Vor zwei Monaten wurde der neue Bilanzierungsstandard IFRS 16 veröffentlicht, seitdem ist die Aufregung groß. Der Grund: Den Unternehmen wird es künftig nicht mehr erlaubt sein, ihre Leasingschulden lediglich im Anhang auszuweisen. Stattdessen müssen sie direkt in der Bilanz auftauchen, bei manchen Unternehmen kann das in die Milliarden gehen. Doch nicht nur die Leasingnehmer stört das, auch die Leasinggeber sind mit der neuen Regelung nicht zufrieden – sie fürchten einen Einbruch der Leasingnachfrage. Immerhin fand sich die Bilanzneutralität in den Marketingbroschüren der Anbieter immer ganz weit oben wieder. Einer, der die Bedenken der Branche kennt, ist Björn Waldow, CFO der Sixt Leasing. Im Mai 2015 hatte der Autovermieter Sixt seine Leasingsparte an die Börse gebracht, seit September notiert die Aktie im SDax.
Herr Waldow, der neue Standard zur Leasingbilanzierung IFRS 16 hat sowohl viele Unternehmen als auch die gesamte Leasingbranche irritiert. Viele Ihrer Kollegen machen sich jetzt Sorgen, dass die Nachfrage nach Leasing einbricht. Sie auch?
Nein, ich glaube nicht, dass die Nachfrage nach Leasing, und insbesondere nach KfZ-Leasing, nur wegen der Änderung eines Bilanzierungsstandards einbrechen wird. An der wirtschaftlichen Situation der Unternehmen ändert sich dadurch nichts. Das wissen nicht nur die Unternehmen selbst, sondern auch deren Kapitalgeber. Schon heute werden im Anhang zum Jahresabschluss die zukünftigen Leasingzahlungen ähnlich einer Verbindlichkeit unter den sonstigen finanziellen Verpflichtungen ausgewiesen und relevante Finanzierungspartner, wie beispielsweise Banken, beziehen diese Off-Balance-Verbindlichkeiten bereits seit Jahren in die Risikobewertung Ihrer Kunden mit ein. Wir sehen IFRS 16 deshalb gelassen entgegen.
Trotzdem: Zentrale Bilanzkennzahlen werden sich teilweise massiv verändern, bei manchen Unternehmen wie der Telekom werden sogar neue Schulden in Milliardenhöhe auftauchen. Das dürfte den ein oder anderen dann doch nicht kalt lassen.
Rein optisch kann es natürlich negative Auswirkungen auf die Bilanz geben. Dennoch glaube ich, dass die wesentliche Attraktivität des Leasings nicht in der Off-Balance-Bilanzierung liegt. Wichtig für unsere Kunden ist nicht, ob sie ihre Autoflotte in der Bilanz abbilden oder nicht. Wichtig ist, dass sie Fahrzeuge erhalten, die stets auf dem neusten Stand der Technik sind, dass wir uns während der gesamten Nutzungszeit um Dienstleistungen wie Fahrzeugbeschaffung, Wartung und andere Services kümmern sowie am Ende der Nutzungsdauer die Vermarktung der Fahrzeuge und das entsprechende Vermarktungsrisiko übernehmen. Gerade diese starke Serviceausprägung schützt Sixt Leasing vor den möglichen Folgen von IFRS 16. Hinzu kommt, dass Leasing besonders liquiditätsschonend ist und die Kosten planbar sind, was viele Unternehmen begrüßen. Dies wird sich auch in Zukunft nicht ändern.
Aber Leasing war bisher auch ein probates Mittel für Unternehmen, die eigene Bilanz zu entlasten. Dieser Vorteil fällt nun weg. Es fällt schwer, zu glauben, dass das die Branche nicht treffen soll.
