dresser-Rand zur Strategie „Vision 2020“. Der Dax-Konzern will sich aus den letzten noch verbliebenen Geschäften mit Endverbrauchern zurückziehen und stattdessen das Industriegeschäft stärken. Dafür hatte Siemens unter anderem 2013 den Leuchtmittelkonzern Osram im Rahmen eines Spin-offs an die Börse gebracht. Dessen Aktienkurs hat sich seitdem nahezu verdoppelt.
Was den Druck auf Kaeser und Thomas noch erhöhen könnte: Beinahe zeitgleich mit der Übernahme von Dresser-Rand hatte sich Siemens von seiner profitablen Hausgeräte-Sparte BSH Bosch Siemens Hausgeräte getrennt. Für etwa 3 Milliarden Euro veräußerten die Münchener ihren 50-Prozent-Anteil an den Joint-Venture-Partner Bosch. BSH entwickelt sich seitdem klar besser als Dresser-Rand: Der BSH-Umsatz stieg 2014 um über 8 Prozent auf den Rekordwert 11,4 Milliarden Euro. Der Gewinn vor Zinsen und Steuern (Ebit) kletterte von 500 auf 700 Millionen Euro. Und der inzwischen alleinige Eigentümer Bosch will Umsatz und Gewinn in den nächsten Jahren noch deutlich weiter nach oben schrauben.
Jakob Eich ist Redakteur der Fachzeitungen FINANCE und DerTreasurer des Fachverlags F.A.Z Business Media, bei dem er auch sein Volontariat absolviert hat. Eich ist spezialisiert auf die Themen Digitalisierung im Finanzbereich und Treasury. Durch seine Zwischenstation bei der Schwesterpublikation „Der Neue Kämmerer“ ist der 1988 geborene Journalist auch versiert beim Thema Kommunalfinanzen. Erste journalistische Erfahrungen hat der gebürtige Schleswig-Holsteiner in den Wirtschaftsmedien von Gruner+Jahr sowie in der Sportredaktion der Hamburger Morgenpost gesammelt.