Eigentlich sollte der Job von Steffen Munz, der im Februar 2018 seinen CFO-Posten bei Varta antrat, ein Selbstläufer sein, schließlich ist der Batteriehersteller seit dem Börsengang im Jahr 2017 für die Anleger eine Mega-Erfolgsstory. Der Markt- und Innovationsführer bei Lithium-Ionen-Knopfzellen profitiert wie kaum ein zweites Unternehmen von dem Boom bei kabellosen InEar-Kopfhörern wie den Apple AirPods. Als bekannt wurde, dass Varta-Batterien in den Ohrsteckern aller namhaften Hersteller inklusive Apple stecken, gab es an der Börse kein Halten mehr: Innerhalb des vergangenen Jahres verfünffachte sich die Aktie auf 127 Euro.
Ist der Höhenflug der Varta-Aktie beendet? (Aktienkurs seit dem IPO)
Varta-CFO Munz zapft viele Geldquellen an
Auf M&A-Seite nutzte Munz, dem sein berufliches Umfeld ein hohes Maß an Fachwissen und ein sympathisches Auftreten attestiert, das Momentum aus günstigen Finanzierungsbedingungen und hohem Aktienkurs: Die Ende Mai 2019 von Energizer zurückgekaufte – wachstumsschwache, aber cashflowstarke – Endkonsumentensparte Varta Consumer Batteries dürfte auf lange Sicht die Innenfinanzierungskraft des Konzerns stärken.
Und auch beim Ausbau der Fabriken kann Munz klotzen statt kleckern: Hier schöpft der Finanzmanager aus dem Cashflow, aus einer Kreditlinie und aus einer Kapitalerhöhung, die Varta im Juni 2019 durchgeführt hat. Diese brachte dem Batteriespezialisten einen Bruttoemissionserlös von 104 Millionen Euro.
Varta kann hohe Nachfrage nicht bedienen
Doch Anfang des neuen Jahres zogen plötzlich dunkle Wolken in Form kritischer Analysten-Stimmen auf. Kopfhörerhersteller und Varta selbst scheinen die Nachfrage unterschätzt zu haben. Infolge dessen kann Varta einige Kopfhörer-Produzenten nicht mehr vollständig beliefern. Konkurrenten aus China drängen in die Lücken – und sollen dabei auch Patente des baden-württembergischen Konzerns verletzt haben. Varta versucht sich juristisch zu wehren, wäre aber nicht das erste deutsche Unternehmen, das seinen Technologievorsprung im Zuge von Patentstreitigkeiten einbüßt.
Die Chinesen tauchen zu einem heiklen Zeitpunkt auf, denn die Unternehmensführung drückt bei dem geplanten Produktionsausbau aufs Tempo. Sie kündigte vor wenigen Tagen an, die Produktionskapazitäten stärker und schneller auszubauen als geplant. Nachdem die Planungen bereits mehrmals auf zuletzt 150 Millionen Zellen jährlich ab 2022 angehoben worden waren, sollen die Produktionskapazitäten jetzt sogar auf 200 Millionen Zellen pro Jahr ausgebaut werden – und das schon Ende 2021.
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Doch der Markt ist verunsichert: Seit Jahresbeginn ist die Aktie von über 120 auf nur noch 74 Euro eingebrochen. Nun, da der Hype vorbei ist, muss sich Munz, der bei Varta auch für Investor Relations zuständig ist, darum bemühen, dass der Markt den fairen Wert von Varta aus Furcht vor den Chinesen nicht zu niedrig ansetzt. Schließlich ist es nicht ausgeschlossen, dass der Konzern erneut den Kapitalmarkt anzapfen muss, will er seine Fertigung noch weiter ausbauen.
Varta muss die Kommunikation verbessern
Und tatsächlich lässt die Kapitalmarktkommunikation in den Augen mancher Kritiker Raum für Verbesserungen. So waren dem Management sowohl Konkurrenzlage als auch die möglichen Patentverletzungen bereits im Dezember bekannt, wie Varta im Januar mitteilte. Doch die Anleger erfuhren davon durch einen Shortseller-Report und eine Studie der Commerzbank. Noch mehr Misstrauen sät, dass im Dezember Ex-CFO Michael Pistauer sowie Aufsichtsratschef und Mehrheitseigner Michael Tojner noch größere Aktienpakete verkauften – zu einem Preis von um die 121 Euro.
Wie geht es nun weiter? Erfahrungen vor allem aus der Solar- und Elektronikbranche zeigen, dass Patentrechte in der Realität nur schwer durchzusetzen sind. Und wenn die Asiaten erst einmal beginnen, im großen Stil in einen Markt einzusteigen, gewinnen sie dank ihrer Kosten- und Größenvorteile häufig schnell die Oberhand. Möglicherweise wird Varta nicht umhin kommen, sich auf Dauer in Asien einen Produktionspartner zu suchen. Die Equity Story wäre dann eine andere.
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