Für die gesamte Leasingbranche ist das schwer abzuschätzen, ich kann nur eine Einschätzung für die KfZ-Leasing-Branche im Allgemeinen und Sixt Leasing im Besonderen geben. Uns hilft zusätzlich zu bereits genannten Punkten, dass die Verbindlichkeiten aus dem KFZ-Leasing bei vielen Großkunden im Vergleich zu den übrigen Bilanzpositionen relativ vernachlässigbar sind. Die zusätzlichen Schulden auf der Bilanz sollten diesen Firmenkunden in der Regel keine Bauchschmerzen bereiten. Das ist beim Leasing zum Beispiel von Flugzeugen, Immobilien und Industriemaschinen, die eine weit größere finanzielle Dimension haben können, etwas anderes. Sixt Leasing ist zudem zunehmend stärker im Privatkundengeschäft tätig, wo die neue Bilanzierungsregel überhaupt keine Rolle spielt. Dieser Bereich wächst bei uns derzeit sehr stark, das würde uns zusätzlich helfen, mögliche Folgen im Firmenkundenbereich abzufedern.
Sixt-Leasing-CFO Waldow: Leasing ist attraktiver als Kaufen
Aus Gesprächen mit CFOs wissen wir, dass in den Unternehmen schon Maßnahmen diskutiert werden, um die negativen Bilanzfolgen abzufedern. Ein Unternehmen überlegt beispielsweise Immobilien, die bisher geleast wurden, zukünftig zu kaufen.
Bei Immobilien kann ich mir das auch vorstellen. Wenn Sie die Immobilien zu einem späteren Zeitpunkt wieder verkaufen möchten, beauftragen Sie einen Makler. Der Aufwand ist überschaubar. Bei KFZ-Flotten ist das jedoch nicht so einfach: Stellen Sie sich vor, Sie haben jedes Jahr mehrere hundert Altfahrzeuge, die in Neufahrzeuge getauscht werden sollen. Der Aufwand, den Sie für die Verwertung dieser Fahrzeuge betreiben müssten, wäre extrem hoch. Zudem würden Sie vollständig das Risiko des potenziellen Werteverfalls im Gebrauchtwagenmarkt tragen. Insofern bin ich sicher, dass Leasing auch aus diesem Grund für unsere Kunden weiterhin attraktiver als der Kauf der Fahrzeuge sein wird.
Nach IFRS 16 soll es Ausnahmeregelungen geben, die es weiterhin erlauben, Leasingschulden Off-Balance zu behandeln, zum Beispiel wenn die Leasingdauer kurz ist oder die Summe niedrig ist. Können Sie sich vorstellen, in Zukunft Leasingverträge stärker auf solche Ausnahmeregelungen hin auszugestalten?
Dass Unternehmen bestimmte Konstruktionen in ihren Verträgen wünschen, ist nichts Neues, das war bisher auch schon so. In manchen Fällen bevorzugen es Unternehmen bereits heute, dass ein Leasingobjekt in der Bilanz erscheint. Um alle Kundennachfragen umfassend beantworten zu können, werden auch wir uns künftig natürlich noch intensiver mit der Frage beschäftigen, welche Möglichkeiten es bei der Ausgestaltung der Verträge gibt.
Info
Die neue Leasingbilanzierung hat die Branche aufgerüttelt. Was CFOs jetzt wissen müssen und wie die Deutsche Telekom, Hugo Boss und Sixt Leasing diese Herausforderungen stemmen wollen, können Sie in der aktuellen Ausgabe des FINANCE-Magazins nachlesen. Weitere spannende Interviews mit Finanzchefs finden Sie auch auf unserer Themenseite CFO-Interviews.
Julia Schmitt ist Redaktionsleiterin von FINANCE-Online und Moderatorin bei FINANCE-TV. Nach ihrem Studium der Volkswirtschaftslehre und Publizistik an der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz stieg sie 2014 bei F.A.Z. BUSINESS MEDIA ein. Sie betreut die Themenschwerpunkte Wirtschaftsprüfung und Bilanzierung und ist Trägerin des Karl Theodor Vogel Preises der Deutschen Fachpresse.